Fiat Coupé 2.0 16V im Test
Die Entscheidung für einen Coupé ist zumeist reine Formsache. Dass man dabei getrost auf die Spitze der Leistungsfähigkeit verzichten kann, beweist der neue Fiat: Schon in seiner 139 PS starken Basisversion kommt Fahrvergnügen auf.
Bei Annäherungsversuchen zeigt sich der Italiener wählerisch, aber keineswegs abweisend. Nach leichtem Druck auf die Infrarot-Fernbedienung antwortet das neue Fiat Coupé mit freudigem Blinken und Hupen, entriegelt mit einer kurzen Muskelanspannung die beiden Türen und gibt sich alsbald völlig aufgeschlossen. Eine Einladung, der man angesichts der äußeren Reize des neuen 2+2-Sitzers nur schwer widerstehen kann. Die runden, gleichwohl spannungsgeladenen Formen der Karosserie beziehen ihren Reiz aus dem Kontrast von kraftvoll-massivem Körper und grazilem Dachaufbau. Stilelemente aus vergangenen Tagen verbinden sich mit avantgardistischen Linien zu einem provozierenden Design, das man entweder mag oder rundherum ablehnt.
Unter dem extravaganten Blechkleid zeigt sich die „Rückkehr zur Emotion“, von Fiat.Auto-Chef Paolo Cantarella bei der Präsentation Ende 1993 verkündet, hingegen weniger radikal. Zwei in der B-Säule plazierte Griffe öffnen den Zugang zu einem schwarz gefärbten Interieur, das abgeklärte Eleganz ausstrahlt. Vier Personen sollen sich darin wohlfühlen, wobei es den Vornsitzenden naturgemäß deutlich besser ergeht. Das liegt nicht nur an den gut geformten Einzelsitzen und dem für diese Wagenklasse luftigen Raumgefühl, sondern auch an dem appetitlichen Anblick, den das Armaturenbrett mit vier schlichten Rundinstrumenten auf einem in Wagenfarbe lackierten Kunststoffstreifen bietet. Ob im gelochten Gaspedal oder im gekröpften Aluminium- Zündschlüssel – überall ist jene Raffinesse zu spüren, die Käufer erwarten, wenn sie mehr Geld für weniger Platz und Bequemlichkeit als bei einer Limousine ausgeben. An der Technik kann es nicht liegen, denn sie stammt samt und sonders aus dem Konzernbaukasten. Allein die Form ist neu, wobei das firmeneigene Centro Stile für das Exterieur, Pininfarina hingegen für die Innenausstattung und die Produktion verantwortlich zeichnet.
Nach 16jähriger Abstinenz läßt Fiat damit jene Tradition wieder aufleben, die mit dem Ballila Coupé von 1933 begann und mit Autos wie dem 128 Coupé (1971-1979), dem 124 Coupé (1967-1975) oder dem Dino (1967-1973) vorläufig zu Ende ging.
Mehr als 200.000 verkaufte Coupés in Europa allein 1993 haben auch dem Fiat.Management gezeigt, daß sich die in Blech gekleidete Kritik der reinen Vernunft wieder wachsender Beliebtheit erfreut. Dennoch hat das nun lieferbare Fiat Coupé mit Basismotor und Grundausstattung auch in praktischer Hinsicht einiges zu bieten. Gegenüber der 5.200 EUR teureren Topversion Turbo Plus fehlen zwar 51 PS und Goodies wie Klimaanlage, Lederpolster und Leichtmetallfelgen, aber nichts wirklich Wesentliches. Mit seinem Grundpreis von 19.500 EUR steht das Fiat Coupé 16 V deshalb sowohl im Vergleich zu seinen Konkurrenten als auch in Anbetracht der guten Serienausstattung relativ günstig da. Sicherheitsmerkmale wie ABS, Fahrer-Airbag, Gurtstraffer und Seitenaufprallschutz dürften zwar kaum das entscheidende Verkaufsargument liefern, aber Herzklopfen im falschen Augenblick verhindern.
