"Mit Shitstorms kann ich leben": Wie Hannes Jaenicke mit TV-Film-Drehs seine wahre Leidenschaft finanziert

Obwohl er Ende Februar 65 Jahre alt wurde, fährt Hannes Jaenicke unter Voll-Last. Und sein Alter sieht man dem durchtrainierten Ausnahmeschauspieler, der mit Filmen wie den Götz-George-Thriller "Abwärts", aber dann vor allem mit "Die Sieger" oder "Knockin' on Heaven's Door" berühmt wurde, natürlich nicht an. Der Deutsch-Amerikaner, dessen Haus in Kalifornien bei den schlimmen Bränden zuletzt zerstört wurde, widmet seine ganze Energie visionären Naturschutzprojekten. Jaenicke, selbst Mitglieder der Grünen, setzt auf einen ganz eigenen Weg, seine Verbesserungsvorschläge populär zu machen. Er dreht Filme, die eine Mission haben. Oder solche, die ihm Luft für weitere Arbeiten geben. Aktuell ist er mit zwei neuen ARD-Krimis der "Amsterdam Krimi"-Reihe (Donnerstag, 8. und 15. Mai, 20.15 Uhr) und mit drei neuen Folgen der ZDF-Therapeuten-Romanze "Dr. Nice" (ab Sonntag, 11. Mai, 20.15 Uhr) zu sehen.
teleschau: Herr Jaenicke, aktuell drehen Sie in Indonesien für eine sicher wieder aufwühlende neue Ausgabe Ihrer Naturdoku-Reihe "Im Einsatz für ...", die im September läuft. Diesmal geht es Ihnen um sehr besondere Meerestiere: Oktopusse sind eigentlich gar nicht so geschmeidig als Hauptdarsteller für eine Doku, oder?
Hannes Jaenicke: Es gibt zwei Camps. Die einen sagen: Der Oktopus ist mein Lieblingstier. Sie haben zu Hause Kissen und anderes Dekor in Oktopus-Form herumliegen. Und es gibt ein Feindlager, das das Tier eklig findet. Wir nehmen das Tier als Beispiel, weil es perfekt für das Thema Überfischung und Meeresverschmutzung steht. Und weil es ein beliebtes Speisetier ist, das leider immer noch als Delikatesse gilt. Es gibt aktuell sogar Bestrebungen, das sogar noch zu intensivieren: Ein großer spanischer Fischkonzern will Oktopusse im großen Stil in Becken auf den Kanaren züchten - ähnlich wie bei Lachsfarmen. Und natürlich wäre das eine neue Form der Qualzucht.
teleschau: Was fasziniert Sie an den Tieren?
Hannes Jaenicke: Wir reden über ein hochintelligentes, weitgehend unerforschtes Wesen. Oktopusse haben in jedem Arm ein Gehirn. Sie lernen schnell und benutzen Werkzeug. Nach dem zweiten Besuch als Taucher fangen sie an, dich zu verarschen. Sie erkennen dich wieder und spielen auch mit dir.
"Es geht darum zu würdigen, was wirklich wichtig ist - die eigene Lebensgrundlage"
teleschau: Nicht wenige Menschen halte die Tiere trotzdem für gruselig.
Hannes Jaenicke: Die lustigsten Oktopusse sind nicht viel größer als ein paar Zentimeter. Der berühmte Mimikry-Oktopus würde auf dem Tisch hier vor mir sofort die Farbe der Tischplatte annehmen. Auf meinem Pullover wäre er schwarz. Und dort auf der Hose wäre er grün - alles in Bruchteilen von Sekunden. Wir haben mit viel Spaß mit dem Kokosnuss-Oktopus gedreht. Der versteckt sich gern. Unser Exemplar zog sich immer wieder sehr clever in Requisiten zurück, mal Muscheln, mal Kokosnuss-Schalen. Leider sind solche Verstecke im Meer immer öfter Plastikflaschen. Über den Oktopus kann man viel über unser zerstörerisches Konsumverhalten erzählen.
teleschau: Verraten Sie doch mal ein bisschen mehr - auch vom Tauch-Dreh.
