Lexus LS 400 im Test
Nach sechs Jahren und weltweit 300.000 verkauften Exemplaren bringt Toyota einen völlig neuen Lexus. Der leise und komfortable Japaner soll den in Europa unbefriedigenden Verkauf ankurbeln. Ein Test klärt, ob die komplett ausgestattete Luxuslimousine das Zeug dazu hat.
Ganz der Alte„ würde man bei gar nicht so flüchtiger Betrachtung des neuen Lexus spontan urteilen. Denn der äußere Auftritt der japanischen Nobellimousine aus dem Hause Toyota lässt ohne direkten Vergleich keine nennenswerten Unterschiede zum Vorgänger erkennen. Und diese Gegenüberstellung fällt schwer: Mit rund 400 Verkäufen im letzten Jahr zählt der große Japaner zu den Exoten im deutschen Straßenbild. Und wenn er tatsächlich mal auftaucht, wird er wegen seiner Unauffälligkeit leicht übersehen. Das wird sich mit dem jetzt in Europa eingeführten Nachfolgemodell kaum ändern, denn trotz neuer Blechteile für die Karosserie muten die formalen Änderungen höchstens wie ein mildes Facelift an. Gleichwohl spricht Toyota von einem völlig neu entwickelten Auto. Mit Recht, denn auch unter dem Blech ging es heftig zur Sache. So sorgt mehr Radstand für eine größere Innenraumlänge, die im Wesentlichen den Rücksitzpassagieren zugutekommt. Doch obgleich die Innenbreite ebenfalls um ein paar Zentimeter zugenommen hat, wirkt auch der neue Lexus im Raumangebot eher wie eine großzügig geschnittene Mittelklasse- Limousine. Vor allem die Kopffreiheit auf der Rücksitzbank lässt stark zu wünschen übrig – ein schwerer Lapsus, wenn man an die Nutzung des Lexus als Geschäftswagen mit Chauffeur denkt. Aber auch der Kofferraum bleibt mit 463 Litern weit unter dem klassenüblichen Volumen und deutet auf eine nicht allzu gelungene Raumökonomie des ausgewachsenen Fünf-Meter-Autos hin. Echte Fortschritte, und das lässt wirklich gründliche Entwicklungsarbeit vermuten, zeigen zwei andere Eckwerte des neuen Lexus. Sein Gewicht wurde um 90 Kilogramm auf 1.680 Kilogramm (Werksangabe) reduziert und der Luftwiderstandsbeiwert auf rekordverdächtige 0,27 gedrückt.
Dass zwischen den Werksangaben und der Wirklichkeit keine allzu großen Differenzen klaffen, hat auto motor und sport überprüft. Im Windkanal von Mercedes- Benz jedenfalls kam der neue Lexus seinem Sollwert sehr nahe. Und mit einem Effektivgewicht von 1.733 Kilogramm (Testwagen) ist der Lexus die bisher leichteste Oberklasselimousine mit Achtzylindermotor und Hinterradantrieb. Die Verschlankung des Lexus war harte Arbeit und setzt sich aus einem Puzzle verschiedenster Komponenten zusammen. Den größten Posten (30 Kilogramm) steuern leichtere Sitze und eine vereinfachte Verkabelung bei, der Motor und diverse Karosserie-Anbauteile schlagen mit je 13 Kilogramm zu Buche, an der Rohkarosse ließen sich nur acht einsparen. Der Rest verteilt sich aufs Fahrwerk und kleinere Bauteile. Ziel der Erleichterungen und des geringeren Luftwiderstandes ist natürlich ein geringerer Kraftstoffverbrauch, vor allem unter dem Gesichtspunkt niedrigerer Abgas-Emissionen.
Denn die Akzeptanz und Daseinsberechtigung großer Limousinen steht und fällt nun einmal mit ihrer Umweltverträglichkeit, und da spielt der Verbrauch eine entscheidende Rolle. Der Lexus muss sich hier nichts vorwerfen lassen: Mit einem Drittelmix von 10,3 Litern/ 100 km ist er im Normverbrauch der Günstigste seiner Klasse. Der Fahrbetrieb bestätigt, was die Normwerte versprechen. Bei zügiger, aber nicht forcierter Fortbewegung kommt der Lexus mit zwölf Litern aus. Das ist in seinem Umfeld konkurrenzlos und auch weniger, als manch durstiger Mittelklassewagen konsumiert. Der relativ günstige Verbrauch ist freilich nur eine von vielen angenehmen Seiten des neuen Lexus. Denn dieses Auto überzeugt nicht durch äußere Qualitäten, man muss es erfahren. Der Lexus macht das seinem Benutzer in nahezu unnachahmlicher Weise leicht. So beispielsweise mit einer vorbildlich zuverlässig funktionierenden Funk-Fernbedienung für die Türschlösser. Beim Einstieg klappt dann automatisch das lederbezogene Lenkrad nach oben, um sich nach dem Startvorgang wieder in die vorgewählte Fahrposition zu begeben. Ebenfalls (in zwei Memory-Stufen) programmierbar ist der Fahrersitz, das Einstellen der richtigen Sitzposition mit der elektrischen Verstellung ein Kinderspiel. Die serienmäßig mit Leder bezogenen Sitze sind komfortabel gepolstert, aber nicht gut genug konturiert, so dass bei Kurvenfahrt der Seitenhalt fehlt. Sitzheizung auf allen Plätzen und Mittelarmlehnen vorne wie hinten erhöhen den Sitzkomfort.
