Günther Sigl von der Spider Murphy Gang: "Wenn das Leben heute rum ist, sage ich ..."

Über die Frage, ob er in seinem Alter nicht langsam mal kürzertreten wolle, kann Günther Sigl nur lachen. Für den 78-Jährigen sind die Konzerte mit seiner 1977 gegründeten Spider Murphy Gang weiterhin nicht aus dem Leben wegzudenken. Neue Alben gibt es schon seit Längerem nicht mehr, doch mit ihren regelmäßigen Tourneen (neue Termine im Sommer und Herbst 2025) bleibt die Gruppe auch Jahrzehnte nach ihren großen Hits in aller Munde. Anstelle eines exzessiven Rock'n'Roll-Lifestyles setzt Günther Sigl auf Bewegung an der frischen Luft und Apfelschorle. Am liebsten natürlich mit der alten Band. Für ihn selbst war Musik stets ein Jungbrunnen, wohingegen der Schlagzeuger Franz Trojan tragisch an den Verlockungen des Showgeschäfts zugrunde ging. Auch das gehört zur Geschichte der Spider Murphy Gang, über die Günther Sigl im Interview offen spricht.
teleschau: In zwei Jahren feiert die Spider Murphy Gang ihr 50-Jahre-Jubiläum. Im Gegensatz zu vielen anderen Bands von damals standen Sie während all der Zeit quasi durchgehend auf der Bühne, ohne irgendwelche Trennungen oder Comebacks ...
Günther Sigl: Wir haben 1977 angefangen, und es gab nie eine große Pause. Nur Corona, da waren wir für neun Monate außer Gefecht. Aber sonst haben wir immer gespielt. Wir machen nicht mehr die großen Konzertreisen, wo man sechs Wochen am Stück unterwegs ist. Aber wir sind jetzt im Sommer auch jedes Wochenende zwei, dreimal unterwegs auf der Bühne und dann unter der Woche meistens wieder daheim, um uns zu erholen. Mir gefällt dieser Wechsel ganz gut. Das gilt auch für die Bandkollegen. Das sind ja alles Musiker, die immer live gespielt haben. Das gehört zu unserem Leben wie die Luft zum Atmen.
teleschau: Wie erinnern Sie sich an Ihre musikalischen Anfänge?
Sigl: Ich habe mit 15 Jahren angefangen, Gitarre zu spielen. Die erste Gitarre habe ich von meinem Vater gesponsert bekommen. Seitdem war ich fasziniert von der Musik. Dann haben wir mit einem Spezl eine Beat-Band aufgemacht. 1971 hängte ich meinen Bankkaufmann dann an den Nagel, weil ich Profi-Musiker werden wollte. Am Anfang war das nicht so einfach, da hatten wir nicht so viele Engagements, und man hat Jobs annehmen müssen. Ich habe bei Levi Strauss Jeans im Auslieferungslager einsortiert und die Münchner Geschäfte beliefert. Dann spielten wir über eine Agentur, die uns vermittelte, in den 70-ern jedes Wochenende in den Clubs der amerikanischen Kasernen.
teleschau: Da haben Sie bestimmt einiges erlebt ...
Sigl: Wir waren im ganzen süddeutschen Raum unterwegs, das war eine super Zeit. Und dann ging es los mit der Spider Murphy Gang. Wir dachten uns: In den Ami-Clubs spielen wir ja immer wie im Ausland, wir müssen auch mal in München ein bisschen berühmt werden - der Rest ist bekannt. Und ich könnte mir nichts anderes vorstellen.
Frühe Erkenntnis: "Rock'n'Roll und Bairisch, das geht ganz gut zusammen"
teleschau: Der Radiomoderator Georg Kostya hat die Spider Murphy Gang in einer Schwabinger Kneipe quasi entdeckt und immer wieder in den Bayerischen Rundfunk eingeladen, um die Band der Jugend nahezubringen. Von ihm war die Idee, im Dialekt zu singen - der entscheidende Baustein für den Erfolg?