Hannes Jaenicke: Wir drehen den Wildlife-Teil der Dokumentation an unterschiedlichen Locations, zum Beispiel auf Krk, der kroatischen Insel. Da treffe ich einen berühmten Oktopusforscher, der Tiere, die in freier Wildbahnen leben, untersucht. Er züchtet sie aber auch im Becken. Und dann drehen wir bei Seenomaden, Bajos genannt. Die gibt es in Indonesien, Thailand, Malaysia und in den Philippinen. Das sind Menschen, die seit Jahrtausenden auf dem Wasser leben.
teleschau: Wie muss man sich so einen Alltag auf den Wellen vorstellen?
Hannes Jaenicke: Früher lebten sie auf über Taue miteinander verbundenen Schiffen, jetzt aber auch auf Pfahlbauten. Diese Seenomaden teilen ihre Fischereigebiete in Zonen auf. So schließen sie immer wieder zwei Zonen für das Fischen, damit sich der Oktopusbestand dort erholen kann. In der Zwischenzeit fischen sie nur in den anderen Zonen. Diese Fischer wirtschaften so, wie wir eigentlich alle fischen müssten - nämlich nachhaltig. Interessanterweise essen sie den Oktopus-Fang gar nicht selber, die verkaufen alles in die EU.
teleschau: Was kann man da lernen?
Hannes Jaenicke: Es geht darum zu würdigen, was wirklich wichtig ist - die eigene Lebensgrundlage. Früher wurde in diesen Gegenden auch mit Dynamit gefischt. So haben sich die Fischer natürlich selbst in ihrer Existenz gefährdet. Nach und nach hat sich dann die nachhaltige Fischereiform durchgesetzt. Wir haben noch an einem zweiten Ort gedreht: in Lembe. Das ist in der Nähe von Manado, nördliches Sulawesi. Dort befindet sich eine Meeresstraße, in der sich viele von diesen lustigen Oktopusarten tummeln.
"Können ja nicht wochenlang einfach so auf der Lauer liegen, bis was passiert"
teleschau: Sie gehen auch mit ins Wasser, oder?
Hannes Jaenicke: Natürlich! Wir sind immer zu viert unterwegs - mein Produktionspartner und Kameramann Markus Strobel, die Regisseurin Eva Gfirtner und ein Kollege für Sound und Drohnenflüge.
teleschau: Drehen mit Tieren ist schon schwierig. Aber dann auch noch unter Wasser. Ein besonderer Nervenkitzel?
Hannes Jaenicke: Na klar. Wir haben mal einen Film über Delfine gemacht. Am ersten Tag: kein Delfin. Zweiter Drehtag: ein Delfin. Dritter Drehtag: fünf Delfine. Vierter Drehtag: 20 Delfine. Nach einer Woche waren wir mit 80 Delfinen schwimmen. Wir hatten unverschämtes Glück. Aber darauf verlassen kann man sich natürlich nicht.
teleschau: Wie kann man trotzdem planen?
Hannes Jaenicke: Gute Vorab-Recherche! Wir können ja nicht wochenlang einfach so auf der Lauer liegen, bis was passiert - wie das die BBC in ihren Naturfilmen machen kann. Die hat gerade einen Film über den sehr seltenen False Killer Whale gedreht. Die Filmemacher haben Monate gebraucht, um am Schluss fünf Tiere vor die Kamera zu kriegen. Im Making-of sieht man, wie die Beteiligten fast verzweifeln. So viel Zeit und Geld haben wir nicht. Wir arbeiten mit einem Budget im niedrigen sechsstelligen Bereich, die BBC mit zweistelligen Millionen-Beträgen.
teleschau: Wie organisieren Sie Ihren Alltag rund um solche Doku-Produktionen: Wie stellen Sie Ihren Jahresplan zusammen?
Hannes Jaenicke: Also: Erst einmal erstellt man ein geschriebenes Drehbuch, das reichen wir beim ZDF ein. Dann wird das durchgewunken - oder auch nicht. Danach werden das Budget diskutiert und die Locations geplant. Und irgendwann geht's los. Bei den fiktionalen Filmen ist das oft komplizierter.
"Sobald die Quote vorliegt und im Rahmen liegt, wird entschieden, wann wir weiterdrehen."
teleschau: Warum?
