Angela Merkel: Ihre seltenen emotionalen Momente

Angela Merkel ist vor allem auch wegen ihres stets gefassten und professionellen Auftretens bekannt und beliebt. Manchmal aber - wie nun bei ihrer Rede zur Pandemie - bricht ihre harte Schale. Das sind ihre emotionalsten Auftritte.
Es gibt nicht viele Momente in Angela Merkels (66) 15-jähriger Kanzlerinnenschaft, die man als "emotional" betiteln könnte. Die Rede, die sie nun im Bundestag gehalten hat, um für eine schnelle Verschärfung der Corona-Maßnahmen zu plädieren, gehört aber definitiv dazu.
Mit großen Gesten, geballten Fäusten und teilweise gebrochener Stimme flehte Merkel: "Wenn wir jetzt zu viele Kontakte vor Weihnachten haben und anschließend es das letzte Weihnachten mit den Großeltern war, dann werden wir etwas versäumt haben, das sollten wir nicht tun."
Die Härte der Maßnahmen tue ihr "wirklich im Herzen leid", aber 590 Todesfälle am Tag seien nicht akzeptabel. Die Medien bezeichnen den Appell als "Merkels Ausbruch" und "emotionalste Rede". Doch es gibt auch andere Momente, die die Kanzlerin in ihrer politischen Karriere aufgewühlt haben.
Die spannendsten Fakten über Angela Merkel:
- Frau Merkel isst gerne Döner
Das ist vielleicht schon einer der überraschendsten Fakten zur Bundeskanzlerin. Angela Merkel isst gerne Döner - manche behaupten sogar, sie liebt Döner. Am liebsten soll sie den fleischgefüllten Fladen des Café Motiv im Berliner Regierungsviertel gegessen haben. Ohne Soße, mit Fleisch, Salat, Zwiebeln, Tomaten, Weiß- und Rotkraut, wie der Chef des inzwischen geschlossenen Cafés einmal der "Berliner Zeitung" verraten hat. - Ihr Lieblingsessen ist ein deutsches Traditionsgericht
Keine Frage, so ein Döner ist was Feines. Das Lieblingsessen der Kanzlerin ist trotzdem ein anderes: Kartoffelsuppe. Dem Magazin "Bunte" verriet Merkel im Sommer 2017 ihr persönliches Rezept. Wichtig sei vor allem, die Kartoffeln mit einem Stampfer zu zerstampfen - und nicht mit einer Püriermaschine. "So bleiben in der Konsistenz noch immer kleine Stückchen übrig." - Damit kann man die Kanzlerin vom Hof jagen
Dem Kinder-Nachrichtenmagazin "Dein Spiegel" erzählte Merkel einmal ganz diplomatisch: "In der Mongolei wurde mir Stutenmilch angeboten. Damit habe ich mich schwergetan." Der Grund liegt aber weniger in der Herkunft, als vielmehr in der Art des Getränks: "Ich trinke schon in Deutschland nicht gerne Milch, wahrscheinlich habe ich als Kind zu viel davon getrunken." - Dann doch lieber Kirsch-Whisky
Als Tote-Hosen-Sänger Campino Merkel im Jahr 1994 fragte, ob sie einmal richtig betrunken war, antwortete sie: "Ich bin einmal aus einem Boot gekippt." Der Grund soll zu viel Kirsch-Whisky auf der Abi-Feier gewesen sein. Mit dem Getränk hat sich die Jubilarin auch ihr Studium mitfinanziert: als Whisky-mischende Bardame. "Das brachte pro verkauftes Glas dreißig Pfennig Verdienst", erzählte sie dem Autor Wolfgang Stock ("Angela Merkel") für eine Biografie. - Und dazu eine Zigarette
Zu den Jugendsünden der Kanzlerin zählte aber nicht nur Kirsch-Whisky. Auch dem Tabakqualm war Angela Merkel einst, in ihrer Zeit als Bundesjugendministerin in Bonn, nicht abgeneigt. "Bunte" erzählte Merkel vor Jahren einmal: "Ich habe jeden Tag eine Packung Zigaretten geraucht." Das Rauchen hat sie sich seither abgewöhnt - und ist zu einer Befürworterin eines generellen Rauchverbots in öffentlichen Gebäuden geworden. - Schwärmerei für Robert Redford
Auch eine Kanzlerin darf für Hollywood-Stars schwärmen - und in ihrem Fall ist das Robert Redford. Der spielte einst in Merkels Lieblingsfilm, "Jenseits von Afrika" den Großwildjäger Denys Finch Hatton. Redford selbst bekannte: "Ich bin ein Fan von Angela Merkel." Er sei sehr von ihr beeindruckt. Auch getroffen haben sich beide bereits, 2017 war der Schauspieler zu Gast im Kanzleramt. - Diese Männer gab es schon in ihrem Leben
