"Blair Witch": Ding Dong, die Hex' ist todlangweilig

In "Blair Witch" werden nach langer Zeit wieder die Black Hills Wälder Ort des Kino-Grauens. Mit 17 Jahren hat sich die Hexe allerdings zu viel Zeit gelassen.
Kolportierte 60.000 Dollar soll im Jahr 1999 der Independent-Film "The Blair Witch Project" gekostet haben. Durchaus glaubhaft, schließlich wackelten darin gänzlich unbekannte Schauspieler durch die gewollt schlechte Bildführung. Und auch auf Spezialeffekte verzichteten die Regisseure Daniel Myrick und Eduardo Sánchez fast gänzlich - das limitierte Budget sorgte dafür, dass der meiste Horror suggestiv bleiben musste. Doch bekanntlich erzeugt die menschliche Fantasie die grausamsten Monster und so wurde "The Blair Witch Project" zu einem gigantischen Erfolg, spielte weltweit fast eine viertel Milliarde Dollar ein. 17 Jahre später kommt nun mit "Blair Witch" ein nahezu identischer Film in die Kinos, der dennoch die meisten Tugenden des Vorgängers vermissen lässt.
Den Trailer zu "Blair Witch" können Sie sich bei Clipfish ansehen
Optimist durch und durch
Zwanzig Jahre sind vergangen, seit Heather Donahue und ihre Freunde in den Black Hills Wäldern verschwunden sind. Ihrem Bruder lässt ihr Schicksal aber keine Ruhe und als zwei Einheimische der Region behaupten, das Videotagebuch seiner verschollenen Schwester gefunden zu haben, macht sich James (James Allen McCune) auf, den düsteren Wald zu durchsuchen. Entgegen aller Logik hofft er, Heather nach all den Jahren dort doch noch lebendig anzutreffen.
Begleitet wird er dabei von seinen Freunden Peter und Ashley sowie der Filmstudentin Lisa (Callie Hernandez), die aus dem Abenteuer einen Abschlussfilm für ihr Studium machen will. Und auch die beiden Sonderlinge Talia und Lane wollen der Gruppe nur dann zeigen, wo genau sie im Wald die Videokassette gefunden haben, wenn sie Teil der Expedition sein dürfen. Glauben James und seine Freunde anfangs nicht an Lanes Gruselgeschichten, müssen sie schon bald am eigenen Leib erfahren, dass die Legende um die Hexe von Blair schreckliche Realität ist.
Sympathische Figuren
In seiner Exposition macht der Film noch sehr viel richtig. Zwar merkt man sämtlichen Schauspielern natürlich an, dass sie in ihrem Leben wohl keinen Oscar gewinnen werden. "Blair Witch" schafft es zu Beginn aber sehr gut, dem Zuschauer die enge Freundschaft der vier jungen Protagonisten nahezulegen und ihnen Tiefgang zu verleihen. Dadurch wird einem das Wohlbefinden von James, Lisa und Co. durchaus gekonnt ans Herz gelegt und so auch ihr Schicksal relevant - nicht die schlechteste Voraussetzung für einen Horror-Film. Eine zu hohe Anzahl an dümmlichen Entscheidungen später ist davon im Laufe des Films aber nichts mehr übrig.
Es hat sich einiges getan
Während der gesamten Laufzeit wird man das Gefühl nicht los, dass der Streifen gute 15 Jahre zu spät in den Startlöchern steht. 1999 war "Found Footage" noch kein so festgetretener Begriff im Film-Business und die PR der Indie-Produktion, das muss betont werden, war absolut meisterlich. Über wie viele Schulhöfe kursierte damals die Mär, die Videoaufnahmen seien echt und die Leute aus dem Film wirklich verschwunden? Schließlich habe man das in diesem Internet gelesen...
Doch inzwischen haben Filme wie "Cloverfield" oder die unzähligen "Paranormal Activity"-Teile das "Found Footage"-Segment regelrecht totgeritten und die nun erschienene Fortsetzung des damaligen Genre-Krösus' überflüssig gemacht. Es muss hoch angerechnet werden, dass man kurz nach dem unglaublichen Erfolg von "The Blair Witch Project" nicht jedes halbe Jahr von der Film-Industrie mit der Blair-Hexe konfrontiert wurde. Aber inzwischen ist nach 17 Jahren jede Innovation des Vorreiters von 1999 zur Konvention geworden - und "Blair Witch" somit über weite Strecken langweilig und vorhersehbar.
Falsche Stellschrauben angezogen
Auf der anderen Seite vernachlässigt der Film wichtige Tugenden seines Vorgängers. "The Blair Witch Project" lebte von seiner dokumentarischen Simplizität, die von manchem Zuschauer mit Authentizität verwechselt wurde. Bei "Blair Witch" hat nun jeder der Protagonisten eine Kopf-Kamera, ständig wird zwischen ihnen hin und her geschnitten. Zu keiner Zeit verliert der Zuschauer durch diese steten Kamerawechsel das Gefühl, einen Film zu betrachten. Dumm nur, wenn gerade die vermeintliche Echtheit des Gezeigten die Prämisse des Streifens sein soll. Aber daran glaubt ja schon lange niemand mehr. Seit ziemlich genau 17 Jahren...
Fazit:
"Blair Witch" bringt gerade zu Beginn und mit Abstrichen am Ende lichte Momente ins ewige Dunkel der Black Hills Wälder - Klaustrophobiker werden sofort wissen, welche Szene gemeint ist. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem "Found Footage"-Genre im Allgemeinen, und der "Blair Witch"-Reihe im Speziellen, die Luft ausgegangen ist. Befreit vom subtilen Grauen des Überraschungshits von 1999 wurde die Hexe von Blair auch jedweder Originalität beraubt.