Christina Stürmer: Gipfelstürmerin mit Talsohlen-Erfahrung

Mit Rührung lässt sich Christina Stürmer am Dienstagabend bei "Sing meinen Song" besingen - ein Höhepunkt in der spannenden Berg- und Talfahrt ihrer Karriere: Casting-Star, Karriereknick, Hymnensängerin. Und dabei immer bodenständig bleiben.
Wenn man will, könnte man "Sing meinen Song" einen kleinen Musikergipfel nennen: Erfahrene Könner treffen sich und tauschen Meinungen und Songs aus - und ganz oben steht am Dienstagabend Christina Stürmer (32, "Wir leben den Moment"). Für die Österreich.rin ist der Blick von oben kein unbekannter: Castingshow-Wunder, erfolgreichster österreichischer Musikexport seit Falco (1957-1988, "Rock Me Amadeus"), Echo-Gewinnerin, Hymnen-Neu-Einsängerin - Stürmer hat schon vor "Sing meinen Song" so einiges erreicht. Aber wie ihr Heimatland ist auch ihre Karriere: Neben Gipfeln finden sich auch Täler.
Die erste Verliererin wird zur großen Gewinnerin
Dabei sah es zunächst gar nicht so aus, als werde Stürmer überhaupt musikalische Höhen erklimmen. Ganz ohne große Erwartungen meldete sich die Buchverkäuferin aus Linz 2003 bei der Ösi-Castingshow "Starmania" an. Dann schlägt sie sich aber gut. Und wird doch nur Zweite. Der Treppenwitz: "Starmania"-Gewinner Michael Tschuggnall (33) ist mittlerweile längst in popmusikalische Vergessenheit geraten. Ab 2005 verliert sich seine künstlerische Spur. Stürmer aber erobert Austria mit fliegenden Fahnen, Deutschrock und Avril-Lavigne-Charme. Binnen eines guten Jahres gelingen ihr vier Nummer-eins-Hits in Österreich.
In Deutschland dauert es bis zum Erfolg etwas länger. Aber er kommt. Das Album "Schwarz-Weiß" hält sich monatelang in den deutschen Top 20, ab 2006 verwendet RTL ihren Song "Nie genug" als Titelmelodie für die Soap "Alles was zählt". Monate später spielt Stürmer schon eine Liga höher - und tritt bei "Wetten dass..?" auf.
Halbleere Hallen und Hymnenstreit
Eine Story aus dem Bilderbuch - mit der typischen Hollywood-Zäsur: Denn irgendwann um das Jahr 2009 reißt der Erfolg ab. Singles bleiben jenseits der Top-Platzierungen, die Hallen sind nicht mehr ausverkauft. Auf einmal taucht Stürmer im Nachmittagsprogramm auf, statt auf Thomas Gottschalks Samstagabendsofa. Zum zweiten Mal in relativ kurzer Zeit wechselt die Sängerin das Management, wie "oe24.at" herausfand - und stabilisiert sich 2010 mit dem Album "Nahaufnahme" zumindest wieder. Auch wenn Träume vom absoluten Superstar-Fame etwas in die Ferne rücken.
Immerhin steht Christina Stürmer wenig später im Fokus eines hochpolitischen Streits: Denn als erfolgreiche österreichische weibliche Künstlerin darf sie eine neue Version der Nationalhymne einsingen. "Heimat großer Töchter und Söhne", nicht nur "großer Söhne" ist Österreich in dieser Version. Die Konservativen im Lande - und Andreas Gabalier (30, "Sweet Little Rehlein") - kochen. Aber die zuerst von Stürmer neugesungene Version bleibt. Und das jüngste Album "Ich hör auf mein Herz" wird 2013 wieder zum echten Hit.
Ein bisschen schräg: Mit fremden Hits zum Cover-Abend
Nun sitzt Christina Stürmer also mit Andreas Bourani, Xavier Naidoo und Co. bei "Sing meinen Song". Ein wenig eigenartig ist dieser Auftritt schon: Denn anders als die meisten ihrer Kollegen schreibt Stürmer ihre Songs zumeist nicht selbst. Wenn nun also Hartmut Engler den Hit "Millionen Lichter" uminterpretiert, erkennt Stürmer ein Stück Musik, dass sie in- und auswendig kennt. Aber keines, das sie allein geschaffen hätte. Böse Zungen könnten behaupten: Stürmer ist auch ein wenig die Quoten-Österreicherin in der Songwriter-Runde. Die Ersatz-Gabalière, sozusagen - wenn auch mit tollen Verkaufszahlen.
Andererseits will man der Österreich.rin keinen Auftritt übelnehmen. Denn eine gute Sängerin ist sie. Und mit ihrer Bodenständigkeit verdient sie sich die Sympathie. Seit neun Jahren ist Stürmer mit ihrem Gitarristen Oliver Varga liiert. Und auch sonst wird die 32-Jährige ihren Liebsten treu bleiben: "Ohne die Jungs ginge es nicht. Auf der Bühne mit Playback singen, dagegen wehre ich mich mit Händen und Füßen", erzählte sie vor einiger Zeit der Nachrichtenagentur spot on news über ihre Band: "Ich bin nicht so der Einzelgänger, mehr das Rudeltier." Und im Rudel sind Christina Stürmer & Band stark.