Skoda Octavia
Die Ostmarke im VW-Konzern produziert nicht mehr Low, sonder High Tech. Trotzdem bietet auch der neue Skoda Octavia wieder viel Auto für Geld.
Allein der Laderaum. Selbst wer gewöhnlich unter Amnesie leidet, vergisst diesen Anblick nicht so schnell: Man öffnet die Heckklappe und kriegt den Mund nicht mehr zu. Da tut sich eine gewaltige Höhle auf, 560 Liter und mit umgeklappter Rückbank maximal 1350 Liter groß. Bis in den letzten Winkel sauber verkleidet, je nach Ausstattung mit Skiluke, Gepäcknetz, geteilter Rücksitzlehne sowie Taschenhaken links und rechts. Geht nicht rein gibt’s nicht, selbst Luxuslimousinen wie eine Mercedes S-Klasse müssen da klein beigeben. Dabei ist hier nur die Rede vom neuen Schrägheck-Octavia, den beliebten Kombi zeigt Skoda erst im Herbst auf dem Pariser Salon und ab Februar 2005 bei den Händlern.
Bis dahin wird das bisherige Modell weiter gebaut, einzelne Varianten der Limousine gar noch bis ins Jahr 2006. Ein ungewöhnlicher Vorgang, zumal die neue Generation ab Juni zum gleichen Grundtarif wie der Vorgänger, aber rundum erwachsener und hochwertiger antritt. Mit 4,57 Meter Länge (plus 6,5 Zentimeter) verlässt sie nun endgültig den Rahmen der Kompaktklasse, der sie dem Preis und der Plattform nach angehört. Denn die Basis liefert erneut der VW Golf, natürlich die jüngste Nummer fünf. Das bedeutet nicht nur ein verfeinertes Fahrwerk mit Vierlenker-Hinterachse und elektromechanischer Lenkung, sondern vor allem mehr Radstand. Schon optisch bekommen die sechs Zentimeter extra dem Octavia ausgesprochen gut. Der Viertürer wirkt gestrecker und harmonischer proportioniert, obwohl die großen Überhänge der Karosserie erhalten blieben. Doch der entscheidende Vorteil erschließt sich erst auf den Fondsitzen, wo die Passagiere nun erheblich mehr Knie- und Ellenbogenfreiheit und damit vollwertiges Mittelklasse-Format erwartet. Ein A4 hat da eher weniger Platz zu bieten, und selbst der Qualitätseindruck muss keinen Vergleich mit anderen Konzernmarken scheuen. Alles, was man tasten, fühlen, sehen oder riechen kann, ist typisch Volkswagen. Weder die Steifigkeit und Passgenauigkeit des Aufbaus noch die Funktionalität des Interieurs geben – abgesehen von der schlechten Sicht nach hinten – echte Schwachstellen zu erkennen.
Die metallischen Türgriffe haben innen (ab Ambiente) sogar einen Silikonbelag, damit sie sich wärmer anfühlen. Kaum zu glauben, dass die Einstiegsversion mit nur 14 490 Euro in der Liste steht – weniger noch, als der günstigste Opel Astra (15 200 Euro) oder gar der gleich motorisierte Golf 1.4 mit vier Türen (16 215 Euro) kostet. Allerdings ist die Grundausstattung (Classic) deutlich karger und beschränkt sich auf das Wesentliche (Front-, Seiten- und Kopfairbags, Kopfstützen und Dreipunktgurte auf allen Plätzen, Nebelscheinwerfer, Zentralverriegelung ohne Fernbedienung). So richtig wohnlich wird es erst in der Ambiente- (plus 2300 Euro) oder der Elegance-Version (ab 19 890 Euro), die zwar schon Klimaanlage, Alufelgen, elektrische Fensterheber und den 1,6- statt des 1,4-Liter-Motors, aber weder Heckwischer noch ESP (300 Euro) hat.
Jeglicher Luxus (Navigationssystem, Leder, Xenon) wird nach (un)guter alter Konzerntradition extra in Rechnung gestellt. _ Positiv zu vermelden ist hingegen, dass der Skoda auch beim Fahren an einen VW oder Audi erinnert. Mit breiteren Reifen, größerer Spurweite und aufwendiger Achskonstruktion liegt der Fronttriebler enorm sicher und ruhig auf der Straße. Die Lenkung wirkt so direkt wie präzise, und in Kurven bleibt er selbst dann noch ein harmloser Untersteuerer, wenn der Fahrer abrupt vom Gas geht. Dabei bügeln Federung und Dämpfung die meisten Unebenheiten recht geschmeidig weg, obwohl ihre Abstimmung in Hinblick auf die nochmals erhöhte Zuladekapazität (660 Kilogramm nach Werksangabe) eher straff gewählt wurde. Wie sich eine volle Auslastung auf Fahrkomfort und -sicherheit auswirkt, muss ein späterer Test klären. Aber schon mit leichtem Ballast hatten zumindest die drehmomentstarken TDI-Motoren einige Mühe, ihre Kraft ohne scharrende Vorderräder auf die Piste zu bringen. Trotzdem sprechen nicht nur der stämmige Durchzug und der niedrige Verbrauch, sondern auch die kultivierte Akustik für die beiden Pumpedüse-Turbodiesel, die subjektiv besser gedämpft als im Golf wirken.
Dazu macht sich der sechste Gang beim Zweiliter-Vierventiler geräuschsenkend bemerkbar, als komfortable Alternative gibt es für die Selbstzünder ab Herbst das Direktschaltgetriebe. Im Gegensatz zu den drei Benzinern erfüllen sie allerdings noch nicht die Euro 4-Abgasnorm, ein Rußpartikelfilter ist erst für 2005 vorgesehen. Das Resümee fällt dennoch bereits nach kurzer Bekanntschaft durchweg erfreulich aus. Der neue Octavia hat in jeglicher Hinsicht gewonnen und dürfte neben Golf, Astra und Co auch der gestandenen Mittelklasse das Leben schwer machen. Schließlich ist er in Technik, Format und Qualität ein Großer, aber in Preis und Unterhaltskosten ein Kleiner geblieben.