Das Formel-1-Reife(n)zeugnis des SID: Kanada

Das Formel-1-Reife(n)zeugnis des SID: Kanada
Montréal (SID) - Der Sieg in Kanada, davon rückte der Ferrari-Star nicht ab, wurde ihm von der Jury gestohlen. Und damit das auch wirklich jeder versteht, verzichtete Vettel nicht auf die passende Symbolik. Im Parc ferme tauschte er kurzerhand die Schilder für die Plätze "1" und "2" aus. Alles klar?! Vettels Unmut war nachvollziehbar, die Entscheidung, ihn nach einer Beinahe-Kollision mit Lewis Hamilton mit einer Fünf-Sekunden-Zeitstrafe zu belegen, mindestens umstritten. So endete ein eigentlich gelungenes Wochenende, an dem er erstmals seit 17 Rennen wieder auf der Pole gestanden und im Rennen viel Kämpferherz gezeigt hatte, mit reichlich Frust und Wut. Die Chancen auf den ersehnten WM-Titel mit Ferrari werden immer geringer. 62 Punkte nach sieben Rennen sind eine mächtige Hypothek. Eine Wahrheit, die in der Debatte um Vettels Sanktionierung unterging, ist aber auch diese: Vettel hat sich unter dem großen Druck Hamiltons zu einem Fehler verleiten lassen, ohne den es gar nicht zur Schlüsselszene gekommen wäre.
LEWIS HAMILTON: So wird man Weltmeister. Es muss nicht immer eine Machtdemonstration sein. Der Brite war auf der Ferrari-Strecke in Kanada längst nicht fehlerfrei, am Freitag touchierte er im freien Training die Mauer und verschaffte seinen Mechanikern Überstunden, auch die Pole verpasste er. Dass er im siebten Saisonlauf dennoch zum fünften Mal siegte, lag am wesentlichsten Unterschied zu Vettel: Hamilton leistete sich keinen schwereren Patzer. Den des deutschen Rivalen hatte er hingegen selbst provoziert. Auf Hamilton warten im weiteren Verlauf Strecken, die Mercedes deutlich besser liegen werden als Kanada. Wer soll ihn stoppen?
VALTTERI BOTTAS: Vielleicht ja sein Teamkollege Valtteri Bottas. Der Finne ist immerhin WM-Zweiter, 29 Punkte Rückstand sind verglichen mit Vettel überschaubar. Mit einer Leistung wie in Kanada wird Bottas, der selbst Ansprüche auf den WM-Titel angemeldet hat, Hamilton aber nicht gefährlich werden. Kanada war eines von Bottas' schlechtesten Saisonrennen. Schon Rang sechs im Qualifying war eine herbe Enttäuschung. Als Vierter betrieb er immerhin noch etwas Schadensbegrenzung.
FERRARI: Und die Roten? Endlich schöpfte Ferrari sein Potenzial besser aus, das Team blieb ohne taktische Fehler und technische Probleme. Auf den langen Geraden war der SF90 allen anderen überlegen - einschließlich Mercedes. Die Scuderia muss die positiven Erkenntnisse mitnehmen und die gezeigte Stabilität beibehalten. Klar ist aber auch, dass die Schwächen im Kurvenverhalten behoben werden müssen. Ferrari hat noch viel Arbeit vor sich. Ein Anfang ist aber gemacht - auch ohne Sieg.
LANCE STROLL: Der Veranstalter gab sich redlich Mühe, Werbung für den einzigen kanadischen Piloten im Feld zu betreiben. Der 20-Jährige wurde zum Namenspatron einer Tribüne, die mit überdimensionalen "Lance Stroll"-Schriftzügen verkleidet war. Bei der Fahrerparade vor dem Rennen warf Stroll Basecaps ins Publikum, signierte Overalls der Streckenposten und war von all dem ziemlich begeistert. Und auch im Cockpit von Racing Point schlug er sich achtbar. Von Startplatz 17 landete Stroll auf Platz neun und in den Punkten. Auch das war gute Werbung.
SPRUCH DES WOCHENENDES: "Sie stehlen uns das Rennen!" (Sebastian Vettel nach Bekanntgabe der Fünf-Sekunden-Zeitstrafe)