Rover Tourer 2.0 GSI im Test
Rover steht drauf, doch Honda steckt drin: Der neue Tourer ist die jüngste Version des britisch-japanischen Mittelklassemodells. Mit eigenständiger Front und elegant gestyltem Kombiheck macht er vor allem einem bayrischen Schwestermodell Konkurrenz: dem BMW 3er Touring.
Das Rezept klingt einfach und erfolgversprechend: Man nehme ein hunderttausendfach erprobtes Fertiggericht, würze es mit landestypischen Zutaten, präsentiere es in appetitlicher Form und garniere das Ganze mit einer Prise Tradition und Lebensart. Fertig ist das Schlemmermenü à l’anglaise, nach dem sich in Zukunft auch kontinentaleuropäische Feinschmecker die Finger lecken sollen. Verbleibende Zweifel an englischer Kochkunst sind spätestens dann zu revidieren, wenn es sich nicht um streng kulinarische Genüsse handelt. Die Autobauer von Rover jedenfalls, die seit einigen Jahren ihre Personenwagen nach dieser Mixtur anrichten, registrieren seither wieder wachsenden Zuspruch.
Für den soliden Nährwert sorgt jeweils ein Modell des Ex-Partners Honda, zu dem Rover das typisch britische Flair beisteuert. Beim jüngsten Produkt namens Tourer begnügten sich die Engländer jedoch nicht mit kosmetischen Retuschen. Eine höherwertige Innenausstattung, der markentypische Grill und das völlig neu gestaltete Kombiheck lassen kaum noch Ähnlichkeiten mit dem weitgehend baugleichen, aber nicht mehr produzierten Honda Concerto erkennen. An ihn erinnern vor allem die tief nach unten gezogene Frontscheibe und die zierlichen Dachstreben, die mit dem nachträglich angefügten Ladeabteil eine optisch gelungene Synthese eingehen. Schon das schräggestellte Heckfenster deutet an, daß maximale Transportkapazität nicht im Vordergrund der Entwicklung stand. Mit 430 Liter Volumen bei aufrechter Rücksitzlehne und 1.410 Liter bei voller Ausnutzung des Gepäckraums liegt der Tourer klar unter den Werten von Citroën ZX Break (488/1.580) oder Opel Astra Caravan (500/1.630). Rover versteht ihn denn auch als sportlich-eleganten Freizeitbegleiter, der eher an Audi 80 Avant (370/1200) oder BMW 3er Touring (370/1.320) zu messen sei. Tatsächlich erinnert nicht nur die Modellbezeichnung an den knapp geschnittenen Edelkombi aus dem bayerischen Mutterhaus.
Die lichte Weite zwischen den Radhäusern beträgt gerade 87 cm, und die feststehenden Rückleuchten gewähren maximal 90 cm breiten Gegenständen (BMW: 89 cm) Zugang zum Gepäckraum. Wenig ladefreundlich wirkt darüber hinaus die mit 66 cm über dem Boden relativ hohe Ladekante sowie die geringe Stehhöhe von 1,75 Meter unter der geöffneten Heckklappe. Wenn es aber nicht um schieres Volumen geht, hat der Rover durchaus einiges zu bieten. Der Gepäckraum ist vollständig mit wohnlichen Textilien ausgekleidet und durch eine stabile Abdeckung vor neugierigen Blicken geschützt. Bei Bedarf vergrößern die spielend einfach im Verhältnis 60:40 umklappbaren Rücksitzlehnen das Heckabteil zu einer völlig ebenen Ladefläche, wobei die nur komplett hochstellbare Sitzbank die Variabilität etwas einschränkt. Wird der zusätzliche Raum nicht gebraucht, finden zwei Erwachsene im Fond angemessen Platz.
Erst ab 1,80 Meter Körpergröße drohen Knie- und Dachkontakt, doch die hinteren Kopfstützen reichen auch kleineren Passagieren nicht. Richtig gut fühlt man sich hingegen auf den vorderen Sportsitzen untergebracht, die ebenso wie der Teillederumfang zur Serienausstattung des Zweiliter-Modells gehören. Sie sind bequem und vermitteln guten Seitenhalt, allein die Sitzfläche könnte etwas länger sein. Überhaupt werden vorzugsweise die Frontpassagiere umschmeichelt. Sie betreten den Innenraum über silberglänzende Schwellerverkleidungen und erfreuen sich an schmalen Holzleisten, die für den gewünschten englischen Touch sorgen. Anordnung und Funktion der Bedienungselemente entsprechen dem routinierten Honda-Standard, was prinzipiell auch für die Verarbeitung gilt.
