Doppeltest
Jenseits der 60.000 Mark-Grenze erstreckt sich ein attraktives Angebot an üppig motorisierten Sechszylinder-Limousinen. Im Vergleich das zugkräftige Gespann aus Bayern, der neue BMW 528i gegen den bewährten Audi A6 in seiner jüngsten Version mit 193 PS.
In der Oberklasse – das lässt schon der Name anklingen – liegt die Meßlatte hoch. Mercedes und BMW geben hier den Ton an, aber auch Audi ist gut bei der Musik. Doch während Mercedes in dieser Preisklasse bislang nur mit Vierzylindern vertreten ist, bieten BMW und Audi wahrhaftige Sechs-Maschinen an: 193 PS aus 2,8 Liter Hubraum und 280 Newtonmeter entwickeln beide Triebwerke, die in ihrer Konzeption allerdings stark differieren. BMW setzt auf einen Aluminium- Reihenmotor mit Vierventiltechnik und variabler Nockenwellensteuerung, Audi auf einen 90 Grad-V6 mit Schaltsaugrohr und fünf Ventilen pro Brennraum. Doch in der Praxis sind die Differenzen längst nicht so spektakulär, wie der geballte Aufwand an High Tech glauben macht. Beide Triebwerke gehören zu den besten Sechszylindern, die es heute zu kaufen gibt. Die Unterschiede sind nur in Nuancen wahrnehmbar. Die Drehmoment-Ausbeute von 280 Newtonmetern ist genau gleich und zudem beachtlich in ihrer absoluten Höhe. Erst die Nenndrehzahlen zeigen einen Hauch von Unterschied: Der Audi liefert seine höchste Leistung bei 6000/min, also 700/min später als der BMW, der dafür bei der Nenndrehzahl des Drehmoments (3950 anstatt 3200/ min) vorne liegt. Der BMW beschleunigt trotz des höheren Leergewichts (1570 zu 1488 Kilogramm) flinker als der Audi, sprintet er doch in gerade 7,6 Sekunden (Audi: 8,8 Sekunden) aus dem Stand auf Tempo 100 und ist nach 19,1 Sekunden bereits 160 km/h schnell (Audi: 21,1 Sekunden). Doch bei der Elastizität hat der Audi die Nase vorn: Er ist 82 Kilogramm leichter und bietet mit einer um zehn Prozent kürzeren Endübersetzung noch bessere Voraussetzungen für schaltfaule Beschleunigung aus niedrigem Tempo. Beide bringen durch serienmäßige Traktionskontrolle die Antriebsleistung sicher auf die Straße. Die Differenzen in den Messwerten haben für das Fahren im Alltagsbetrieb keine Bedeutung. Keines der beiden Autos ist motorisch so überlegen, dass es dem anderen davonfahren könnte. Nahezu Gleichstand auch beim Verbrauch, der mit 11,3 zu 11,4 Liter pro 100 Kilometer beiden 193 PS Autos ein gutes Zeugnis ausstellt. Schließlich werden Fahrleistungen geboten, die denen reinrassiger Sportwagen ebenbürtig sind.
Auffällig wird der Unterschied dagegen bei der Geräuschentwicklung: Wer nur einen Hauch von Audi- Sound hören möchte, der muss den Motor in den unteren Gängen ausdrehen, denn schon ab Tempo 80 legt sich der Mantel der Wind- und Fahrgeräusche über den stark gedämpften Motorklang des seidig laufenden V6. Ganz anders der BMW, der in der vollen Weite seines ausgedehnten Drehzahlbandes zwar nicht aufdringlich, doch stets hörbar in den Innenraum tönt. Er wird dabei nie lästig oder dominant, liefert aber viel Rückmeldung über den Anstrengungsgrad, mit dem der gleichfalls mit begeisternder Laufruhe aufwartende Alu-Sechszylinder gerade betrieben wird. Solche Feinheiten gehen beim Audi völlig im Windgeräusch unter, das schon bei Tempo 130 um vier Dezibel lauter tönt als im BMW. Obwohl es meist nicht nötig ist, greift man im BMW mit Begeisterung zum Schalthebel. Denn die Schaltung des BMW.Fünfganggetriebes rastet so fein und leicht, dass man selbst als Automatikfan vom Glauben abfallen könnte. Und obgleich auch die Audi-Schaltung exakt und leichtgängig funktioniert, bleibt hier ein Vorteil für den BMW, weil im A6 ein wenig die zu weiche Lagerung des Schalthebels stört. Der Vorsprung für die Münchener Limousine festigt sich beim Vergleich des Fahrverhaltens. Lob über das Aluminium- Fahrwerk der neuen Fünfer- Baureihe zu äußern hieße derzeit, Bayern-Fans nach München zu tragen. Der BMW federt alle Unebenheiten mit einer Ausgeglichenheit weg, die in dieser Klasse ihresgleichen sucht. Obwohl der A6 kaum erahnen lässt, dass er konstruktiv noch auf dem Audi 100 beruht, werden hier Unterschiede deutlich. Der Audi zeigt kräftigere Karosseriebewegungen und vernehmliche Fahrwerksgeräusche. Das fängt beim Aufbäumen des Vorderwagens unter Last an und lässt sich bei der deutlich höheren Seitenneigung in Kurven ebenso beobachten wie beim Überrollen von kurzen und langen Bodenwellen. Alles miteinander erledigt der Audi keinesfalls unangenehm schaukelnd, aber eben doch mit leichten Komforteinschränkungen für die Insassen.
Der BMW.Lenkung merkt man durch ihre sprichwörtliche Leichtgängigkeit und Exaktheit an, dass die Vorderräder im Vergleich zum Audi keine Antriebskräfte übertragen müssen. Im Fronttriebler werden unter Last deftige Lenkungseinflüsse spürbar, und auf Unebenheiten reagiert die Lenkung bisweilen unangenehm stößig. Die Stunde des Audi schlägt, sobald es darum geht, die fast identischen Abmessungen der beiden Limousinen für Transportaufgaben zu nutzen: Gerade drei Zentimeter mehr Innenbreite vorne fallen zwar kaum ins Auge, doch fast fünf Zentimeter mehr Breite hinten und eine gute Handbreit mehr Knieraum im Fond machen den großen Unterschied: Der Audi wirkt hinten sehr geräumig, der BMW ist dagegen eher knapp geschnitten. Auch das Kofferraumvolumen fällt im BMW viel geringer aus (460 zu 510 Liter). Zudem ist die Zuladekapazität von 405 Kilogramm (Audi 512 Kilogramm) für ein Auto dieses Kalibers zu knapp bemessen. Vorteile für den Audi auch bei der Wirtschaftlichkeit. Er ist fast 4000 Mark billiger als der BMW – ein Preisvorteil, der sich in Anbetracht der besseren BMW.Ausstattung (elektrische Fensterheber hinten und Alufelgen serienmäßig) zwar um knapp 2000 Mark reduziert, der aber rasch wieder wächst, sobald einige Extras bestellt werden, die bei BMW durch die Bank teurer sind. So endet der Vergleich mit einem nur knappen Sieg des BMW. Er ist handlicher, fahraktiver und vor allem komfortabler als der Audi, und er bietet die sprichwörtliche Freude am Fahren, die sich BMW groß auf die eigenen Fahnen geschrieben hat. Der A6 wiederum ist preisgünstiger, geräumiger und hat ein Triebwerk unter der Haube, das dem der Bayerischen Motoren Werke kaum nachsteht.