Seit mehr als 20 Jahren ist die Kanzlerin mit Joachim Sauer verheiratet. Zwar blieb ihre Ehe ohne Kinder - Sauer brachte aber zwei Söhne mit in die Ehe. Von 1977 bis 1982 war sie mit dem Dresdener Physiker Ulrich Merkel verheiratet. Der erzählte 2004 über die Trennung: "Eines Tages packte sie ihre Sachen und zog aus." Ihr Mädchenname lautet übrigens Angela Dorothea Kasner. - Er hat keinen leichten Stand bei ihr
Sauer ist Physiker, Ex-Mann Merkel ebenfalls, lässt sich da ein Muster feststellen? Beide Männer sind intelligent und an dem interessiert, was die Welt im Innersten zusammenhält. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, warum die Chemie zwischen Angela Merkel und US-Präsident Donald Trump einfach nicht so richtig stimmen will. Der ehemalige Reality-TV-Star holt sich bei der Kanzlerin regelmäßig eine Abfuhr ein. - Davon träumt die Kanzlerin
Unter anderem von einer Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn. Als Merkel von dem romantischsten aller Eisenbahner-Träume im September 2017 erzählte, meldete sich prompt die russische Staatsbahn RZD. Man sei bereit, die Bundeskanzlerin bei der Reiseorganisation umfassend zu unterstützen, hieß es. Einen anderen Traum verriet die Kanzlerin dem SZ-Magazin: ein Abendessen mit dem spanischen Weltmeister-Trainer Vincente del Bosque. - Wenn sie nicht gerade in der Uckermark ist
Falls Merkel del Bosque wirklich einmal einladen sollte, dann vielleicht in die Uckermark. Dort liegt die "Datsche del Merkel", ihr Wochenendhaus. Es ist ihr Rückzugsort vom stressigen Politikbetrieb in Berlin, knapp eine Autostunde nördlich der Hauptstadt. Dort jätet Merkel angeblich gerne Unkraut, pflanzt Gemüse und Erdbeeren an. - Wo sie auch nicht unerkannt bleibt
Denn auch das ist so ein Traum der Kanzlerin: Anonymität. Ex-Mannschaftskapitän Philipp Lahm wollte einmal von ihr wissen, welches das größte Opfer sei, dass die Kanzlerin für die Nation bringe: "Ich muss darauf verzichten, unerkannt einkaufen zu gehen." Das geht auch in der Uckermark nicht. - Der "Besuch" vom Stalker
Im Herbst 2010 schlich sich ein Mann zweimal auf das Grundstück in der Uckermark und klingelte an der Haustüre - Merkel selbst öffnete ihm einmal. Der Stalker soll freier Journalist gewesen sein und war offenbar wütend, weil die Kanzlerin seine Briefe nicht persönlich beantwortet hatte. Er wies die Stalker-Vorwürfe damals zurück, er sei ein "Friedensaktivist", erklärte er der "Berliner Zeitung". Merkel habe ihm auch nicht die Tür geöffnet, er will der Kanzlerin im Garten begegnet sein. - Sie ist der Stern an Deutschlands Himmel
Als Bundeskanzlerin wird Merkel viel fotografiert - manchmal auch von richtig bekannten Fotografen. Martin Schoeller lichtete Merkel etwa für das Cover des US-Magazins "Glamour" ab. Beim Fototermin war sie "nicht sooo freundlich", berichtete Schoeller der "Welt am Sonntag". - Sie wird ewig im Gedächtnis bleiben
15 Jahre regiert Angela Merkel nun die Bundesrepublik, hat zusammen mit uns allen viel erlebt. Die Wirtschafts- und Finanzkrise, weite Strecken des Afghanistan-Krieges, den Brexit, die Corona-Krise. Sie wird aber auch als die Bundeskanzlerin in die Geschichtsbücher eingehen, die im Herbst 2015 die eine Entscheidung getroffen hat, die in den Werten der Aufklärung, des neuen Testaments, der Verfassung der europäischen Union und des Grundgesetzes angezeigt ist: Menschen, die Schutz und Hilfe brauchen, eine eben solche nicht zu verweigern. - In der Nacht des Mauerfalls feierte sie kurz und ging früh ins Bett
Als die Berliner Mauer 1989 fiel, feierten tausende Menschen ausgelassen - nicht aber die damals 35-jährige Angela Merkel. Sie feierte nach einem Saunagang lediglich kurz mit Fremden in einer Wohnung in West-Berlin, trank ihr erstes "West-Bier" und ging "irgendwann um eins oder halb zwei" nach Hause, da sie am nächsten Tag arbeiten musste. - Dank ihrer Wahl zur Bundeskanzlerin im Jahr 2005 ist sie gleich dreimal "die Erste"
