Terrorverdacht: Bundesanwaltschaft übernimmt Dortmund-Ermittlungen - Islamistischer Hintergrund?
Berlin (SID) - Nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus von Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund hat die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen schon am Dienstagabend an sich gezogen. Das gab die Behörde am Mittwochmorgen in einer Pressemitteilung bekannt und kündigte für Mittwochnachmittag (14.00 Uhr) eine Pressekonferenz in Karlsruhe mit Informationen zum Stand der Untersuchungen an.
Nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR kann die Einschaltung der übergeordneten Behörden die Konsequenz aus neuen Erkenntnissen über einen terroristischen Hintergrund des Attentats sein.
Anschläge bei Sportereignissen
5. September 1972, München: Während der Olympischen Spiele stürmen palästinensische Terroristen des "Schwarzen Septembers" das Quartier der israelischen Mannschaft und nehmen Geiseln. Beim Angriff und bei der Befreiung auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck sterben insgesamt 17 Menschen, darunter alle elf israelische Geiseln.27. Juli 1996, Atlanta: Ein christlicher Extremist zündet während der Sommerspiele auf dem Olympia-Gelände einen Sprengsatz. Ein Mensch stirbt durch die Bombe, ein weiterer durch eine Herzattacke. 111 Menschen werden zum Teil schwer verletzt.
1. Mai 2002, Madrid: Wenige Stunden vor dem Halbfinal-Rückspiel der Champions League zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona explodiert in der Nähe des Bernabeu-Stadions eine Autobombe der baskischen ETA. Neun Menschen werden verletzt.
3. Januar 2008, Lissabon: Einen Tag vor dem in Lissabon geplanten Start wird die Rallye Dakar abgesagt, nachdem konkrete Hinweise auf einen geplanten Anschlag durch Al-Qaida in Nordafrika eingegangen waren. Ab dem folgenden Jahr findet die Rallye in Südamerika statt.
6. April 2008, Colombo/Sri Lanka: Als Sri Lankas Straßenbauminister Jeyaraj Fernandopulle gerade die Startflagge bei einem Marathonlauf in der Hauptstadt Colombo schwenkt, detoniert eine Bombe. 13 Menschen sterben, darunter Olympiateilnehmer K.A. Karunaratne und der Leichtathleten-Nationaltrainer Lakshman de Alwis.
3. März 2009, Lahore/Pakistan: Auf dem Weg zum Länderspiel gegen Pakistan werden die beiden Busse des Cricket-Teams von Sri Lanka von Terroristen unter Beschuss genommen. Sechs Polizisten und zwei Zivilisten sterben, aufgrund des umsichtigen Handelns der Busfahrer werden nur zwei Spieler verletzt. Pakistan wird die Ausrichterrolle der WM 2009 entzogen.
8. Januar 2010, Cabinda/Angola: Zwei Tage vor dem Beginn des Afrika-Cups in Angola greifen Unbekannte den Mannschaftsbus Togos an der Grenze zwischen der Republik Kongo und der angolanischen Exklave Cabina an. Zwei Delegations-Mitglieder sterben, unter anderem zwei Spieler werden verletzt. Togo zieht seine Mannschaft vom Turnier zurück.
15. April 2013, Boston: Im Zielbereich des Boston-Marathons detonieren zwei Sprengsätze, die drei Zuschauer in den Tod reißen, 264 Läufer und Zuschauer werden verletzt. Die beiden Täter werden tagelang gejagt, einer gefasst, einer getötet.
6. April 2015, Istanbul: Bei dem Anschlag auf Fenerbahces fahrenden Bus wird der Fahrer des Busses mit der gesamten Mannschaft an Bord von Splittern der durch die Schüsse zerborstenen Frontscheibe im Gesicht verletzt. Die Spieler werden körperlich nicht in Mitleidenschaft gezogen, nachdem ein Sicherheitsmitarbeiter des Klubs für den fahruntauglichen Fahrer das Steuer übernahm und den Bus stoppte.
