"Tschick": Fatih Akin und das perfekte Roadmovie

Ein klappriger Lada und zwei 14-jährige Jungs: Regisseur Fatih Akin hat sich mit "Tschick" an seine erste Literaturverfilmung herangewagt. Eine Aufgabe, die er mit Bravour gemeistert hat.
2010 gelang dem Schriftsteller Wolfgang Herrndorf (1965-2013) ein unglaublicher Erfolg: Sein Coming-of-Age-Roman "Tschick" hielt sich über ein Jahr in den Bestseller-Listen, wurde über zwei Millionen Mal verkauft und mit zahlreichen Preisen überhäuft. Der Roman wurde in über 25 Ländern veröffentlicht und zählt heute als Schullektüre zum festen Inventar im Deutschunterricht. Sechs Jahre nach der Veröffentlichung kommt nun die Roman-Adaption unter der Regie von Filmemacher Fatih Akin in die Kinos - und dieser hat seine Sache wirklich gut gemacht.
Maik Klingenberg (Tristan Göbel) ist 14 Jahre alt, schüchtern und ein Außenseiter. Seine Mutter (Anja Schneider) ist Alkoholikerin und verbringt den Sommer wie jedes Jahr in der Entzugsklinik, auch "Beautyfarm" genannt. Maiks Vater (Uwe Bohm) geht derweil mit seiner jungen Assistentin auf Geschäftsreise. Maik bleibt mit 200 Euro, dem elterlichen Pool und den Gedanken an seinen Schulschwarm Tatjana Cosic (Aniya Wendel) allein zurück. Doch dann taucht plötzlich sein Klassenkamerad Tschick (Anand Batbileg), eigentlich Andrej Tschichatschow, mit einem geklauten, hellblauen Lada auf - und Maik erlebt den besten Sommer seines Lebens.
"Geiler Film" würde Protagonist Tschick wohl sagen, nachdem er sich den Film angesehen hätte. Denn Fatih Akin ist mit der Verfilmung von Herrndorfs Roman etwas gelungen, das nur wenige Literaturverfilmungen von sich behaupten können.
Soundtrack gut, alles gut
Zusammen mit Drehbuchautor Lars Hubrich hat er es geschafft, Herrndorfs Erfolgsroman wirklich treu und nahe zu bleiben und dem Roadtrip-Movie trotzdem etwas Eigenes und Neues zu verleihen, sei es durch die farbliche Gestaltung des Films oder den wirklich herausragenden Soundtrack - von den Beginnern über KIZ feat. Henning von AnnenMayKantereit bis hin zum Stereolab-Cover von den Beatsteaks und Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow. Also nicht nur "geiler Film", sondern auch "geile Musik".
Akin hat es definitiv geschafft, den Charme der Buchvorlage auf die Leinwand zu transportieren. Und dass der Film in seiner Gesamtheit so authentisch wirkt, liegt nicht zuletzt an der Wahl der beiden Hauptdarsteller Tristan Göbel als Maik und Newcomer Anand Batbileg als Tschick - beide waren während der Dreharbeiten 13 Jahre alt. "Ich wollte junge Gesichter, die sollten nicht hinter das Steuer passen. Man sollte ihnen glauben, dass sie ständig Angst hatten, entdeckt zu werden", so der Regisseur.
Doch Tschick und Maik treibt auf ihrem Roadtrip ohne Karte und Kompass durch die sommerliche ostdeutsche Provinz nicht nur die Angst vor der Polizei voran. "Tschick" ist ebenso wie die preisgekrönte Romanvorlage ein waschechter Coming-of-Age-Film geworden, an dessen Ende der schüchterne und unbeachtete Außenseiter Maik als Held in seinen Alltag zurückkehrt.
Fazit
Wenn man möchte, könnte man "Tschick" als eine der besten Literaturverfilmungen der letzten Jahre bezeichnen. Klar fehlt die ein oder andere Szene aus dem Buch und vielleicht sehen Tristan Göbel und Anand Batbileg nicht wirklich so aus, wie man sich Maik und Tschick beim Lesen des Buchs optisch vorgestellt hat - doch wer sich frei macht von seiner eigenen, festgefahrenen Vorstellung, der wird nach dem Kinobesuch von Fatih Akins neuem Film wirklich zufrieden sein. Und Lust auf einen spätsommerlichen Roadtrip haben. In einem klapprigen Lada - ohne Plan und ohne Kompass.