Der wackelnde Fahrersitz, gelegentliche Knistergeräusche und spürbare Verwindungserscheinungen der Karosserie lassen jedoch Spielraum für Verbesserungen erkennen. Das trifft sogar auf die insgesamt reichhaltige Ausstattung zu. Ein Beifahrer-Airbag ist ebensowenig lieferbar wie Verzurr-Ösen im Laderaum oder eine Dachreling. Immerhin rüstet Rover aber schon das Grundmodell 1.6 SLi für 19.100 Euro frei Haus mit elektrischem Glasschiebedach und Fensterhebern vorn, Zentralverriegelung sowie ABS aus, der 2.0 GSi hat zusätzlich noch Aluminiumfelgen. Nachhaltiger setzt sich das Topmodell jedoch auf der Antriebsseite von seinem schwächeren Bruder ab. Wirkt der von Honda übernommene 1,6 Liter-Motor trotz seiner 112 PS unten herum schlapp und oben herum laut, so gefällt der Rover-eigene Zweiliter bereits knapp über der Leerlaufdrehzahl mit spontaner und gleichmäßiger Leistungsabgabe.
Er liefert sein maximales Drehmoment von 185 Newtonmeter schon bei 2500/min an die Kurbelwelle und verschont selbst bei hohen Drehzahlen die Insassen vor Dröhngeräuschen. Mit seinen 136 PS kann der Vierventiler auch stärkeren Konkurrenten Paroli bieten. In der Beschleunigung von null auf 100 km/h (9,4 Sekunden) liegt er gleichauf mit dem 150 PS starken BMW 320i Touring, in der Elastizitätswertung sogar vorn. Erst bei der Höchstgeschwindigkeit (200 statt 212 km/h) machen sich die geringere Leistung und die schlechtere Aerodynamik (cW 0,36 statt 0,32) bemerkbar.
Zu den weniger positiven Eigenschaften des Fronttrieblers zählen der erhöhte Verbrauch (10,7 Liter Super/100 km), das Spiel im Antriebsstrang und die schwache Traktion bei Nässe. Wegen seines geringen Leergewichts (1.221 kg) in Verbindung mit der giftig zupackenden Kupplung kommt die Kraft dann nur mit Schlupf und heulenden Reifen auf die Straße. Bei voller Belastung läßt zudem der Geradeauslauf nach, was ständig kleine Lenkkorrekturen erfordert. Dennoch überwiegt unter normalen Umständen die Freude am Fahren. Die präzise und direkte Servolenkung vermittelt hervorragenden Fahrbahnkontakt, und dank guter Übersichtlichkeit und gelungener Sitzposition wirkt der Tourer überaus handlich und agil. Dazu passen allerdings weder die dezenten Lastwechselreaktionen und das kritische Fahrverhalten im Grenzbereich noch die wenig standfesten Bremsen. Eher als Schönheitsfehler ist die zum Stuckern neigende Vorderachse zu verbuchen. Sie trägt aber in Verbindung mit der strafferen Feder-Dämpfer-Abstimmung (gegenüber dem 1.6 SLi) zum eingeschränkten Abroll- und Federungskomfort bei. Besonders hinten wirkt der Rover unterdämpft, und spätestens mit voller Zuladung (429 kg) stößt das Schluckvermögen der Federung auf groben Bodenwellen an seine Grenze.
So hinterläßt der elegante Brite einen etwas zwiespältigen Eindruck. Genau 21.000 Euro kostet der Tourer in der getesteten GSi-Version – wenig Geld, wenn man die umfangreiche Serienausstattung und sein agiles Handling den durchweg teureren Edelkombis gegenüberstellt. Zuviel jedoch, wenn man berücksichtigt, daß es sich im Grunde um eine 6 Jahre alte Konstruktion mit Schwächen in puncto Fahrsicherheit, Komfort und Raumausnutzung handelt, deren Nachfolger bereits als Honda Civic auf dem Markt ist.