Sigl: Es war die Erfolgsidee schlechthin, da sagen wir immer noch Danke an den Schorschi. Wir probierten auch englischsprachige Songs, aber da greift man auf Klischees zurück, was man so kennt von anderen Stücken. Da hatte ich schon begriffen: Rock'n'Roll und Bairisch, das geht ganz gut zusammen. Da ist man doch anders daheim und kann ganz andere Geschichten erzählen. "Mit'n Frosch im Hois und Schwammerl in de Knia" - wie sollte man das auf Englisch machen! (lacht)
teleschau: Mit dem Schlagzeuger Franz Trojan verloren Sie vor ein paar Jahren auf tragische Weise ein Gründungsmitglied. Bereits 1992 stieg er aus der Band aus, 2021 ist er gestorben. Seine Probleme waren bekannt ...
Sigl: Er war alkoholkrank, hat darüber auch ein Buch veröffentlicht. Der hat schon eine schwierige Kindheit gehabt und ist in Kulmbach praktisch in einer Wirtschaft aufgewachsen. Er war eigentlich ein guter Kerl, aber wenn er getrunken hat, wurde er wirklich ekelhaft. Das war wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde. 1992 ist er ausgeschieden, weil es nicht mehr ging. Er konnte aufgrund seines Alkoholkonsums nicht mehr vernünftig Schlagzeug spielen, dann haben wir einen neuen Drummer bekommen.
teleschau: Wie ging es Ihnen, als Sie von seinem Tod im September 2021 erfuhren? Fragt man sich in so einem Moment, ob man ihm irgendwie mehr hätte helfen können?
Sigl: Natürlich machst du dir Gedanken. Aber Alkoholkranke haben ihre eigene Geschichte, da kann man nichts tun. Mit Geld kann man ihn nicht unterstützen, das wird dann in Alkohol umgesetzt. Es ist wie mit einem Drogenabhängigen. Da kann man immer wieder sagen "Lass es", aber es hilft nichts. Manche Leute gehen dann auf einen Entzug. Das erste Mal, das zweite, dritte Mal, und immer wieder kommt dann ein Rückfall ...
"Dankeschön, schön war's, habe die Ehre!"
teleschau: Das Musikbusiness bringt allgemein viele Verlockungen mit sich, die zum Absturz führen können ...
Sigl: Wenn einer raucht und trinkt, dann kommt schnell mal Koks dazu. Und gerade wenn man Erfolg hat, wird einem alles zugetragen - ob das Rauschgift ist, in allen möglichen Formen, was halt gerade aktuell ist, oder das freizügige Leben ... Frauen. Da ist man schon gefährdet.
teleschau: Sie selbst waren nie ernsthaft gefährdet, in diesen Lifestyle abzudriften?
Sigl: Der Franz war ja zehn, elf Jahre jünger als ich. 1981 habe ich schon geheiratet und Familie gehabt. Da war ich nicht gefährdet. Auch dadurch, dass ich nie geraucht habe. Rauchen war ja immer der Einstieg, erst mal mit Marihuana oder Haschisch. Damals rauchten ja alle. Aber mir wurde schlecht nach der ersten Zigarette, und ich habe auch nie getrunken. Ich vertrage das nicht. Aber die Gefahr ist schon da. Der Spruch stimmt: Rock'n'Roll macht keine Gefangenen. Janis Joplin, Jimi Hendrix, alle jung gestorben. Im Tourleben ist man immer auf der Überholspur. Für manche ein Teufelskreis: immer noch etwas reinpfeifen, damit man fit ist und leistungsfähig - dann kann man nicht schlafen und braucht dafür wieder Mittel, das ist ein tödlicher Kreislauf. Wenn man da kein gefestigtes Zuhause hat und immer nur unterwegs ist, ist die Verführung überall, rechts und links, oben und unten.
teleschau: Sie sind im Februar 78 geworden und wirken nach wie vor sehr fit. Ist die Musik für Sie so etwas wie ein Jungbrunnen?
Sigl: Die Leute fragen mich, ob ich nicht langsam mal ein bisschen kürzertreten will, aber daheim herumsitzen ist nicht meins. Ich fühle mich am wohlsten, wenn es wieder auf die Bühne rausgeht. Die Konzerte spornen mich eher an und geben mir Energie. Natürlich bin ich nicht mehr 20. Ich brauche meine Erholungspausen. Aber ich bin fit, drehe jeden Tag meine Runden.
teleschau: Sie wirken sehr zufrieden mit Ihrem Leben.
Sigl: Ich hatte eine schöne Kindheit und Jugendzeit, eigentlich war mein ganzes Leben schön. Besser geht's fast nicht. Wenn es heute rum ist, sage ich: Dankeschön, schön war's, habe die Ehre!