"Bombshell - Das Ende des Schweigens": Der Untergang des Roger Ailes
"Bombshell - Das Ende des Schweigens" skizziert den langsamen Niedergang des TV-Produzenten Roger Ailes. Das Filmdrama bietet einen schockierenden Einblick in die Welt von Fox News und begeistert mit einer beeindruckenden Leistung der Maskenbildner - und drei fantastischen weiblichen Stars.
Es ist die Geschichte des Falls eines überaus erfolgreichen Mannes - und jener Frauen, die dafür gesorgt haben: Roger Ailes (1940-2017) steigt in den 1960er Jahren nach dem Studium bei einem regionalen Medienunternehmen ein, einige Jahre später wird er von Richard Nixons (1913-1994) Wahlkampfteam als Berater angeheuert. In den boomenden 90er Jahren wird der US-Amerikaner zunächst Präsident von CNBC und konzipiert dann für Medienmogul Rupert Murdoch (88) den Nachrichtensender Fox News, der zum erfolgreichsten seiner Art in den USA wird.
Es gibt nur ein gewaltiges Problem: Der erfolgreiche Roger Ailes ist ein Sexist und nutzt seine Machtposition schamlos aus, um von Frauen sexuelle Gefälligkeiten einzufordern, die bei seinem Sender Karriere machen wollen. "Bombshell - Das Ende des Schweigens" beschreibt Ailes langsamen, aber tiefen Fall, der 2016 damit begann, dass sich eine seiner Mitarbeiterinnen gegen ihn wandte.
Die Wahrheit kommt ans Licht: Darum geht es
Megyn Kelly (Charlize Theron, 44) ist das Aushängeschild von Fox News: blond, attraktiv, sexy. Schöne Beine sind bei dem konservativen Nachrichtensender gefragter als investigativer Journalismus. Als sich die Starmoderatorin vor laufenden Kameras mit Präsidentschaftsbewerber Donald Trump (73) anlegt, hat sie keine Rückendeckung von oben zu erwarten: Senderchef Roger Ailes (John Lithgow, 74) ist mit Trump befreundet, außerdem beschert der Krawallkandidat Fox News Topquoten - so auch mit seiner sexistischen Twitter-Kampagne gegen Megyn.
Kellys Kollegin Gretchen Carlson (Nicole Kidman, 52) weigert sich, noch länger die "TV-Barbie" zu geben. Daraufhin wird ihr Vertrag "wegen enttäuschender Einschaltquoten" nicht verlängert - während die ehrgeizige Redakteurin Kayla Pospisil (Margot Robbie, 29) nach einem Meeting hinter Roger Ailes' verschlossener Bürotür aufsteigt. Als Gretchen ihren langjährigen Boss wegen sexueller Belästigung verklagt, formiert sich bei Fox News sofort "Team Roger". Nur Megyn bleibt verdächtig neutral und auch Kayla schweigt.
John Lithgow gegen die geballte Frauenpower
Erfolg und Misserfolg von Filmen, die auf wahren Ereignissen beruhen, hängen zu einem beachtlichen Teil vom Können der Schauspieler ab. Sie stellen reale Personen dar und haben deshalb wenig Spielraum bezüglich ihrer eigenen Interpretation und Gestaltung der Figur.
Regisseur Jay Roach (62, "Trumbo") hat mit der Besetzung seines Films alles richtig gemacht: Roger Ailes wird mit all seinen Ecken und Kanten brillant von John Lithgow ("The Crown") verkörpert. So brillant, dass man glatt vergessen könnte, dass der arme Mr. Lithgow in Wahrheit gar nicht dasselbe schmierige Ekelpaket ist, das er auf der Leinwand verkörpert.
Ihm gegenüber stehen drei starke Frauen, die sich in Hollywood längst einen Namen gemacht haben, allen voran Charlize Theron ("Atomic Blonde"). Die gebürtige Südafrikanerin vermittelt Megyn Kellys inneren Zwiespalt, der entsteht, da sie ihrem Boss Ailes zwar ihre Karriere verdankt, aber gleichzeitig von ihm belästigt wurde und nach Gerechtigkeit strebt, so überzeugend, dass sie für ihre Leistung zu Recht mit einer Oscar-Nominierung bedacht wurde.
Komplettiert wird das weibliche Dreiergespann von Nicole Kidman ("Moulin Rouge") als Ex-Moderatorin Gretchen Carlson und Margot Robbie ("Suicide Squad"). Letztere erhielt für ihre Darstellung der einzigen fiktiven Figur des Films, der Redakteurin Kayla Pospisil, dieses Jahr ebenfalls eine Oscar-Nominierung ("Beste Nebendarstellerin").
Blick auf das ultrakonservative Amerika
Ihre Figur wurde stellvertretend für knapp 20 Personen konzipiert, die eine Stillschweigeerklärung des Senders Fox News unterzeichneten oder aus persönlichen Gründen nicht im Film genannt werden durften. Ihre fiktive Natur erlaubte es Drehbuchautor Charles Randolph (37, "The Big Short"), den Zuschauern einen Eindruck von der anderen Seite Amerikas zu verschaffen - zu der auch die ultrakonservativen "Fox News Jünger" gehören, deren Meinungen und Denkmuster häufig schwer nachzuvollziehen sind.
Kayla Pospisil repräsentiert auch diese Bevölkerungsgruppe. In ihrem Elternhaus brannte sich das Logo von Fox News quasi in den Fernsehbildschirm ein. Sie bezeichnet sich selbst als "evangelikaler Millennial", trägt brav ein goldenes Kreuz um den Hals, glaubt an Gott und die Republikanische Partei. Kurz gesagt: Kayla ist das perfekte Aushängeschild von Roger Ailes' konservativem Nachrichtensender.
Viele Stärken, ein Schwachpunkt: Fazit
"Bombshell - Das Ende des Schweigens" bietet einen verstörenden Einblick in die Welt von Fox News, in der unangebrachtes Verhalten so lange toleriert wird, bis es dem öffentlichen Image schadet. Das weckt unweigerlich Erinnerungen an die Vorgänge rund um den in Ungnade gefallenen, ehemaligen Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein (67). Regisseur Jay Roach schafft es mithilfe einer perfekt ausgewählten Besetzung, wahre Geschehnisse in einem gleichwohl unterhaltsamen wie schockierenden Handlungsstrang zu verpacken. Schade ist lediglich, dass Roach und sein Drehbuchautor das Thema ein wenig zu oberflächlich behandeln.
Besonderer Erwähnung bedarf die Leistung der Maskenbildner. Sie schafften es, das Aussehen von Charlize Theron mithilfe von Prothesen so stark zu verändern, dass sich der Zuschauer fragt, ob es sich wirklich um die Oscar-Gewinnerin handelt. Der Academy Award für das beste Make-up und die besten Frisuren, den Vivian Baker, Kazuhiro Tsuji und Anne Morgan am vergangenen Sonntag gewannen, ist also mehr als berechtigt.