Gemütliche Wohnmobil-Route in den Süden

Wir – Gisela und Alfred – nehmen uns viel Zeit, um im Herbst bis ins sonnige Südspanien zu gelangen. Schließlich gibt es unterwegs so viel zu sehen. Und unser Hugo hat nur 75 PS ...
- Frankreich
- Atlantikküste
- Nordspanien
- Extremadura gen Süden
Es ist Ende September, als wir losfahren. Wenn es zu Hause kühler wird, möchten wir uns in Spanien länger niederlassen, aber zuerst wollen wir unterwegs viel sehen. Wir fahren und fahren. Wir, das sind Gisela und Alfred, Baujahr 1951, mit Hugo, einem Bürstner, Baujahr 1993. Bei schönem Herbstwetter geht es durch Luxemburg, über Metz, vorbei an Verdun. Von der Straße aus sehen wir viele große und kleine Grabfelder. Eigentlich kein erbauliches Thema für den Beginn der Reise. Und doch – das Thema macht dankbar für eine so lange Zeit des Friedens, die es erst möglich macht, so unbeschwert durch unsere Nachbarländer zu reisen.
Etappe 1: Frankreich
Am Ende landen wir auf einem kleinen Campingplatz vor Reims. Nach einer klammen Nacht machen wir uns auf den Weg zur Kathedrale. Drinnen wird gerade ein feierliches Hochamt abgehalten. Wir lassen die Atmosphäre auf uns wirken und bewundern die ausdrucksstarken Fenster. Nächster Halt: Camping Ile de Boulancourt südlich von Paris. Im Ort ist bereits die Winterruhe eingetreten. Auf nach Tours. Wir fahren an der Loire entlang, durchqueren anheimelnde Ortschaften und erfreuen uns immer wieder am Anblick der Schlösser, die etwas Märchenhaftes umgibt. In der Nähe von Tours nisten wir uns für drei Tage auf dem Camping Les Acacias ein.
Wir radeln an der Loire entlang, erst nach Tours und am nächsten Tag in die andere Richtung zum Schloss Amboise. Der Radweg Vélodyssée führt über Berg und Tal. Man bekommt wirklich etwas geboten. Trotz E-Bikes verbringen wir die Mittagszeit etwas erschöpft in einer Brasserie auf dem Marktplatz von Amboise, den Blick auf das imposante Schloss gerichtet. Unweit davon liegt das kleine Château du Clos Lucé, wo Leonardo da Vinci seine letzten Jahre verbrachte. Er folgte einer Einladung des französischen Königs, im Handgepäck die Mona Lisa, die so nach Frankreich kam.
Etappe 2: Atlantikküste
Dann brechen wir auf in Richtung Atlantikküste. Über 400 Kilometer haben wir uns heute vorgenommen – ohne Autobahn. Wir erwarten viele, viele Kreisel, kommen aber gut voran und sehen viel von der Landschaft. Arcachon, die Stadt an der gleichnamigen Atlantikbucht, überrascht uns zunächst einmal damit, dass sie auf vielen kleinen Hügeln liegt. Es geht immer rauf und runter. Genauso ist es auf dem schönen Campingplatz Club d’Arcachon: Rauf, runter, Mulden, Stellplätze in Schräglagen und Kurven – und das alles unter hohen Bäumen. Na, das wird ja was werden mit dem Nivellieren und dann erst der Fernsehempfang. Aber dann: Zweimal hin und her gefahren und Hugo steht perfekt, und das nächste Wunder: Wir gehörten zu den wenigen in unserer Ecke mit TV-Empfang, dank mobiler Antenne und Alfreds genialen Fähigkeiten. Manch modernes "Dickschiff" guckt in die berühmte Röhre. Da lacht doch der alte Hugo.
Da wir nun wissen, dass sich das Wetter bald verschlechtern wird, steht eine Radtour zur höchsten Düne Europas an, der Dune du Pilat. Direkt am Atlantik finden wir eine Aussichtsstelle nur für uns und genießen unseren frisch gekauften Proviant. Und das alles im Sonnenschein. Der Himmel wird aber grauer, der Weg zur Düne verworrener. Ich blicke nicht mehr durch, aber Navi-Alfred behält den Durchblick. Nach einem steilen Anstieg befinden wir uns auf einem Plateau, schon etwa in halber Höhe der Düne. Busse kommen, Massen entsteigen ihnen und Klimbim-Buden und Restaurants erwarten zahlende Gäste. Wir laufen ein Stück, um einen Blick auf die Dünenspitze zu bekommen. Was ist das? Da führt doch eine Treppe hinauf. Wandert die etwa mit der Wanderdüne mit? Das erscheint uns wirklich skurril.
