Freies Stehen kaum noch möglich

Wildcampen war mal. Wie Portugal gerade durchgreift und viele der letzten Refugien des freien Stehens dichtmacht – Beobachtung und Meinung von Andreas Fischer.
In Südportugal warten eigentlich unberührte Steilküsten mit weiten Sandstränden auf Freunde des Campingbuslebens. Aber nun wird dort umgebaut. Wo Camper bislang freie Standplätze mit Blick aufs Meer fanden (wie in den Regionen Aljezur und Vila do Bispo, bei Sagres, Odeceixe und Vila Nova), stehen jetzt Schilder und Warntafeln mit Übernachtungsverboten. Das war vor Corona meist noch anders.
Times are changing: Es wurde zu viel. Angesichts der Einschränkungen während der Coronapandemie – und auch der Auswirkungen des Krieges in der Ukraine – okkupierten viele die Küsten Portugals als frei verfügbaren Rückzugsort. Die Regionalregierungen reagierten. Sie wollten der internationalen Aussteiger-Home-Office- und Surferszene die einstmals mehr oder weniger einsamen Küsten nicht als kostenlos benutzbaren Campground überlassen: Seit Anfang 2021 gelten neue Beschränkungen und eine massive Ausdehnung der Naturschutzgebiete.
Versperrte Nightspots
Barrikaden am Abgrund: Um den Druck auf die vielen notorisch ungehorsamen Traveller zu erhöhen, baut die Regionalregierung massive Barrikaden auf. Dass sich die mobilen Besucher an Verbote halten, davon geht niemand aus. Schon immer haben sich findige Naturliebhaber bei der Suche nach aussichtsreichen Plätzen nah an der Küstenkante selbst Zufahrten geschaffen. Quer durch die Macchia, über Wiesen und Sand.
Jetzt sind die Nightspots versperrt: Die Behörden haben tiefe Gräben und Erdwälle anlegen lassen.
Das Parken von Wohnmobilen und dergleichen ist in den Bereichen des Natura-2000-Netzwerks, in Landschaftsschutzgebieten und Gebieten, die unter die Küstengrenzpläne fallen, außerhalb der autorisierten Plätze für das Parken von Fahrzeugen verboten.
Eine der beliebten Straßen verläuft nah an der Felsenküste, nach Norden gesehen von der Praia do Amado zum Pontal do Carrapateira und dann nach Bordeira. Rechts und links hat man durchgehend scharfe Steinplatten vertikal in den Boden gerammt. Am Anfang eines Abzweigs steht ein Schild, das Wohnmobilen die Durchfahrt verbietet.
Erfahrungen am eigenen Bulli-Leib
Mein VW T6 mit Klapp-Schlafdach ging im Spätsommer 2022 nach Sichtung der Papiere durch die Ordnungshüter gerade noch als Kombi-Van durch. Noch einmal Glück gehabt! Der Fahrer eines großen Wohnmobils, ein paar hundert Meter weiter, fand keine Gnade, es gab eine Anzeige samt Platzverweis.
Parken ist nur in den wenigen, offiziellen Haltebuchten möglich. Die liegen an extra eingerichteten Aussichtspunkten, wo Holzbohlen-Wege mit Geländer den Blick in die Steilhänge über dem Meer erleichtern. Am spektakulären Sunset-Point, auf dem Pontal, können Campervan-Traveller also ihren Picknick-Korb auspacken und die Natur bewundern.
Vanlife, bis es dunkel wird, dann ist die Party allerdings zu Ende. Gut, wenn man vorher schon weiß, wo man die Nacht verbringen darf: auf dem Campingplatz oder innerhalb der Dorfgemeinden. Dort überall, zumindest für eine Nacht, wo Parken nicht explizit verboten ist und wo man niemanden behindert.
Was heißt das? Südportugal im Campingbus autonom und ungebunden, das geht immer weniger. Manchmal mag man in kleinen Bussen noch durchkommen, weil man manchen noch davon überzeugen kann, dass das kein Wohnmobil ist. Aber mehrere Tage wo stehen, das geht wohl kaum noch.
Zu viel Tourismus in Portugal
Um zu verhindern, dass sich Campervans und Wohnmobile dort, wo kein explizites Verbot gilt, länger als 48 Stunden auf Dauer installieren, werden alle Fahrzeuge – täglich – von der GNR fotografiert. Die schiere Masse an Campern macht das teils notwendig. Absurd, aber gerade die, die naturverbunden und fern aller Reglementierungen leben wollen, belasten die Natur schwer. Wir sind zu viele geworden. Kein Wunder, dass das die Behörden vor Probleme stellt.
Andererseits, luxuriöse Ferienhäuser entstehen ebenso... man könnte glatt meinen: Wenn zu viele Landschafts-Schnorrer den zahlungskräftigsten Kunden Portugals die Sicht versperren, kriegt das Land die Krise. Sie geben schließlich viel Geld dafür aus, genau das für sich zu haben, was alle suchen: ungestört an den schönsten Orten zu essen, zu schlafen und das Meer zu beobachten.
Genauso kommen Kurzeitbesucher mit eher normalem Budget in Massen an die schöne Küste. Sie wollen die Klippen sehen, baden oder den berühmten Fischerweg erwandern. Auch sie sind angesichts der Massen von Dauer-Wildcampern nicht amüsiert. So sind wir alle Teil der Konkurrenz verschiedener Touristengruppen, denen das Urlaubsland Portugal mittels Werbung das Erleben der Natur verspricht.
Mit dem Stichwort Nachhaltigkeit und der Präsentation von allerhand Schutzgebieten möchte sich Portugal vom Nachbarland Spanien und dessen Beton-Küstenkultur abheben. Und vielleicht vergessen machen, was in der nahen Algarve an ganz legaler Naturzerstörung angerichtet wurde.
Der Spaß geht verloren
Die neuen Regelungen verderben vielen Travellern den Spaß! Viele waren im vergangenen Sommer – wie ich selber auch – ein paar Tage mit dem Campervan dort unterwegs: an der herrlichen Praia do Zavial, am magischen Pontal da Carrapateira, beim tollen Arrifana Beach. Gerade dort, wo es am schönsten ist und sich die genialen Standplätze vor der Nase auftun, darf man nicht (mehr) die Nacht verbringen! Das ist schwer zu schlucken! So schwer, dass immer noch viele park4night-User begeistert von tollen, einsamen Nightspots an der Küste berichten.
"Magischer Spot, wir haben gut geschlafen – und keine Polizei gesehen." Geht’s noch? Warum waren diese Vanlifer denn so schön allein an der herrlichen Praia do Beliche? Weil die Verbote wirken. Nur wenn manche die weiterhin ignorieren, werden die Behörden nachschärfen. Verbotsschilder mit Aufklebern zukleben ist zwar charmant, wird aber allein nicht helfen. Times have changed.