Das SID-Kalenderblatt vom 23. April 2020: Die erste Eishockey-WM

Das SID-Kalenderblatt vom 23. April 2020: Die erste Eishockey-WM
Köln (SID) - Die ersten Eishockey-Weltmeister waren "Isländer", nahmen an Olympischen Sommerspielen teil und wussten Zeit ihres Lebens nichts von ihrem historischen Titel. Als Sigurdur "Frank" Fredrickson und seine Winnipeg Falcons im Palais de Glace in Antwerpen ihre Gegner schwindelig spielten, schrieben sie Sportgeschichte - obwohl dieses Turnier, das am 23. April 1920 begann, eigentlich nur Show sein sollte.
Die ersten Winterspiele fanden erst vier Jahre später in Chamonix statt, die erste Weltmeisterschaft sogar erst 1930 ebenfalls in den französischen Alpen - wegen Tauwetters mit den letzten Spielen in Berlin und Wien. In der Wintersportwoche in Antwerpen, zehn Wochen vor den eigentlichen Olympischen Spielen, liefen Fredrickson und Co. offiziell zu Demonstrationszwecken auf, weil die Hallenbesitzer nicht nur Eiskunstläufer präsentieren wollten.
Sieben Spieler pro Team jagten auf einer 18 mal 50 Meter kleinen Eisfläche über zweimal 20 Minuten dem Puck hinterher, während ein "wirklich gutes Orchester unermüdlich von morgens bis abends spielte und die Zuschauer speisten und tranken", wie Bill Hewitt, der Manager der Kanadier, festhielt.
Viele Tore gab es zu sehen - jedoch immer nur auf einer Seite. 15-mal trafen die Falcons, Söhne isländischer Einwanderer, zum Auftakt gegen die Tschechoslowakei, zwölfmal im Finale gegen Schweden. "Wir haben versucht, uns auf 14, 15 Tore zu beschränken", sagte Kapitän Fredrickson, "das war gar nicht so einfach." Im Endspiel erlaubten sie den Schweden ihr einziges Gegentor, die "schrien und jubelten, sich selbst die Hände schüttelten und uns auch".
Der einzig ernstzunehmende Gegner der Kanadier, die gegen die Universität von Toronto den Allan Cup als Amateurmeister im Eishockey-Mutterland gewonnen hatten, waren die USA im Halbfinale. Nach dem 2:0-Sieg gab es neue Kleider - und Ärger. Ein amerikanischer Spieler hatte eine Wette angeboten, die kanadische Sportführung drohte wegen Verstoßes gegen die Amateurregeln mit dem Entzug der Medaillen, "aber nichts passierte", berichtete Fredrickson.
Als erster Eishockey-Olympiasieger galt sein Team lange nicht, diese Ehre wurde zunächst 1924 den Toronto Granites bei den ersten Winterspielen zu teil. Als erster Weltmeister anerkannt wurden die Falcons vom Weltverband IIHF erst 1983, als Fredrickson schon gestorben war.
Was in Antwerpen vor 100 Jahren unter kuriosen Umständen begann, ist mittlerweile ein jährliches Event, das Eishockey zu einen weltweiten Sport gemacht hat. Die WM in der Schweiz, die wegen der Corona-Pandemie abgesagt wurde, wäre die 84. gewesen.