Schlamm drüber
Mit der dritten Generation des Mitsubishi Pajero ist ein ganz neuer Geländewagen entstanden. Selbsttragende Karosserie und Benzindirekteinspritzung sollen Maßstäbe setzen.
Die Saurier der Autowelt sind nicht vom Aussterben bedroht. Ganz im Gegenteil fin det mit den Geländewagen eine weltweite Evolution statt. Allein vom Pajero, der seinen Namen einer südamerikanischen Raubkatze verdankt, konnte Mitsubishi seit dem Debüt vor 18 Jahren nicht weniger als 1,8 Millionen Exemplare absetzen, 150 000 davon kraxelten allein auf die gut asphaltierten Straßen der Bundesrepublik. Der neue Pajero soll innerhalb der 2,6 Prozent Marktanteil, die die vierschrötigen All-radler auf dem deutschen Markt repräsentieren, seine Vormachtstellung ausbauen. Rund 4000 Stück des neuen V60, wie das auch formal stark veränderte Automobil intern gerufen wird, sollen noch in diesem Jahr verkauft werden – wie schon beim Vorgänger in einer kurzen zweitürigen und einer langen viertürigen Version. Für den optischen Anreiz sorgt eine ganz neue selbsttragende Karosserie, die auf den soliden Leiterrahmen des Vorgänger. verzichtet und auch in der von auto motor und sport getesteten Kompaktversion mit 4,28 Meter Gesamtlänge ein deutliches Plus an Innenraumvolumen bereithält. Doch auffälliger ist natürlich das Erscheinungsbild. Der strenge Appeal des alten Pajero ist dahin – man betritt die Straße, auf der das Offroader-Dasein in 98 Prozent der Fälle hierzulande besteht, mit kühnen Schwüngen im Kotflügelbereich, markanten Kühllufteinlässen vorn und jener grimmigen optischen Entschlossenheit im Bugbereich, die von Geländewagenfahrern geschätzt wird. Eine um neun Zentimeter gewachsene Wagenbreite tut ein Übriges, um aus dem neuen Pajero auch in Kurzfassung einen imposanten Klotz zu machen, der als Relikt an die Urzeiten des Offroaders à la Ur-Toyota Landcruiser nur noch das obligate Reserverad an der Hecktür trägt. Wo sollte man auch sonst hin mit ihm? Das Kofferraumvolumen ist ohne die serienmäßige Klappmöglichkeit der Rücksitzlehne eher bescheiden und erreicht erst unter Einbeziehung des Fondraums jenes stattliche Maß von 1253 Litern, das auch eine Vergrößerung um nahezu 400 Liter gegenüber dem Vorgänger bedeutet. Wer mit vier Personen verrei-sen will, muss sich also auch im neuen Pajero bescheiden. Immerhin ist die Kabine sowohl in der Länge als auch in der Breite und Höhe gewachsen, und davon hat man dann etwas. Der Sitzkomfort hinten ist dank üppigem Beinraum gut auch für längere Strecken, vorn ist man auf den gut profilierten Sitzen ganz vorzüglich untergebracht. Ohne Komfort ist in der anspruchsvoller gewordenen Offroad-Welt ja nicht mehr viel zu machen, und entsprechend luxuriös fühlt sich der Pajero, mit dem man eigentlich durchs unwegsame Borneo müsste, auch an.
