Der Defender Octa auf Südafrikas Straßen
Im Test auf den herausfordernden Schotter- und Felsstrecken Südafrikas beweist der ultimative Defender, wie sich technische Präzision und Abenteuerlust perfekt ergänzen. Doch kann der Octa mehr, als nur beeindrucken? Unser Fahrbericht zeigt, wo die Grenzen dieses Offroad-Boliden liegen – und warum er in Europa wohl kaum sein Potenzial ausschöpfen wird.
Die Akustik jener Schläge, die das Fahrwerk einsteckt, tobt durch deinen Gehörgang, diffundiert durchs Trommelfell und hechtet dann nach einigen Schleifen durch den Zentralrechner das Rückenmark hinunter. Es schmerzt. Also nicht körperlich, sondern wirklich nur rein akustisch. Und Südafrika prügelt wirklich hart auf den Land Rover Defender Octa ein. Die Straßen, oder besser gesagt das, was hier so als Straße ausgewiesen wird. Nun, und es liegt eben auch daran, dass diese Defender-Variante über jene Pisten braten kann wie keine Zweite. Weil die Briten ihn auf Offroad-Krawall gebürstet haben, mit einem darauf basierenden Wettbewerbsmodell zudem bei der nächsten Rallye Dakar antreten wollen.
Über die Wupper
Doch zunächst führt der Weg über den Eselbank-Pass nach Wupperthal, ja, mit "th", von dort aus weiter ins Nichts, das meist ein sehr naturgewaltiges, außergewöhnlich schönes ist. Nun, die Straßen sehen dagegen herausfordernd aus, wirken gern mal so, als habe jemand ein paar Ladungen Felsen abgeschmissen, danach nur zart mit feinkörnigem Schleifpapier behandelt, um sie auf ihre künftige Aufgabe als Straße vorzubereiten. Dagegen wirken die Wellblechpisten zu Beginn der Tour wie eine frisch asphaltierte Autobahn. Einfach rauf aufs rechte Pedal, passt schon. Auf den Felgen steckt die Offroad-tauglichste von drei lieferbaren 22-Zoll-Reifentypen, Format 265/70. Sie erlaubt zwar nur 160 statt 250 km/h Höchstgeschwindigkeit, doch hier fühlst du dich schon mit 90 km/h oft wie auf dem Dragstrip. Zumal der 4,4-Liter-V8-Motor aus dem BMW-Regal mit dem 2,6 Tonnen Defender nicht allzu viel Mühe hat, den Brocken in glatt vier Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h beschleunigen soll. Das Mild-Hybrid-Aggregat entwickelt dabei selbst im sogenannten Octa-Fahrmodus nur ein sacht stahlhämmernden Klang, tief, voll, meist jedoch überwiegen das Rauschen der Klimaanlage sowie die Schläge, die das Fahrwerk abbekommt. Das wiederum drehte die Ingenieurs-Truppe um ihren Chef Matt Becker (Ex-Lotus, Ex-Aston Martin) ziemlich auf links, bedient sich der mit dem Range Rover Sport SV eingeführten 6D-Technik.
Tiefe Verbundenheit
Die wesentlichen Bestandteile: Luftfederung, adaptive Dämpfer mit Drei-Ventil-Technik (Druck- und Zugstufe getrennt ansteuerbar), die wiederum hydraulisch miteinander verbunden sind. Dazu die entsprechende Software, um die Hardware mit den unterschiedlichen Fahrmodi in Einklang zu bringen. Dazu bekommt der auf dem 110er-Defender basierende Octa 28 mm mehr Bodenfreiheit, die Spurweite legt um 68 mm zu, was unter anderem längere Querlenker bedingt. Der vordere Böschungswinkel wächst von 37,5 auf 40,2 Grad, der hintere von 40 auf 42,8 Grad – zu beidem tragen die neugestalteten Stoßfänger bei. Und Wattiefe? Legt um 10 cm auf einen Meter zu. Zum Waten allerdings fehlt heute das passende Gewässer, stattdessen bolzt der Octa mal wieder über eine längere Schotterpassage. Der mittels anderer Ölwanne sowie stärkerer Kühlung modifizierte Achtzylinder-Brocken schubst bereits ab rund 1.800/min ein maximales Drehmoment von 750 Nm von seiner Kurbelwelle, bei aktivierter Launch Control packt er noch einmal 50 Nm drauf. Die Regelelektronik darf sich etwas zurücklehnen, arbeitet im Track Modus, was der Defender dankbar annimmt, in schnellen Kurven gerne den Swing durchs Heck schickt, sanft, aber deutlich spürbar. Die Goodyear-Offroad-Reifen erlauben sogar durch ihren dreilagigen Mantel hindurch Rückmeldung in die direkter ausgelegte Lenkung (13,7:1 statt 17,5:1). Okay, das Lenkrad bleibt unverändert groß, weshalb du dir manchmal vorkommst, wie in einem alten Hollywood-Schinken, in dem der Star permanent am Lenkrad kurbelt, obwohl der Schlitten stumpf geradeaus fährt. Ist eben die Kombination aus allem, losem Untergrund, speziellen Reifen, großem Lenkrad. Passt aber, der Octa gibt dir bald das Gefühl, dass eh alles gut ist.
