Squid Game 3: Am Ende des Spiels

"Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen", entschied Albert Camus in seiner Philosophie des Absurden, indem er eine griechische Sagengestalt als frei bezeichnete, die eine absolut sinnlose Tätigkeit als ewige Strafe ausüben musste. Auch Gi-Hun (Lee Jung-jae), Held der koreanischen Netflix-Serie "Squid Game" (Staffel drei ab Freitag, 27. Juni), ist eine Art Sisyphos. Wir erinnern uns: In Staffel eins, ausgezeichnet mit sechs Emmys, gewann der arme Taugenichts Gi-Hun ein für 455 andere arme Schlucker todbringendes Turnier mit pervertierten Kinderspielen. Die hoch verschuldeten Teilnehmer waren angetreten, um einen enormen Geldpreis zu gewinnen. Begutachtet wurden die Spieler von maskierten Superreichen, die dem tödlichen Wettspiel auf einer geheimen Insel folgten - allein zu ihrer Belustigung.
In Staffel zwei, die von Macher Hwang Dong-hyuk nur deshalb geschrieben und inszeniert wurde, weil der Erfolg des ersten globalen asiatischen Serienhits so enorm war, kehrt Gi-Hun, der schwerreiche Sieger des ersten Squid Games, zu den Spielen zurück. Sein Ziel: Er will das tödliche Treiben beenden. Nach Staffel eins (2021) war die zum Jahreswechsel 24/25 veröffentlichte zweite Staffel keine abgeschlossene Erzählung, sondern sie brach mit einem üblen Cliffhanger in der Mitte ab. Insofern sind die sechs Folgen der dritten Staffel eigentlich das Ende von Staffel zwei: Nach einem niedergeschlagenen Aufstand der Spieler hat Spiele-Boss Frontman (Lee Byung-hun) nun wieder alles im Griff. Die todbringenden Wettbewerbe gehen mit zunehmender Brutalität weiter.
Mit von der Partie ist weiterhin Gi-Hun, der koreanische Sisyphos wider den menschenverachtenden Kapitalismus. Obwohl er in seinem Versuch, das Sterben zu beenden, gescheitert ist, macht er weiter. Mit jeder überlebten Spielrunde rückt Gi-Huns Ziel, Leben und die Menschlichkeit selbst zu retten, in weitere Ferne. Geht es hier etwa nur darum, vielleicht und fast schon symbolisch, am Ende ein einziges Leben zu retten?
150 Millionen Views nach 18 Tagen
Interessant ist, wie Emmy-Preisträger Hwang Dong-hyuk, der selbst aus armen Verhältnissen stammt, seine Erzählung zu Ende bringt. Waren in Staffel eins die hoch verschuldeten Spieler lediglich Kanonenfutter und Kollateralschäden des Turbokapitalismus, durchleuchtet der "Squid Game"-Mastermind in Staffel zwei und drei die menschliche Natur als solche. Viele der in Staffel zwei und vor allem drei noch brutaleren Spiele sind ausgefuchste Versuchsvarianten aus dem Feld der Spieltheorie. Unter Spieltheorie versteht man die Analyse strategischer Entscheidungen, die Menschen und Gruppen treffen, wenn das Ergebnis ihrer Handlungen nicht nur von ihnen selbst, sondern auch von den Handlungen anderer abhängen.
Es geht also um Allianzen und Strategien - mit der Besonderheit, dass diese das Überleben der Runde sichern, denn mit der falschen Strategie ist man tot. In Staffel drei wird dies mit äußerst spannenden Spielen dramaturgisch stark umgesetzt. Allerdings stellen die Suid Games der dritten Staffel der Menschheit ein noch bittereres Zeugnis aus, als in den auch schon fiesen Staffeln zuvor.
Was man aus Interviews herausliest oder hört, litt Macher Hwang Dong-hyuk durchaus unter der Erfolgsökonomie seiner Serie, die in gewisser Weise der des Squid Games selbst gleicht. Die Formel lautete: The Games must go on.
Nun, zumindest mit dem Squid Game selbst hat es wohl ein Ende. Staffel zwei erreichte über 150 Millionen Views nach 18 Tagen. So etwas nennt man wohl ein globales Massenphänomen. Staffel drei schafft noch mal eine Überraschung obendrauf: Sie bringt die - künstlich verlängerte - Erzählung stark und, ja, würdig zu Ende. Vielleicht muss man sich auch "Squid Game"-Macher Hwang Dong-hyuk damit als glücklichen Menschen vorstellen.