Im Fall des Testwagens könnte man sogar mit Eleganz in die Mangrovensümpfe einbrechen, denn so heißt die nobelste Version. Feine Holzapplikationen, ein Holz-LederLenkrad, abgedunkelte Seitenscheiben hinten und Leichtmetallfelgen sorgen zusammen mit der Lederpolsterung für ein edles Ambiente, bei dem man an alles Mögliche denkt, nur nicht an die zurückliegende Rallye Dakar 2000. Hier belegte Mitsubishi mit einem modifizierten Pajero der aktuellen Generation den dritten Platz im Gesamtklassement. Auch der neu entwickelte Sechszylinder in V-Form unter der mächtigen Haube erweckt nicht unbedingt Offroad-Assoziationen. Mit dem stämmigen Hubraum von 3,5 Litern, einer Leistung von gut 200 PS und einem maximalen Drehmoment von 318 Newtonmetern ist er der erste Sechszylinder weltweit, der als Benzin-Direkteinspritzer arbeitet. Keine Offroad-Gefühle, das bedeutet kultivierten Lauf und Umgangsformen, die man sich auch in einer gehobenen Limousine wünschte. Gleichwohl passt das neue GDI-Triebwerk zum neuen Pajero, weil das Streben der Konstrukteure innerhalb der Offroad-Gilde zu Limousinen-Charakter geht. Genau 1982 Kilogramm bringt der kurze Pajero auf die Waage, und da relativieren sich auch große Kräfte. Immerhin, wer in weniger als zehn Sekunden auf 100 km/h kommen will, dem wird das im neuen Pajero gelingen, auch die mit Mühe erkämpfte Höchstgeschwindigkeit von 190 km/h. Der Verbrauch des neuen, prinzipiell effizienten Direkteinspritzers zeigt Verbesserun-gen gegenüber dem Vorgänger.Man kann mit zwölf Liter pro 100 km auskommen, aber es können auch 15 oder 16 werden. Die monströsen Allradler, die mit schlechten cw-Werten und riesigen Flächen durch die Atmosphäre schuften, können immer nur relativ sparsam sein.
Der leise Motor ist schon ein deutlicher Schritt in Richtung Komfort, und auch vom Fahrwerk mit Einzelradauf-hängung vorn und hinten sowie Schraubenfedern statt der einstigen Torsionsstäbe kann trotz kurzen Radstands Erfreuliches berichtet werden. Besonders gut gelang der Abroll-komfort, im Übrigen besteht eine für Geländewagen typische Schwäche auf kurzen Unebenheiten. Abstriche gegenüber der Limousinenwelt werden trotz aller Fortschritte weiter bestehen. Doch dafür kann der Normalo nicht ins Gelände, wo der neue Pajero wie schon sein Vorgänger zu den Könnern zählt. Mit der zugeschalteten Geländereduktion wird er stark wie Herkules. Das elektronisch geregelte Antriebssystem lässt sich wahlweise mit Heckantrieb, Vierradantrieb, zuschaltbar während der Fahrt bis 100 km/h, und einer Variante mit gesperrtem Mitteldifferenzial betreiben. Wie die Ergebnisse der letzten Wüstenrallye gezeigt haben, kommt man damit schnell zu den Pyramiden, erst recht natürlich ins nahe gelegene Einkaufszentrum, selbst wenn eine Moräne die Zufahrt versperren sollte. Die Servolenkung arbeitet exakt, das Handling ist nicht absolut zu loben, wohl aber für ein Automobil der gröberen Machart. Und weil das Geländewagen-Leben jenseits der Straße meist nur in der Fantasie existiert, drängen sich auch ganz profane Alltagsfragen auf: Wie kommt man um die Kurve, wie fährt er sich, wie bremst er? Die Bremsen erweisen sich als fadingempfindlich, der Geradeauslauf ist ungewöhnlich stabil. Schnell gefahrene Kurven meistert der Pajero zu-nächst untersteuernd, um dann unter Last auch einmal hinten wegzugehen. Man sollte auf dem Gas bleiben – Lastwechsel trüben das Bild. Eine Kippneigung, wie sie bei Offroadern mit hohem Aufbau und kurzem Radstand schon häufiger festgestellt wurde (siehe Seite 74), stellt sich nur – wie die Fahrversuche zeigten – in extremen Situationen ein. ESP könnte solche Momente entschärfen, wird aber nicht angeboten. Der Alltag ist das nicht. Für ihn mit seiner aus Berufsverkehr, Autobahnfahrten und Urlaubsreisen bestehenden Normalität hat der neue Pajero an Verträglichkeit gewonnen. Er ist vom Charakter her mehr Limousine als sein Vorgänger, ohne deshalb weniger Geländewagen zu sein. Die wirklich harten Burschen der Klientel müssen sich nach etwas anderem umsehen.