Nissan Almera 1.6 SLX im Test
Auf Anhieb gleich drei Karosserieversionen, dazu zwei Motoren und knallige Farben zur Wahl: Der Sunny-Nachfolger Nissan Almera fährt in breiter Front Attacke auf eine möglichst junge Kundschaft.
Jamaika-Gelb, Brazil-Grün und Chianti-Rot: Die Farben des neuen Nissan Almera tragen Namen von Sonne, Urlaub und Vergnügen. Vielleicht ist dies mit ein Grund, weshalb sich der Sunny-Nachfolger in Japan, wo er unter dem alten Label Pulsar läuft, so glänzend verkauft wie frisches Walfleisch auf dem Tokioter Fischmarkt. Dies verwundert um so mehr, als der Nissan Almera eher wie einer der Vorgänger des Sunny ausschaut und nicht wie dessen progressiver Nachfolger bis ins Jahr 2000. Irgendwie ist der Almera auch ein Spiegelbild der finanziellen Situation von Nissan, wo seit 1993 dunkelrote Zahlen geschrieben werden. Besonders das Interieur des Nippon- Kompakten dokumentiert, daß ein rigoroses Sparprogramm den Almera-Entwicklern außer der japantypischen Funktionalität keine weiteren Extravaganzen zugestanden hat. Nicht ein Hauch von Innovation oder gar pfiffigen Details – auf die von Neuerscheinungen wie Renault Mégane oder Fiat Bravo verwöhnten Europäer wirkt der Almera-Innenraum so trostlos wie ein Tatami-Zimmer.
Wenigstens in Fragen der passiven Sicherheit zeigt sich der kompakte Nissan up to date. Fahrer- und Beifahrer- Airbag gehören zur Serienausrüstung, ebenso Gurtstraffer und Seitenaufprallschutz. Ein Antiblockiersystem kostet hingegen bei allen Almera- Varianten mit Ausnahme der Ausstattungsversion SR Aufpreis. Der Almera bietet ein gutes Raumgefühl, zumindest bei der in diesem Test eingesetzten Karosserievariante mit vier Türen und Heckklappe. Der Verzicht auf die in dieser Klasse mittlerweile üblichen starken Kabineneinzüge und die geringe Frontscheibenneigung schaffen eine angenehme Distanz zur Seite und ergeben ausreichend Kopffreiheit. Das gilt auch für die Passagiere im Fond, denen aber die stark abgerundete C-Säule beim Betreten des Viertürers etwas im Weg steht. Gut gepolsterte, ausreichend profilierte Sitze besitzt der Almera vorn wie hinten. Die Beinfreiheit im Fond wird noch durch die Möglichkeit erhöht, die Füße unter den Vordersitzen zu plazieren. Keine Klagen auch beim Kofferraum. Mit einem Fassungsvermögen von 340 Litern entspricht der Almera hier dem Klassendurchschnitt.
Zudem ist die Ladekante niedrig, der Transportraum per umlegbare Rücksitzlehnen variabel. Das Kriterium Fahrkomfort beherrscht der Almera um so besser, je glatter der Fahrbahnbelag ausfällt. Auch über langgezogene Bodenwellen federt und dämpft das mit einer neuen Kompaktlenker-Hinterachse versehene Fahrwerk ausgezeichnet. Doch je rauher der Asphalt und je kürzer die Querfuge, desto geringer der Federungskomfort. Hier ist das Schluckvermögen der Radaufhängungen überfordert, zudem erzeugt das Überfahren von Schlaglöchern Poltergeräusche in den Radhäusern. Abstriche müssen auch beim Abrollkomfort der Reifen hingenommen werden.
Kein Wunder, denn die beim Testwagen aufgezogenen Pneus des Typs Continental CH 51 basieren auf einer zehn Jahre alten Konstruktion und werden im Reifenfachhandel inzwischen zu Tiefstpreisen verramscht. Beim Fahren erweist sich der Almera als gutmütiger Fronttriebler mit in Kurven geringer Tendenz zum Schieben über die Vorderräder. Der Geradeauslauf ist ebenso tadellos wie das Handling des Wagens, unterstützt von der leichtgängigen und ausreichend exakten Servolenkung.
Vor allem in beladenem Zustand ist das Verhalten des Almera bei Lastwechseln in Kurven etwas heikel – abruptes Gaswegnehmen wird mit einem nach außen wandernden Heck quittiert. Ein Fall zum Nachbessern sind die Bremsen. Schon mit kalter Anlage werden ungewöhnlich lange Bremswege gemessen, in heißem Zustand entsteht überdies Fading mit noch geringeren Verzögerungswerten. Zwei Benzinmotoren mit 1,4 und 1,6 Liter Hubraum stehen für den Almera fürs erste zur Wahl, ein Diesel und ein Zweiliter werden im nächsten Jahr nachgereicht.
Der 90 PS- 1600er des Testmodells kann auf Anhieb gefallen, weil er sehr gut am Gas hängt und viel Durchzugsvermögen besitzt. Die Drehfreude währt aber nur bis etwa 4000/min, darüber wirkt der Motor lustlos und rauh und entwickelt Vibrationen, die bis zum Schalthebel durchkommen. Für einen Motor mit 1,6 Liter Hubraum konsumiert der Vierventiler überdies zu viel Benzin: 9,7 Liter Testverbrauch auf 100 Kilometer nehmen gemeinhin wesentlich hubraumund leistungsstärkere Motoren zu sich.