Ferrari hat einen neuen Sportler gebaut! Der neue Frontmotor-Sportwagen hört auf den Namen 812 Superfast. Die wichtigsten Eckdaten lassen aufhorchen: V12, 800 PS, 0 auf 100 in 2,9 Sekunden und 340 km/h spitze.
Bei solchen Performance-Werten wird es einem schon vor der Fahrt warm ums Herz. Heinrich Lingner durfte die italienische Schönheit für auto motor und sport fahren. Und zwar auf der Rennstrecke und auch auf der Landstraße.
Und einen Ferrari bewegt man natürlich am besten direkt in Italien. Bei bestem Wetter steht er für uns in der Boxengasse von Fiorano zur Probefahrt bereit. Und sofort merken wir, dass der 812 mehr als nur eine Weiterentwicklung des F12 ist.
Der V12-Motor basiert zwar auf dem 6,2-Liter Vorgänger des F12, wurde aber auf 6,5-Liter erweitert und leistet immense 800 PS. Unverändert blieb der ungewöhnliche Bankwinkel von 65 Grad, ein Erbe der Formel 1-Motoren aus den 90ern und seit dem Ferrari 456 ein Kennzeichen der Frontmotor-V12 aus Maranello.
Ebenfalls neu ist die Farbe des 812 Superfast. Sie nennt sich Rosso Settanta Anni und wurde zum 70. Ferrari-Geburtstag erfunden. Interessant: Sie ist metallicfrei.
Sorgen um den Sound sind unbegründet, der neue V12 hämmert genau so metallisch und lustvoll wie man sich das vorstellt. Irre! Im Innenraum auf einer gemütlichen Landstraßenrunde noch zurückhaltend, aber bei Volllast ein wahres Konzert in maximaler Lautstärke.
Von Adagio über Piano und Fortissimo bis Frenetico beherrscht der V12-Saugmotor alle musikalischen Akzente, die ein italienischer Zwölfzylinder zum besten geben kann. Sound und Charakter des V12-Saugmotors sind den Kunden so wichtig wie die Performance. Und auch die ist exzellent, denn das Aggregat schleudert den 1.600 kg schweren Sportler unglaublich schnell voran, schon nach 7,9 Sekunden sind die 200 erreicht.
Sorgen machten sich einige, als Ferrari ankündigte, der 812 solle eine elektromechanische Servolenkung erhalten. Die hat er zwar, doch die ist so rückmeldungsfreudig und gefühlsintensiv, dass vermutlich kaum jemand die hydraulische Lenkeinrichtung vermissen wird.
Beeindruckend sind auch die Aero-Details wie die Luftauslässe über den Rückleuchten. Sie sorgen für maximalen Anpressdruck in jeder Lebenslage. Deshalb kommt der 812 Superfast wie schon der F12 ohne Flügel aus.
Und auch von vorne sieht man einige für die Aerodynamik förderliche Teile, wenn man genau hinschaut. Neben den Scheinwerfern wird ebenfalls Luft eingesammt, beruhigt und über die Karosserie verteilt. Da merkt man Ferrari die Motorsporterfahrung in der Formel 1 ganz klar an.
Gebremst wird serienmäßig mit einer Carbon-Keramik-Bremsanlage und gigantischen Bremsscheiben. Die passen gerade so unter die großen 20-Zoll Felgen. Und mit den 245er-Reifen vorn beißt sich der 812 derart in den Asphalt, dass Untersteuern nie ein Thema ist.
Die Scheinwerfer leuchten jetzt mit Full-LED-Technik. Für einen Sportwagen unwichtig? Von wegen, denn damit ist auf der Rennstrecke auch bei Nacht beste Sicht gegeben.
Vor den vorderen Radhäusern wird die Luft beruhigt und daran vorbeigeführt. Die kleinen Splitter unterhalb des Lufteinlasses dienen ebenfalls zum Generieren von Abtrieb, bzw. sollen Untersteuern minimieren. Was auch gelungen ist, denn Untersteuern tritt praktisch nie auf.
Die vier runden Leuchten sind neu am Ferrari-Heck und passen hervorragend zu den vier runden Endrohren. Der Heckdiffusor generiert den Abtrieb, den der Heckflügel nicht spenden kann - weil es ihn nicht gibt.
Im Innenraum überzeugt der Ferrari 812 Superfast mit seiner Unverwechselbarkeit - und: seinem Minimalismus. Alles ist aufgeräumt und auf das Wesentliche reduziert, wie man es von einem echten Sportwagen eben erwartet. In solch einem Ambiente nimmt man gerne Platz.
Sportsitze mit breiten Seitenwangen für festen Halt. Sie sind elektrisch verstellbar. Wunderschönes Leder und wunderbar gearbeitete Ledernähte verzieren den Innenraum des 812 Superfast.
Ein Blick in die Kanzel des Sportlers. Abgefahren ist das Lenkrad mit seinen unzähligen Bedienelementen. Darunter auch die Funktion für die Freisprechanlage.
Wahnsinn: Der V12-Motor dreht bis 9.000 Touren und schreit sich die Seele aus dem Leib. Der große Drehzahlmesser sticht sofort ins Auge. Die 5-Zoll TFT-Bildschirme sind frei konfigurierbar und bieten reichlich Infos, etwa Bordcomputer links und Tacho oder Navi rechts.
Das Manettino steuert die Fahrmodi: CT schaltet die Traktionskontrolle aus, ESC off deaktiviert die Stabilitätskontrolle. Die Race-Stellung passt auch auf der Landstraße überraschend gut. Und auch speziell für nasse Strecken gibt es einen eigenen Modus.
Auf eine echte Mittelkonsole verzichtet man bewusst. Getriebewählhebel? Nicht bei Ferrari: Hier schaltet man am Lenkrad und wählt über die drei Knöpfe lediglich die Richtung der Bewegung aus: vorwärts, rückwärts oder extrem schnell vorwärts.
Eine Kunst für sich sind die Luftdüsen. Winzig: der Schalter für's Licht. Alles, was nicht relevant für die Performance ist, wird eher unauffällig gestaltet.
Platz für Gepäck bietet er auch - und das mehr als man vermutet. Bemerkenswert groß ist der Kofferraum für einen Sportwagen. 500 Liter passen rein, das ist sogar reisetauglich.
Ferrari hat sich was einfallen lassen, damit der Beifahrer die Performance nicht nur fühlt, sondern auch sieht. Während der Fahrt kann er auf dieses Digitalinstrument starren - vorausgesetzt ihm wird dabei nicht übel. Neben Geschwindigkeit, Gang und Drehzahl können hier auch die G-Kräfte abgelesen werden.
284.000 Euro kostet der Ferrari 812 Superfast mindestens. Extrem viel Geld, dafür erhält der Ferrari-Enthusiast einen wunderschönen, erstaunlich zivil fahrbaren und sogar recht reisetauglichen Sportwagen. Mit dem man aber auch auf der Rennstrecke richtig ernst machen kann, wenn man das will.
Und da wir gerade von Geld reden: Einer der 36 Ferrari 500 Superfast aus den 60er Jahren, der den Besitzer wechselte, wurde für rund drei Millionen Euro versteigert. Da ist der 812 ja glatt ein echtes Schnäppchen. Aber das sind nicht die einzigen Kosten, die auf einen zukommen.