Hannes Jaenicke: Wir warten jetzt beispielsweise auf die "Amsterdam Krimi"-Ausstrahlung im Mai ("Der Amsterdam-Krimi: Der falsche Tote" läuft am Donnerstag, 8. Mai, 20.15 Uhr im Ersten, "Der Amsterdam-Krimi: Die letzte Zeugin" ist am 15. Mai, zu sehen, d. Red.). Sobald die Quote vorliegt und im Rahmen liegt, wird entschieden, wann wir weiterdrehen. Wenn sie richtig gut ist, drehen wir wahrscheinlich noch im kommenden Winter. Wenn nicht, wird der "Amsterdam Krimi" entweder verschoben oder abgesetzt. Erst dann weiß ich, ob ich den Winter für diese fiktionale Arbeit blocken muss oder andere Sachen planen kann.
teleschau: Anderes geht dann nicht?
Hannes Jaenicke: Eigentlich nicht. Ich kriege mal ein, zwei Drehtage woanders unter. Ich habe eine lustige Gastrolle bei "Dr. Nice", das geht sich gerade so aus zwischen den Amsterdam-Drehs.
teleschau: Wie läuft das dann ab?
Hannes Jaenicke: Dann fahre ich zwischendurch irgendwie von Amsterdam nach Flensburg, was nah klingt, aber eine ziemliche Weltreise ist mit der Bahn.
teleschau: Noch einmal zur ZDF-Dokureihe: Gibt es eine Exotikquote für die Tierarten?
Hannes Jaenicke: Die läuft ja jetzt schon seit knapp 20 Jahren. Angefangen haben wir mit Exoten. Es ging um Orang-Utans, Elefantenwilderei, die Jagd auf Nashörner, Löwen. Dann habe ich mich gefragt: Warum zeigen wir eigentlich immer auf Missstände in der sogenannten Dritten Welt?
"Bei uns liegt die Quote an bedrohten Tierarten zum Teil höher als in Asien und Afrika"
teleschau: Und?
Hannes Jaenicke: Bei uns liegt die Quote an bedrohten Tierarten zum Teil höher als in Asien und Afrika. Darüber redet aber kaum jemand. Die meisten Menschen haben den Biodiversitätsverlust nicht auf dem Schirm. Das Thema ist hochbrisant und damit filmisch sehr interessant. Wenn wir keine Insekten mehr haben, gibt es keine Bestäubung mehr. Wenn wir keine Regenwürmer haben, gibt es keinen Humus mehr. Warum gibt es in unseren Breiten immer weniger Mücken? Was passiert dann mit den Schwalben, Mauerseglern? Das hat immer mit der industriellen Landwirtschaft, Chemie-Dünger und Pestiziden zu tun. Früher war der Himmel voll mit Schwalben und Mauerseglern. Man konnte an ihnen sehen: Wie wird das Wetter? Auch musste man beim Fahren auf der Autobahn rregelmäßig die Windschutzscheibe putzen. Heute: kaum mehr Insekten auf der Scheibe. Man nennt den Einsatz dieser Pestizide 'Pflanzenschutz'.
teleschau: Selbst Spatzen sieht man kaum mehr.
Hannes Jaenicke: Allerdings: Die sterben auf dem Land aus und überleben nur noch in der Stadt. Vögel, die nicht wandern, wie Amseln, haben bei uns noch die besten Karten. Mittlerweile fliegen nicht mehr mal über Winter die Störche weg. In Süddeutschland gibt es jetzt mehrere Nester, die sind das ganze Jahr über besetzt.
teleschau: Sind Ihre Naturdokus für Sie Formate, mit dem man im besten Fall auch etwas bewegen, verändern kann?
Hannes Jaenicke: Das ist der Grund, warum ich das mache. Ich mache das ja nicht, weil ich mich langweile. Und finanziell betrachtet rechnen sich Dokus sowieso nicht. Es ist sowohl für meine Partner als auch für mich ein Leidenschaftsprojekt. Wir machen das, weil wir ab und zu mal was auf die Beine stellen wollen, was echt was bewegt. Und manchmal funktioniert das ja auch. Ein Beispiel war unser Film über Lachsfarmen. Er lief an einem Dienstagabend um 22.15 Uhr im ZDF. Am nächsten Tag war der Aktienkurs der vier größten norwegischen Lachsanbieter um 11 bis 13 Prozent abgestürzt. In dem Bioladen, in dem ich zu Hause einkaufe, gab es vorher vier Sorten Biolachs. Jetzt sind es nur noch zwei. Auch der Bodenfilm hat für Aufregung gesorgt. Oder die Doku über Schweine und Massentierhaltung: Da gab es teilweise heftige Reaktionen, vor allem seitens der Agrar-Lobby.
teleschau: Wie nahe kommt die Kritik an Sie heran?