Sieben Kanzler leiteten vor Angela Merkel die Geschicke des Landes, allesamt Männer. Mit ihrer Wahl 2005 wurde die Physikerin zur ersten Bundeskanzlerin der deutschen Geschichte und zur ersten Naturwissenschaftlerin, die dieses Amt bekleidet. Dank ihrer ostdeutschen Wurzeln ist Merkel außerdem die erste Kanzlerin aus den neuen Bundesländern. Von ihren Vorgängern unterscheidet sie zudem das Alter - mit 51 Jahren war Merkel bei ihrer Vereidigung die jüngste Person, der diese Ehre jemals zuteil wurde. - Beim Abschied von Barack Obama zeigte sie Gefühle
2016 ging der damalige US-Präsident Barack Obama auf Abschiedstour und machte ein letztes Mal Halt in Berlin. Sein enger Berater Ben Rhodes später in seinem Buch, wie der Besuch ablief - und verriet Interessantes über die Beziehung zwischen seinem Chef und Angela Merkel. So hätten die beiden drei Stunden lang zusammen zu Abend gegessen; länger, als Obama in seiner gesamten Amtszeit jemals mit einem anderen Staatsoberhaupt dinierte. Beim Abschied habe in ihrem Auge zudem "eine einzige Träne" hervorgeblitzt. - Fast wäre sie nicht bei der CDU, sondern bei der SPD gelandet
"Mit der CDU will ich nichts zu tun haben", soll sie einem "Zeit"-Artikel zufolge einmal gesagt haben. Die Publizistin und Ex-Politikerin Vera Lengsfeld behauptete sogar, Merkel habe vor der Wende in der DDR im Herbst 1989 mit einer Mitgliedschaft in der SPD geliebäugelt. Zur CDU kam die junge Politikerin quasi indirekt. 1989 schloss sie sich der Gruppierung Demokratischer Aufbruch (DA) an, die später offiziell zur Partei wurde und mit der Ost-CDU fusionierte. 1990 folgte auch der Zusammenschluss mit dem westdeutschen Teil der Partei sowie die Vereinigung zur Gesamt-CDU, durch die Merkel automatisch Mitglied der Union wurde.
Corona, die erste
Nicht ganz so emotional wie im Dezember, aber ebenso dringlich, zeigte sich die Kanzlerin schon am Anfang der Pandemie - inklusive geplantem "Versprecher" für die Dramatik. "Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst. Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt", sagte sie am 18. März mit eindringlichem Blick in die Kamera.
Es war die erste Fernsehansprache ihrer Amtszeit, in der sie sich aus aktuellem Anlass an die Bürger wendete. Schon damals sprachen die Zeitungen von einer für Merkel ungewöhnlich emotionalen Ansprache.
"Dann ist das nicht mein Land"
2015, mitten in der Flüchtlingskrise. In der Bundespressekonferenz schreibt Merkel mit ihrem Kern-Slogan zur Willkommenskultur Geschichte: "Wir schaffen das." Noch lange wird sie sich für diese Einstellung und das Offenhalten der Grenzen rechtfertigen müssen.
Wenige Wochen später, bei einer Pressekonferenz mit Österreichs Kanzler Werner Faymann (60), scheint ihr der Geduldsfaden in dieser Hinsicht zu platzen: "Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land."
Der unangenehmste Moment
Wie gesagt: Die Flüchtlingsfrage verfolgte Merkel. In Erinnerung geblieben ist auch der etwas unbeholfene Moment, als sie einem palästinensischen Mädchen mit großen Träumen aber ungewissem Aufenthaltsstatus erklären musste, dass sie nicht helfen könne.
In einer Dialogrunde mit Schülern in Rostock musste sie ihr ins Gesicht sagen, dass sie ihr nichts versprechen könne: "Es werden manche auch wieder zurück gehen müssen..." Als das Mädchen zu weinen anfängt, ist Merkel die Situation so unangenehm, dass sie sich nicht anders zu helfen weiß, als das weinende Mädchen "trotzdem einmal streicheln" zu wollen.
Verständnis für Ost-Deutsche
Noch ein Thema, das Merkel scheinbar persönlich berührt, ist der Mauerfall: In einem leidenschaftlichen Appell warb sie 2019 für mehr Verständnis für den Frust der Ostdeutschen.
Bei der Sommerpressekonferenz in Berlin erklärte die Kanzlerin, die selbst in der DDR aufgewachsen war: "Das Problem eines Lebens in der DDR ist einfach, dass man so vieles gemacht hat, was in der alten Bundesrepublik nicht mehr gebraucht wird."
Man hätte Techniken und ostdeutsche Fähigkeiten fürs Leben entwickelt, die man heute nicht mehr brauche. "Und das bekümmert einen natürlich manchmal", sagte die Kanzlerin. "Wir waren ja, man war ja fleißig in der DDR." Nach ihrer nachdenklichen Antwort entschuldigte sich die Kanzlerin sogar für ihre ausschweifende Antwort.