Das SID-Kalenderblatt am 6. August: Gertrude Ederle durchschwimmt den Ärmelkanal
Das SID-Kalenderblatt am 6. August: Gertrude Ederle durchschwimmt den Ärmelkanal
Köln (SID) - Am 6. August 1926 durchschwamm die in New York geborene Tochter deutscher Auswanderer als erste Frau den Ärmelkanal. In Cap Gris-Nez, einer Landspitze an der französischen Kanalküste, ging sie an jenem Tag ins Wasser. 14 Stunden und 32 Minuten später stieg sie im Schatten der berühmten Kreidefelsen von Dover als Weltrekordhalterin aus den Fluten.
Gertrude Ederles Talent zeigte sich früh. Schon als kleines Kind wollte sie immer nur ins Wasser, keine Pfütze war vor ihr sicher, berichteten die Eltern Anna und Henry Ederle. Mit zwölf stellte "Trudy" bereits einen Weltrekord über 800 m auf, bei den Olympischen Spielen 1924 in Paris gewann sie mit der US-Freistilstaffel Gold, hinzu kamen zwei Bronzemedaillen im Einzel über 100 und 400 m Freistil.
Doch Ederles großes Ziel war nicht Olympia, es war der Ärmelkanal. Unbedingt wollte sie die Meerenge zwischen dem Festland und der britischen Insel als erste Frau durchqueren. Ein erster Versuch im Sommer 1925 scheiterte, weil ihr Trainer vom Begleitboot einen Helfer ins Wasser schickte, nachdem er irrtümlich einen Schwächeanfall bei Ederle vermutet hatte.
Am 6. August 1926 ging dann alles glatt. Mit einer Motorradbrille, die sie mit Parafin an ihrem Gesicht "festgeklebt" hatte, einer Badekappe und einem zweiteiligen Schwimmanzug stieg Ederle in den frühen Morgenstunden ins Wasser, immer wieder wurde sie von der Strömung abgetrieben, am Ende hatte sie 56 Kilometer zurückgelegt. Vor ihr hatten nur fünf Männer das Abenteuer gewagt und bestanden, den Weltrekord unterbot sie um mehr als zwei Stunden. Erst 24 Jahre später war eine Frau schneller als sie.
Bei ihrer Rückkehr nach New York wurde Ederle wie ein Popstar empfangen, eine Konfettiparade ihr zu Ehren lockte eine unübersehbare Menschenmenge in die Straßenschluchten von Manhattan. TV-Shows rissen sich um die "Königin der Wellen", die in ihrer Popularität zwischenzeitlich auf einer Stufe mit Baseball-Legende Babe Ruth und Flieger Charles Lindbergh stand.
Später spielte ihr das Leben nicht so gut mit. Ein angeborener Hörschaden wuchs sich durch das viele Salzwasser zu einer vollständigen Taubheit aus, das Training tauber Kinder wurde für Ederle fortan zur Herzensangelegenheit. Nach einem Unfall 1935 war sie fast gelähmt, kämpfte sich aber mit unbändiger Energie aus dem Rollstuhl zurück. Gertrude Ederle, die nie verheiratet war, starb 2003 im Alter von 98 Jahren in New Jersey.