Ein Beifahrer-Airbag kostet jedoch 100 EUR Aufpreis, während die Vierspeichen- Leichtmetallfelgen beim Grundmodell mit 500 EUR extra zu Buche schlagen. Völlig serienmäßig ist dagegen das schlanke Dreispeichen- Lederlenkrad mit geriffelten Griffmulden für die Daumen. Dank dessen axialen und vertikalen Verstellmöglichkeiten findet fast jeder eine tadellose Sitzposition, obwohl das Gestühl keine Höhenjustierung bietet. Dafür ist es sportlich konturiert und ausreichend komfortabel gepolstert, allerdings hätten die Sitzfläche und der Verstellbereich der Kopfstützen etwas großzügiger ausfallen können. Alle wichtigen Bedienungselemente befinden sich in greifbarer Nähe und sind ergonomisch gestaltet. Licht, Blinker und Scheibenwischer werden über die beiden Lenkstockhebel betätigt, während es für die übrigen Funktionen Schalter auf der stilvollen Mittelkonsole gibt.
Heizung und Lüftung arbeiten jedoch unter verschärften Witterungsbedingungen wenig befriedigend, weshalb eine Klimaanlage für 1.200 EUR zu den sinnvollen Extras gehört. Mit 295 Litern erscheint auch der Kofferraum etwas knapp, der zudem unter einem schmalen, von innen zu entriegelnden Deckel ruht. Die Variabilität eines Opel Calibra mit großer Heckklappe und versenkbaren Rücksitzen bietet der Fiat nicht, statt dessen muß eine kleine Durchlade zum Innenraum für größere Gegenstände genügen. Ungewöhnlich solide wirkt hingegen die Karosserieverarbeitung, was auch in einer insgesamt niedrigen Geräuschkulisse zum Ausdruck kommt. Daran hat der Motor nur geringen Anteil. Er klingt kernig, aber wenig sportlich.
Immerhin sorgen zwei gegenläufige Ausgleichswellen für eine akzeptable Laufkultur des Zweiliter-Vierventilers, der auch in anderen Fiat. und Lancia-Modellen Verwendung findet. Die Fahrleistungen des 139 PS starken Coupés bewegen sich mit einer Höchstgeschwindigkeit von 208 km/h und einer Beschleunigung von 9,7 Sekunden von null auf 100 km/h auf klassenüblichem Niveau. Einbußen gegenüber der aufgeladenen Version stehen vornehmlich auf dem Papier, denn in der Praxis kann man auf die stärkere Variante sehr wohl verzichten. Es fehlt zwar der typische Turbo-Punch jenseits von 3000/min, doch die Kraftentfaltung erfolgt beim Sauger insgesamt gleichmäßiger und harmonischer.
80 Prozent des Drehmoments von 180 Nm stehen bereits bei 2000/min zur Verfügung, und ganz nebenbei fällt auch der Verbrauch mit 11,1 Liter Superbenzin pro 100 Kilometer (Turbo: 13,3 Liter/ 100 Kilometer) günstiger aus. Das gut abgestufte und mit kurzen Wegen schaltbare Fünfganggetriebe unterstreicht dabei den Eindruck von Agilität und Handlichkeit, den namentlich die Servolenkung vermittelt. Sie arbeitet präzise und sehr direkt, aber nicht zu leichtgängig. In kritischen Situationen läßt sie den Fahrer nie darüber im Unklaren, welche Kräfte gerade auf die Vorderräder einwirken. Überzeugender noch ist die Art und Weise, wie das Coupé seine Leistung auf die Straße bringt. Selbst bei hohen Kurvengeschwindigkeiten verhält es sich gut beherrschbar und weitgehend neutral, im Extremfall setzt ein leichtes Schieben über die Vorderräder ein. Bei Nässe läßt die Traktion etwas nach, was man von den Bremsen auch unter starker Belastung nicht behaupten kann: Nach zehnmaliger Vollbremsung aus 100 km/h bis zum Stand verringerte sich der Anhalteweg sogar von 39,8 auf 37,8 Meter.
Angesichts der sportlichen Fahrwerksauslegung bleibt für den Komfort nur wenig Raum. Der Fiat federt kurz und trocken, und besonders bei langsamer Fahrt dringen Unebenheiten fast ungemildert zu den Passagieren durch. Schwächen zeigt er auch bei großen Bodenwellen, wo er katapultartige Stöße verteilt. Doch einen Schmusekurs erwartet nach dem markanten Design ohnehin niemand mehr. Auch mit Saugmotor ist das Coupé ein echter Macho geblieben, der Emotionen weckt, wo andere nur mit Perfektion glänzen. Es setzt zwar keine neuen Standards, aber zweifellos ist es das derzeit qualitativ beste Auto von Fiat. Vier Sterne also für den Neuling, weil er nur ein kleiner Fortschritt für die Menschheit, aber ein großer Schritt für Fiat ist.