Wo ist der Aufschrieb?
Die speziellen Sitze mit einstellbaren Seitenwangen und Dekor-Einlagen aus Carbon-Verschnitt sowieso, sie positionieren dich und deinen Co optimal im Cockpit, fehlt nur noch das Roadbook. Eine lange Gerade. Na, mal kurz das Potenzial des Triebwerks ausloten? Okay, kurz. Das Fahrwerk stemmt sich bei mehr als 75 Prozent Lastabfrage der dynamischen Lastverschiebung entgegen, reduziert in Kurven bei einem g Querbeschleunigung die Rollneigung von 6,5 auf vier Grad. Eine Kuppe naht, der Octa hebt für eine Sekunde ab. Große Sprünge im öffentlichen Straßenverkehr? Natürlich nicht. Obwohl Verkehr hier ein großes Wort ist, denn es kommt keiner. Wäre der Octa auf größere Sprünge aus, würde das die Sensorik erkennen und dem Stoßdämpfer kurzzeitig mehr Dämpfkraft befehlen. Als sich die Welt verengt, die breite Schotterpiste Kilometer für Kilometer in eine Felsplatten-durchzogenen Gebirgspiste morpht, reduziert sich damit zwar das Tempo, nicht aber die Herausforderungen für Fahrwerk und Reifen. Das Hydrauliksystem arbeitet mit Drücken zwischen 13 und 50 bar, kann auf mechanische Stabilisatoren verzichten. Als Fahrmodus empfiehlt sich immer noch Schotter/Schnee/Eis, wenngleich die letzten beiden Beläge bei Temperatur jenseits von 30 Grad unwahrscheinlich sind.
Kamera läuft!
Zudem bietet es sich nun an, das Kamera-System des Defenders zu nutzen. Es ergänzt die Übersichtlichkeit durch die typische, weit außen in Richtung Tür angeordnete Sitzposition, um Ansichten der Vorderreifen und allem, was direkt vor dem Stoßfänger passiert. Doch der knapp über fünf Meter lange Koloss lässt sich leicht manövrieren. Es geht hier nicht um die Frage, ob der Octa das alles meistert. Das bekommen im Zweifelsfall auch mutig bewegte Toyota-Pickups mit Hinterradantrieb hin. Es geht im Defender schlicht erheblich schneller. Und am nächsten Linksabzweig sind alle anderen raus, dann zählt Bodenfreiheit, Böschungs- und Rampenwinkel. Offroad, aber sowas von. Schritttempo. Gas und Bremse lassen sich millimeterweise dosieren, natürlich gäbe es auch eine Bergabfahrhilfe, doch das Gefälle an sich ist weniger das Problem. Vielmehr die Kombination uns rahmenden, scharfkantigen Feldbrocken, mächtigen Stufen, rechtwinkligen Abzweigen. Am Ende allerdings wartet ein kleiner Rallye-Raid-Rundkurs, über den der Octa pflügen darf. Im, nun, Octa-Modus. Dann schickt der Antrieb reichlich Kraft an die Hinterräder, die Bremsanlage (Sechs-Kolben-Sättel mit 400 mm-Scheiben vorn) nutzt eine spezielle ABS-Kennlinie für losen Untergrund. Das Fahrwerk erlaubt dem Defender sich bereits beim Anbremsen ein bisschen locker um die Hüften zu machen, dass du ihn lässig selbst durch sandige Furchen um die nächste Biegung wirfst. Doch auch hier: Immer wieder diese Schläge, die dich fürchten lassen, dass mindestens schwarze Gummi-Fetzen fliegen, danach die Stoßdämpfer vorn durch die Haube schießen. Passiert nicht. Es bleibt bei der Akustik. Sollte auch so sein, nach rund einer Million Kilometern Erprobungsfahrten, die Land Rover allein mit dieser Variante abgerissen hat. Und sich am Ende mit mindestens 185.000 Euro bezahlen lässt.