Am Tag darauf regnet es. Keine Chance, das Bassin d’Arcachon zu umrunden, um zum Cap Ferret mit dem berühmten Leuchtturm zu kommen. Also gibt es in einer Regenpause einen Bummel durch die Stadt. In einer Boutique mache ich ein Schnäppchen und bin mit dem Wetter versöhnt, während Alfred einige geparkte Lamborghini und Maserati bewundert.
Als wir tags darauf Saint-Jean-de-Luz erreichen, regnet es erbärmlich, die ortsnahen Campingplätze sind geschlossen und es verschlägt uns ins nahe Sokoa, wo wir Herberge in einem hinter der Steilklippe gelegenen Campingplatz finden. Alles bei Sonnenschein bestimmt traumhaft. Die Chefin weist uns eine geteerte Sackgasse für Hugo zu. Nur nicht auf die Wiese fahren. Wir halten uns brav an die Anweisung, versinken aber beim Versuch, zur Wiese hin auszusteigen, sofort im Morast. Die Antenne aufzubauen erscheint zwecklos, WLAN gibt es auch nicht, immerhin sind die Duschen schön heiß.
Am nächsten Morgen steuern wir Hugo aus der Sackgasse, Gas geben und weg. Ziel ist der Bahnhof Col de Saint-Ignace, von wo aus eine Zahnradbahn uns auf den Gipfel des Bergs La Rhune bringen soll. Hugo wird die Steigungen schon schaffen. Kurzzeitig mal im zweiten Gang mit einer kleinen "Fangemeinde" im Schlepptau, aber dann sind wir am Bahnhof. Fürsorglich warnt man uns dort, dass heute keine Aussicht zu erwarten ist. Wir kaufen trotzdem Tickets. Und dann kommt das Bähnchen, Jahrgang 1924, mit Getöse angerattert, eine Zahnradbahn mit Oberleitung und zwei Waggons. Diese haben keine Fensterscheiben, sind aber mit rot-weißen Gardinen versehen, den Farben des Baskenlands, passend zum mythischen Berg der Basken. Ächzend und rappelnd geht es los, die Sonne kommt raus. Einfach schön. Dann genießen wir die atemberaubende Aussicht. Auf dem Gipfel ist alles diesig und kalt. Nicht schlimm. Wir steigen wieder ein. Regenwolken ziehen auf. Glück gehabt.
Etappe 3: Holà Spanien!
In Spanien wartet die Sonne. Sagen zumindest unsere Freunde, die ihre Zeit auf einem Campingplatz am Mittelmeer verbringen. Wir wollen erst möglichst viel vom Land entdecken. Die Autobahn bringt uns schnell aus Frankreich hinaus, und dann geht es über die spanische Nationalstraße in Richtung Burgos. Wir durchqueren wunderschöne Landschaften. Zu unserer Linken die Ausläufer der Pyrenäen und zu unserer Rechten das Kantabrische Gebirge. Die Sonne beleuchtet bizarre Felsformationen. Für den alten Hugo gibt es sogar immer wieder eine Kriechspur, wenn es zu steil wird. Dann lassen wir die Berge hinter uns und der Blick trifft auf eine goldgelbe Weite. Land und Himmel scheinen eins zu sein: die Meseta – Spaniens Hochebene, endlose Getreidefelder, zum Teil abgeerntet, zum Teil schon umgepflügt. Die Erde in allen Schattierungen zwischen Gelb, Braun und Rot.
Am frühen Nachmittag erreichen wir den Campingplatz Fuentes Blancas in Burgos. Er ist schon ziemlich voll, aber wir finden noch ein Plätzchen unter den vielen internationalen Gästen. Ein Durchgangsplatz, aber von der angenehmen Sorte. Erst am nächsten Nachmittag besteigen wir unsere Fahrräder und fahren auf dem bequemen Radweg entlang des Flüsschens Arlanzón und erreichen die Kathedrale von Burgos – so viel Gold, feine Schnitzereien und wunderschöne filigrane Steinmetzarbeiten. Meine Highlights: die Sterngewölbe in den Türmen, durch die von oben und von der Seite die Sonne teils durch Buntglas in die Kathedrale fällt. Fast überirdisch schön.
Am nächsten Tag ist wieder Bildung angesagt. Wir machen uns am frühen Nachmittag, es ist noch ganz schön heiß, zu Fuß auf den Weg zum Kartäuserkloster Catuja Santa Maria de Miraflores, das ganz in der Nähe unseres Campingplatzes liegt. Das Kloster, ein beschaulicher, ruhiger Ort mit kleinem Innenhof. Die Kartause ist angenehm kühl. Nur wenige Besucher sind da. Natürlich gibt es auch hier wieder einen feingeschnitzten und vergoldeten Altar, aber das Besondere ist das sternförmig angelegte Grab von Johann II. und Isabella von Portugal. Ihre Geschichte lohnt sich wirklich nachzulesen, ein unterhaltsamer Familienkrimi voller List, Intrigen und plötzlichen Todesfällen.
