Das Formel-1-Reife(n)zeugnis des SID: Bahrain II

Das Formel-1-Reife(n)zeugnis des SID: Bahrain II
Sakhir (SID) - GEORGE RUSSELL: Lewis Hamiltons Ersatzmann ist der tragische Held dieses vorletzten Saisonrennens in Bahrain. George Russell hat alles Nötige getan, um seinen ersten Einsatz im Mercedes mit dem ersten Sieg zu krönen - Dinge außerhalb seiner Macht verhinderten diesen, und zwar mehrfach. Den nur scheinbar entscheidenden Fehler seines Teams bei der Reifenwahl steckte er weg, doch als er erneut nach der Führung griff, stoppte ihn ein Plattfuß. Die Enttäuschung war groß. Spätestens am Montagmorgen dürfte Russell aber dämmern, welch glänzende Bewerbung er da eingereicht hat. Dem Mann aus der Mercedes-Jugend wird die Zukunft gehören. "A Star is born", sagte Teamchef Toto Wolff.
VALTTERI BOTTAS: Und wenn Lewis Hamilton nicht in naher Zukunft die Lust an der Formel 1 verliert, dann wird die Nummer zwei für Russell weichen müssen. Das zumindest wäre die logische Entscheidung. Noch ein Jahr hat Valtteri Bottas Vertrag, spätestens dann gibt es kaum noch Argumente für den Finnen und gegen Russell. Allerdings war Bottas in den vergangenen Wochen schon derart schwach, dass dieser Sonntag in Bahrain nachwirken dürfte: Die Diskussionen, ob Mercedes nicht doch schon 2021 auf Russell setzen sollte, werden nun Fahrt aufnehmen.
MERCEDES: Denn Mercedes fährt nicht bloß um den Fahrer-Titel, es geht auch um die Team-WM, und Valtteri Bottas in seiner aktuellen Form ist für dieses Projekt ein Risiko. Zudem ist eine frühzeitige Beförderung Russells auch für Mercedes von Vorteil: Der 22-Jährige könnte neben Hamilton wachsen und spätestens nach dessen Karriere-Ende die Dominanz nahtlos weiterführen, stark genug dafür scheint er. Teamchef Wolff betonte in Bahrain allerdings, dass man zu Verträgen stehen wolle. So oder so offenbarte dieses Wochenende, dass Mercedes recht entspannt in die Zukunft schauen kann. Die ebenso haarsträubenden wie einmaligen Fehler an der Box sind dadurch wohl etwas einfacher zu ertragen.
SERGIO PEREZ: Wie das immer so ist, wenn die ganz Großen spektakulär straucheln, dann gehen die Nutznießer ein wenig unter. In Sergio Perez' Fall lohnt sich das Hinsehen aber: Der Mexikaner zählt seit einem Jahrzehnt zu den besten Fahrern der Formel 1, er saß aber nie in einem Siegerauto. In der kommenden Woche könnte seine Karriere nun enden, denn Sebastian Vettel wird ihn bei Racing Point - ab 2021 Aston Martin - ersetzen. Und Perez hat noch kein Cockpit für die neue Saison. In seinem 190. Rennen gelang nun aus dem Nichts der erste Sieg. Und das, obwohl Perez nach einem frühen Rammstoß von Charles Leclerc (Ferrari) schon auf Rang 18 zurückgefallen war. Bei Red Bull werden Perez für nächstes Jahr kleine Chancen eingeräumt. Und vielleicht sind sie am Sonntag etwas größer geworden.
SEBASTIAN VETTEL: Sein vorletztes Rennen für Ferrari fasste der Heppenheimer passend zusammen. "Irrelevant" sei sein Auftritt gewesen, sagte er, jenseits von Gut und Böse war Vettel als Zwölfter mal wieder unterwegs. Es schien ihn nicht mehr wirklich zu kümmern. Denn was er aus dem Wochenende mitnehmen kann, ist auf jeden Fall dies: Sein künftiges Team jagt die Spitze. Neben Sieger Perez landete auch dessen Stallrivale Lance Stroll als Dritter auf dem Podest. Vettel darf sich auf 2021 freuen.
SPRUCH DES WOCHENENDES: "Ich habe schon vorher Siege verloren. Aber gleich zweimal in einem Rennen? Das war neu." (George Russell über seinen aufwühlenden ersten Auftritt im Mercedes.)