13. November 2015, Paris: Bei Anschlägen mit mehreren Selbstmordattentaten in der französischen Hauptstadt kommen während und nach dem Länderspiel zwischen Frankreich und Deutschland 130 Menschen ums Leben, 352 werden verletzt.
11. April 2017, Dortmund: Kurz nach der Abfahrt des Mannschaftsbusses von Borussia Dortmund zum Viertelfinal-Heimspiel der Champions League gegen AS Monaco explodieren drei Sprengsätze. Abwehrspieler Marc Bartra wird schwer verletzt und noch in der Nacht wegen einer gebrochenen Speiche im rechten Handgelenk operiert. Die Begegnung im Signal Iduna Park wird abgesagt und um einen Tag auf Mittwoch, den 12. April 2017, verschoben.
Demnach soll das mutmaßliche Bekennerschreiben, das die Dortmunder Polizei am Dienstagabend nahe des Tatortes gefunden und untersucht hatte, mit den Worten "Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen" beginnen. Zudem würde auch Bezug zum LKW-Anschlag im Dezember 2016 auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin genommen und außerdem - nach Angaben von Express, Hamburger Morgenpost und Berliner Kurier - Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen ihrer Anti-Terror-Politik unmittelbar attackiert.
Anderen übereinstimmenden Medienberichten zufolge prüften die Ermittler auch ein zweites und inzwischen nicht mehr online geschaltetes Internet-Bekennerschreiben aus der linksextremistischen Szene. Das Schreiben war am Dienstagabend im Netz aufgetaucht und nennt als Motiv für den angeblich unzureichenden Kampf des BVB gegen rechtsradikale Gruppierungen in Dortmunds Anhängerschaft. Zur Echtheit beider Bekennerschreiben äußerten sich die Behörden bis Mittwochmittag nicht.
"12 ungläubige", zitierten Express, Hamburger Morgenpost und Berliner Kurier eigenen Angaben im Orginal aus dem angeblich in Kopien an zwei weiteren Plätzen in Tatortnähe gefundenen Bekennerschreiben, "würden von unseren Gesegneten Brüder in Deutschland getötet. Aber anscheinend scherst du dich Merkel nicht um deinen kleinen dreckigen Untertanen. Deine Tornados fliegen immer noch über dem Boden des Kalifats, um Muslime zu Ermorden. Jedoch bleiben wir standhaft durch Gnade Allahs".
Weiter sollen fortan Sportler und andere Prominente "in Deutschland und anderen Kreuzfahrer-Nationen" auf einer "Todesliste des Islamischen Staates" stehen. Als Grund wird in dem angeblich einseitigen und nicht unterschriebenen Schriftstück die Beteiligung von Tornados der deutschen Bundeswehr an einer angeblichen Ermordung von Muslimen "im Kalifat des IS" genannt. Die Drohung solle so lange bestehen bleiben, bis die deutschen Soldaten und Maschinen aus der im IS-Herrschaftsgebiet operierenden Anti-Terror-Allianz zurückgezogen werden und zudem die US-Luftwaffenbasis im pfälzischen Ramstein geschlossen werde.
Die Wortmeldung der linksradikalen Gruppierung beklagt als Motiv angeblich zu wenig Engagement des BVB bei der Bekämpfung der rechtsradikalen Szene in Dortmunds Fan-Klubs.
Die Politik des BVB setze sich nicht genügend gegen Rassisten, Nazis und Rechtspopulisten ein, und seit Jahren würde der Klub zudem Fans mit menschenverachtender Einstellung ins Stadion lassen, hieß es in dem via Twitter-Verbreitung noch einsehbaren Pamphlet. "Der Bus war nur ein Symbol. Keinesfalls waren die Spieler Ziel dieser symbolischen Tat", stand darin weiter geschrieben.