Dass man sich trotz bester Materialauswahl und sauberer Verarbeitung nicht übermäßig luxuriös untergebracht fühlt, hängt an dem betont nüchternen Ambiente, das die Innenausstattung des Lexus ausstrahlt. Dafür gibt die Bedienung keine Rätsel auf. Eine Vielzahl von Schaltern, Tasten und Hebeln ist funktionell und logisch platziert. Das nun aufgeräumt wirkende Armaturenbrett ist übersichtlich, die Instrumente und Displays sind mühelos ablesbar. Und das neue Schaltschema der Viergangautomatik lässt den Wechsel zwischen Stufe vier und drei ohne Hinschauen zu. Ein solcher manueller Eingriff ist freilich kaum nötig. Denn die Automatik des Lexus schaltet fast immer zur rechten Zeit, nervt nie und lässt sich gut mit dem Gaspedal beeinflussen.
Dem Wunsch nach betont sportiver Fortbewegung, die dem Lexus eigentlich nicht auf den Leib geschneidert ist, trägt ein Sportprogramm Rechnung. Doch selbst dynamische Fahrweise meistert der neue Lexus gut. Aufbaubewegungen halten sich in Grenzen, die Bremsen sind jetzt standfest, und das Fahrwerk ist dank gründlicher Überarbeitung kaum aus der Fassung zu bringen. Lediglich waschbrettartige Bodenwellen lassen die Vorderachse bei rascher Kurvenfahrt hin und wieder versetzen. Stoischer Geradeauslauf und neutrales Kurvenverhalten machen den Lexus weitgehend narrensicher.
Selbst Leistungsüberschuss an den Antriebsrädern bringt ihn nicht aus der Ruhe: Die serienmäßige Trac Control erstickt destabilisierenden Schlupf bereits im Keime. Bei all dem ist die Handlichkeit dank einer leichtgängigen, mit der Geschwindigkeit progressiv arbeitenden Servolenkung vorbildlich. Sogar eine gewisse Übersichtlichkeit der üppig ausladenden Karosserie ist lobend zu erwähnen, als Nebeneffekt des konservativen Stylings sozusagen. Die größte Stärke des Lexus ist sein Komfort. Die Federung bügelt fast alle Unebenheiten nieder, lässt allerdings auf Querfugen und bei Kanaldeckeln eine spürbare Stuckerneigung erkennen. Zum überragenden Komfortbild trägt freilich in erster Linie die nahezu lautlos, aber kraftvoll agierende Antriebseinheit bei. Nie wirkt der jetzt auf 264 PS erstarkte Aluminium- V8 angestrengt, nie lässt er mehr als ein unaufdringliches Säuseln hören. Im Antriebskomfort markiert der Lexus zweifellos die Spitze in der Oberklasse, Zwölfzylinder eingeschlossen. Solche Qualitäten werfen zwei Fragen auf, die sich vor allem die deutschen Nobelauto-Hersteller gefallen lassen müssen.
Erstens: Ist es wirklich nötig, Motoren stets bis an ihre spezifischen Grenzen auszuquetschen, um sie dann im Bedarfsfall abzuregeln? Und zweitens: Reichen bei genügend Hubvolumen nicht vier Gänge aus? Der Lexus gibt die Antwort. Wenn ein Auto so viele Qualitäten hat, dazu noch einen konkurrenzfähigen Preis, warum verkauft es sich dann in Europa nicht besser? Die Antwort liegt im Image. Zwar bietet der Lexus vom serienmäßigen CD-Player bis zum D-Netz-Telefon fast alles, was der im oberen Drittel der Karriereleiter tätige Businessman für seinen Status unbedingt braucht. Was er aber nicht unbedingt braucht, ist ein Lexus.