Hannes Jaenicke: Mit Shitstorms kann ich leben. Ich weiß dann: Da haben wir jetzt mal das richtige Thema aufgegriffen. Die Bauern wissen genau, was sie mit den Böden veranstalten. Es gibt zwei Sorten Bauern.
teleschau: Wie teilen Sie die ein?
Hannes Jaenicke: Die einen sagen: Ohne Glyphosat geht es nicht. Die anderen sagen: Wir machen die Böden kaputt. Und deswegen gibt es großartige, engagierte Bauern, oft Biolandwirte, und die anderen, die mit der Chemie-Keule arbeiten. Vor einiger Zeit haben wir im Burgenland in Österreich gedreht - auf einem Weinberg. Mitten durch den Hang zog sich eine Grenze. Die eine Seite wurde konventionell bewirtschaftet. Dort waren chemische Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger im Einsatz. Daneben wirtschaftete ein Biowinzer. Bei ihm wuchs Unkraut, da waren Insekten, es brummte und summte, alles war grün und bewachsen. Und die andere Seite sah aus wie eine Wüste mit Granulat-Beschichtung, das war der Kunstdünger.
teleschau: Und warum entscheiden sie sich für jeweils ihren Weg?
Hannes Jaenicke: Man muss sie großenteils entschuldigen: Der Preisdruck auf die Bauern seitens der Lebensmittelindustrie ist brutal. Zu den Winzern beispielsweise kommen all die Lidls, Aldis, Rewes, Edekas - mit genau einer Frage: Was kostet eure Flasche Wein? Beim Nachbarwinzer kostet sie einen Cent weniger! Da werden Preise gedrückt, bis viele Bauern aufgeben und nur noch Großbetriebe überleben. Es ist natürlich mit Glyphosat einfacher, billig zu produzieren. Aber eben auch ungesünder. Das hat mit einer völlig absurden Subventionspolitik zu tun.
"Das viel beklagte Höfesterben ist gewollt"
teleschau: Wie muss man das verstehen?
Hannes Jaenicke: Bauern werden nach Hektarfläche und Betriebsgröße subventioniert. Es geht nicht nach der Qualität der Lebensmittel, sondern nach Größe deines Betriebes. Und das viel beklagte Höfesterben ist gewollt.
teleschau: Steile These.
Hannes Jaenicke: Je mehr kleine Bauern aufgeben, desto größer werden die Großbauern. Je mehr Fläche einer hat, desto mehr Subventionen kann er kassieren. Das Subventionssystem gehört auf den Prüfstand.
teleschau: Wie groß ist denn Ihre Sorge, dass sich in Zeiten, in denen viele Menschen die Weltlage mit Sorge sehen, die Reihenfolge der Themen wieder verschiebt? Viele sagen: Umweltengagement ist was für die guten Zeiten, wenn man es sich leisten kann.
Hannes Jaenicke: Das ist verständlich. Und sehr dumm. Schon in der Finanzkrise 2008, hieß es aus der deutschen Regierung: Umweltschutz muss sich jetzt mal hinten anstellen. Jetzt kommt Friedrich Merz und sagt: Wir haben den Ukraine-Krieg und Trump, und das muss jetzt alles hinten anstehen.
teleschau: Wie halten Sie da dagegen?
Hannes Jaenicke: Es geht um das Nest, in dem wir leben, unsere Lebensgrundlagen. Jeder Meteorologe bei der Münchner Rück, bei der Swiss Re, im Institut für Klimaforschung in Potsdam, kann ziemlich präzise vorrechnen, wie viel teurer es wird, jetzt nichts zu investieren - etwa in den Waldschutz. Wir müssen jetzt vorbauen. Das nicht zu tun, wäre extrem kurzsichtig. Wenn ein Boden erst mal kaputt ist, wenn eine Tierart ausgestorben ist, wenn ein Habitat mal zerstört ist, wie willst du das rückgängig machen? Warum kommen denn so viele Flüchtlinge aus der Sub-Sahara-Zone? Weil sie keine Ernten mehr einfahren.
teleschau: Sie sind ja selbst Mitglied der Grünen. Wie sehr juckt Sie es, vielleicht noch die Seiten zu wechseln?
Hannes Jaenicke: Das werde ich ganz bestimmt nicht machen.
"Ich bewege mit meinen Dokus mehr, als wenn ich mich in Partei-Gremien herumschlage"
teleschau: Warum?
