Das Formel-1-Reife(n)zeugnis des SID: Budapest

Das Formel-1-Reife(n)zeugnis des SID: Budapest
Budapest (SID) - LEWIS HAMILTON: Die Superlative gehen einem schnell aus, wenn man versucht, die Leistung des Weltmeisters treffend zu beschreiben. Hamilton wirkt entrückt, er thront über allen anderen Fahrern, von denen keiner auf Augenhöhe mit ihm ist. Auch nicht sein Teamkollege Valtteri Bottas, der trotz seines Auftaktsieges in Spielberg wohl kaum jemals über die Rolle des Wingman hinauskommen wird. Bottas macht Fehler, die Hamilton eben nicht macht. Wer vier Runden vor dem Ziel als Spitzenreiter zum Reifenwechsel an die Box kommt und sich dabei um den Sieg keine Sorgen machen muss, hat irgendwie etwas von einem Außerirdischen.
MERCEDES: Natürlich ist der Fahrer nur die halbe Wahrheit, um so dominant aufzutreten wie Lewis Hamilton, braucht es auch ein Auto, das dabei mitmacht. Der Mercedes ist so ein Auto, Motor, Aerodynamik, Reifenmanagement - der nachtschwarze Silberpfeil ist ein unschlagbares Gesamtpaket. Hinzu kommt eine überragende Boxenstrategie, Motorsportchef Toto Wolff, Technikguru James Allison und Hamiltons Renningenieur Peter Bonnington wecken Erinnerungen an Michael Schumachers legendäre Ferrari-Troika mit Teamchef Jean Todt, Technik-Mastermind Ross Brawn und Chefdesigner Rory Byrne.
SEBASTIAN VETTEL: Man muss den Hut ziehen vor dem viermaligen Weltmeister, den Ferrari so respektlos aufs Abstellgleis geschoben hat. Was Vettel aus einer kaum zu kontrollierenden Fehlkonstruktion auf vier Rädern rausholt, ist aller Ehren wert. Immerhin Platz sechs, trotz abbauender Reifen und einer bestenfalls bescheidenen Aerodynamik, fünf Plätze vor dem hochgelobten Jungstar Charles Leclerc, der in Ungarn eigentlich nur dadurch auffiel, dass er sich ständig über sein Auto beschwerte. Auch der Umstand, dass Vettel von Hamilton überrundet wurde, darf nicht als Demütigung verstanden werden, der Ferrari anno 2020 gibt einfach nicht das her, was die Tradition verspricht. Vettel darf sich glücklich schätzen, die Garagenband aus Maranello Ende des Jahres verlassen zu dürfen.
MAX VERSTAPPEN: Junge, Junge, Mad Max, da hat der ungestüme Holländer seinem Spitznamen mal wieder alle Ehre gemacht. Auf der Fahrt in die Startaufstellung schmiss er auf nasser Strecke sein Auto weg, der Red Bull landete in der Begrenzung und sah auf einmal ziemlich ramponiert aus. Verstappen rettete sich in den Startbereich, wo die Mechaniker seinen Dienstwagen in einer veritablen Hau-Ruck-Aktion wieder auf alle vier Räder stellten. Anschließend jagte Verstappen den führenden Hamilton, wehrte am Ende dessen Teamkollegen Bottas ab und freute sich wie Bolle über Platz zwei. "Ich bin ein Verstappen-Fan", sagt Red Bulls Motorsportchef Helmut Marko unverblümt. Vielleicht sollte sich Vettel gut überlegen, ob er tatsächlich zurück will.
RACING POINT: Das Team der Stunde. Platz drei und vier im Qualifying durch Lance Stroll und Sergio Perez, ein Protest von Renault gegen die Rechtmäßigkeit der Bremsbelüftung und mediales Dauerfeuer als möglicher neuer Arbeitgeber von Sebastian Vettel: Die Pink Panther können sich über mangelnde Aufmerksamkeit nicht beklagen. Sollte der Protest abgewiesen und die Autos als regelkonform bestätigt werden, wäre die Tür für Vettel weit geöffnet. Weichen müsste wohl Perez, der im Rennen auch nicht viel tat, um sich als unverzichtbar zu positionieren. Zudem ist es kaum vorstellbar, dass der milliardenschwere Teameigner Lawrence Stroll seinen überschaubar talentierten Sohn Lance opfern würde.
SPRÜCHE DES WOCHENENDES: "Nur weiterzumachen, um mir noch ein bisschen mehr Geld einzustecken, war nie meine Motivation." (Sebastian Vettel über seine Zukunftsplanung)
"Von mir aus kann es direkt weitergehen. Ich muss erstmal überlegen, was ich nächstes Wochenende machen soll." (Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff auf die Frage, ob er sich auf die einwöchige Pause nach dem Tripleheader freut)