Von Burgos nach Salamanca: Wir finden im Stadtteil Santa Martha de Tormes am Hotel Regio einen großen Campingplatz. Der Bus zur Innenstadt hält genau vor dem Hotel, und so fahren wir noch am Abend in die City und bummeln über die Plaza Mayor – den schönsten Platz Spaniens, wie man überall lesen kann. Es stimmt, dieser viereckige Platz mit seinen Arkaden und den vielen kleinen Läden ist insbesondere in der Dämmerung sehr stimmungsvoll. Das wissen auch die Spanier, denn ganze Familienclans scheinen sich dort zu treffen. Am nächsten Vormittag fahren wir noch einmal in die Innenstadt. Wir bummeln durch die Altstadt und entdecken eine von Spaniern sehr frequentierte Tapas-Bar. Unbekannte Köstlichkeiten stehen dort in den Vitrinen. Den Mutigen gehört die Welt: Ich greife beherzt nach einer mir völlig unbekannten Kreation, bei genauerer Untersuchung eine panierte und frittierte Schweineschwarte.
Etappe 4: Durch die Extremadura in den Süden
Als wir weiter nach Cáceres fahren, beobachten wir, wie sich die Landschaft verändert. Immer noch sind wir auf einer Hochebene, aber es kommt mehr und mehr Baumbestand hinzu, die Dehesas – Kork- und Steineichenwälder der Extremadura. Hier ist auch die Heimat des iberischen schwarzen Schweines, dessen Fleisch so begehrt ist wegen der Eicheln und Kräuter, die es frei lebend frisst. Wir entdecken zwar keine Schweine, bekommen sie aber als wohlduftenden Schinken oder Wurst zu sehen, die in den zahlreichen Jamborias in Cáceres von der Decke baumeln.
Einst lebten in Cáceres überwiegend Mauren und Juden, teils in Stadtpalästen. Nach der Eroberung ließ man alle Türme der Widersacher schleifen. Deshalb trägt Cáceres den Beinamen "die enthauptete Stadt". Die kompakte, turmlose Altstadt mit ihrer dicken Stadtmauer aus der Zeit der Mauren ist wirklich sehenswert. Wir verbringen vier Tage bei Cáceres, auch wegen des schönen Campingplatzes, der etwas außerhalb liegt. Neben der guten Busanbindung gefallen uns die schön angelegten Terrassenplätze mit eigenem Sanitärhäuschen. Das Schwimmbad hat sogar im Oktober noch geöffnet. Hier könnte man es noch länger aushalten, aber wir wollen ja noch nach Córdoba. Dort bleiben wir allerdings nicht lange. Bei der Ankunft auf dem Campingplatz wird klar, dass hier zu horrenden Preisen wenig Gegenleistung geboten wird. Also beeilen wir uns, gleich am nächsten Morgen die Altstadt zu erkunden, und kaufen Eintrittskarten für die Mezquita-Kathedrale. Wir kommen aus dem Staunen kaum heraus. So etwas wie diese Moschee-Kathedrale haben wir noch nie gesehen. Säulen und Bögen, wohin das Auge blickt. Die Mezquita ist mit einer Grundfläche von 23.000 Quadratmetern der weltweit größte Sakralbau. Die Hufeisenbögen ruhen auf 856 Säulen aus Jaspis, Onyx, Marmor und Granit.
Nach der Besichtigung verlassen wir gleich unseren Campingplatz und fahren durch eine gebirgigere Gegend in das Naturschutzgebiet Lagunas de Ruidera nahe Albacete. Der Campingplatz Los Batanes lockt mit Schwimmmöglichkeit und schöner Umgebung. Schon die Fahrt entlang des Stausees ist ein Genuss. Er besteht aus vielen kleinen Seen, die durch den porösen Tuffstein unterirdisch miteinander verbunden sind. Gräbt man am Ufer ein Loch, dann füllt sich dieses blubbernd mit Wasser. Nach drei Tagen Erholung in der Einsamkeit, freuen wir uns dann auf unseren spanischen Lieblings-Campingplatz bei Alfredo: Torre La Sal 1 in Ribera de Cabanes. Die Sonne scheint zuverlässig, sodass wir noch im Meer schwimmen können. Das Leben geht hier seinen gemütlichen Gang. Mal sehen wie lange es dauert, bis uns wieder die Unruhe packt.