Hannes Jaenicke: Ich bewege mit meinen Dokus mehr, als wenn ich mich in Partei-Gremien herumschlage. Ich muss mir nur die Koalitionsverhandlungen anschauen. Das ist ja wahnsinnig. Da wird monatelang verhandelt für schlechte Kompromisse. In der Zeit kann ich Dokus drehen und Vorträge halten. Und mit meiner kleinen Stiftung, der Pelorus Jack Foundation, bewege ich mehr als mit Politik.
teleschau: Sie könnten ja auch die Füße hochlegen und einem lustigen Hobby nachgehen.
Hannes Jaenicke: Ich habe Gott sei Dank Spaß an der Arbeit. Ich habe mir einen Job gesucht, den ich nicht mal als Arbeit bezeichnen würde. Meine Mutter hatte immer gesagt: Such dir einen Beruf, der dir Spaß macht. Das hat zum Glück geklappt.
teleschau: Trotzdem, ein paar Brötchen muss man verdienen. Geben Ihnen dann große fiktionale Sache wie die "Amsterdam"-Reihe die nötige Luft für andere Projekte?
Hannes Jaenicke: Damit zahle ich meine Miete. Und der "Amsterdam-Krimi" ist mein absolutes Herzensprojekt, ich liebe diese Reihe. Ich drehe für mein Leben gern in Amsterdam, habe dort ein fantastisches Team. Und eine Produzentin und Redaktion, die wirklich versuchen, das deutsche Krimi-Klischee zu knacken.
"Der 'Amsterdam Krimi' ist mein absolutes Herzensprojekt"
teleschau: Wie meinen Sie das?
Hannes Jaenicke: Wir machen ja eben nicht Filme nach dem Muster: Zwei Bullen finden eine Leiche und fragen dann: Wer war das? Es gibt für meinen Geschmack genug gute "Tatorte", wir müssen uns ja auch mal was Neues ausdenken.
teleschau: Wie mächtig oder wie erfolgreich muss man sein können, um da auch mal die Hand zu heben und zu sagen: Das ist doch ein Klischee.
Hannes Jaenicke: Die meisten Schauspieler, die ich kenne, machen das. Sie kämpfen für gute Bücher. Aber wir sind leider kein Land mit einer ausgeprägten Schreibkultur. Wir haben zwischen 1933 und 1945 die meisten großen Talente entweder ins Ausland verjagt oder vergast. Hollywood wurde groß gemacht von deutschen, österreichischen, osteuropäischen Juden. Von diesem Verlust haben wir uns hierzulande nie erholt. Beim "Amsterdam-Krimi" wird lange an den Büchern gearbeitet - und intensiv diskutiert. Ich habe zum Glück eine Produzentin, Barbara Thielen, die diesen Weg mitgeht. Wenn man sich die Filme ansieht, dürfte man merken, dass beim Amsterdam-Krimi nicht gepfuscht, sondern gerackert und gekämpft wird.
teleschau: Noch ein Wort zu Ihrer Serie "Dr. Nice".
Hannes Jaenicke: Großer Spaß.
teleschau: Warum?
Hannes Jaenicke: Ich spiele den Psychiater eines Arztes, der Pillen frisst. Und der aufgrund eines Unfalls eigentlich seinen Beruf als Chirurg nicht mehr ausüben kann. Es ist ein bisschen wie in "Doctor House". Das ist keine Neuerfindung des Genres, aber ein echt erfrischendes Konzept. "Dr. Nice" ist eine Mischung aus "Doctor House", "Grey's Anatomy" und "This Is Us".
"Ich bin ein Befürworter von Therapie"
teleschau: Ist das ein Therapeut, vor dem man sich fürchten muss? Oder der einen auf Abwege bringt?
Hannes Jaenicke: Ich bin ein Befürworter von Therapie. Wir gehen doch auch zum Zahnarzt. Warum kümmern wir uns nicht genauso um unsere Seele? So sieht das auch der Psychiater, den ich bei "Dr. Nice" spiele, er ist klug, beobachtet genau, und hat sein eigenes Leben genauso wenig im Griff wie seine Patienten. Therapeuten zu spielen, ist spannend, ich hoffe, dass ich das noch eine Weile machen darf. Die nächsten sechs Folgen sind schon in Auftrag gegeben. Die Reihe ist sowohl witzig als auch emotional, und das ist hierzulande ausgesprochen selten.