Thomas Dreßen: Plötzlich deutsche Medaillenhoffnung
Thomas Dreßen: Plötzlich deutsche Medaillenhoffnung
Seit seinem Sieg in Kitzbühel ist Thomas Dreßen eine Medaillenhoffnung in der Abfahrt. Er aber geht das Olympiarennen an, als sei es nichts besonderes.
In den vergangenen Wochen ist Thomas Dreßen dermaßen schnell unterwegs gewesen, dass er sich selbst überholt hat. Am Ende dieses olympischen Winters, das war sein Ziel, wollte er wieder beim Weltcup-Finale dabei sein. Dort dürfen die 25 Besten jeder Disziplin an den Start gehen. Seit dem 21. Januar aber haben sich die Maßstäbe verschoben. Beim Saison-Kehraus im schwedischen Are wird Thomas Dreßen mitmachen dürfen, kein Zweifel. Aber vorher, und das hatte er selbst nicht erwartet, startet er als Medaillenanwärter bei Olympia.
"Grundsätzlich bin ich mit der Saison schon zufrieden, das kann man schon sagen", sagt Dreßen und grinst. Dieser sensationelle Sieg auf der Streif in Kitzbühel vor zweieinhalb Wochen hat ihm, ob er das nun will oder nicht, den Status einer Legende verschafft. Als Geheimfavorit auf die Olympia-Abfahrt am Sonntag geht er deswegen nicht mehr durch. Zumal: Die Strecke in Jeongseon, glaubt er, glauben auch die Trainer, sollte ihm ganz gut liegen. Dreßen aber - bleibt erst mal gelassen.
"Mit der Erwartungshaltung von außen beschäftige ich mich überhaupt nicht", sagt der 24 Jahre alte Mittenwalder. Er will diese olympische Abfahrt nicht noch größer machen, als sie ist - wohl keine andere Goldmedaille ist so prestigeträchtig. Dreßen betont deshalb: "Es ist und bleibt ein Skirennen." Heißt: Er wird, er muss es angehen, wie eine stinknormale Weltcup-Abfahrt. Sein Plan: "Ich will mich vom ersten Training bis zum Rennen so steigern, dass ich sagen kann: Das war das Maximum." Außer seiner Leistung, ergänzt er, könne er eh nichts beeinflussen.
Rückblick auf lange Entwicklung
Es ist außergewöhnlich, dass einer im Alter von 24 Jahren bereits Abfahrtsrennen gewinnt und ein Medaillenanwärter bei Olympia ist. Und es war auch erst mal nicht absehbar. Als Jugendlicher stand Dreßen sogar kurz davor, aus dem Kader des Bayerischen Skiverbandes geworfen zu werden. Es habe da ein paar Leute gegeben, sagt er, "die mich nicht mehr haben wollten - weil ich auch nicht wirklich erfolgreich war." Ein Trainer allerdings, der vertraute ihm - Dreßen durfte bleiben, die Leistungen wurden besser, der Aufstieg begann.
Besser zu werden, Schritt für Schritt vorwärts kommen, "so etwas", sagt Dreßen, "hast du ja selbst in der Hand." Und, betont er: "Es ist immer wichtig, auch als Athlet, dass man weiß, was man will." Er wusste das schon immer. Er ging in Österreich auf Schulen, wo Wintersportler gefördert werden, und er verlangte früh: Ich will Abfahrt fahren. Als vor vier Jahren Cheftrainer Mathias Berthold und Abfahrtstrainer Christian Schwaiger die Weltcup-Mannschaft übernahmen, sagte der Europacup-Fahrer Dreßen zu seinem Trainer: Sag denen, dass ich Abfahrer sein will.
Dreßen: "Muss sich immer neue Ziele setzen"
Ohne Berthold und Schwaiger, das bestätigt Dreßen, wäre er nicht da, wo er jetzt ist. Das Ziel der Trainer, ein am Boden liegendes Abfahrtsteam so weit zu bringen, dass es jetzt, vier Jahre später, in Pyeongchang um die Medaillen mitfahren kann, interessierte ihn aber zunächst nicht. Er hat lieber auf sich geschaut, hat daran gearbeitet, vorwärts zu kommen. Mit dem Fortschritt haben sich seine Ziele verändert. "Ich denke", sagt Dreßen, "man muss sich immer neue Ziele setzen und seine Ansprüche hochschrauben."
Sein Ziel, am Ende der Saison zum Weltcup-Finale zu fahren, mag er nicht aufgeben. Dass er am Sonntag eine Medaille, vielleicht sogar die goldene gewinnen kann, weiß er seit Kitzbühel. Dieser emotionale Sieg habe ihm Gewissheit verschafft, er sei dadurch ruhiger geworden, "weil ich weiß: Ich muss nichts anders machen - das, was ich tue, ist gut, wenn ich es runterbringe."
Alles andere, das ist ihm klar, kann er ohnehin nicht beeinflussen.