Das Buch hinter "Cloud Atlas": Kult oder Katastrophe?

Ist es ein Geniestreich oder einfach nur furchtbar anstrengend? Genau wie beim Film "Cloud Atlas" gehen auch die Meinungen zur Buchvorlage "Der Wolkenatlas" weit auseinander. Eines ist dieses Werk aber sicherlich: etwas ganz besonderes!
Natalie Portman (33, "Black Swan") ist zwar nicht in "CloudAtlas" zu sehen,trotzdem gab die Schauspielerin den Anstoß für den Film, der amMittwochabend ab 22:45 Uhr im Ersten läuft: Die Schauspielerin habeihm und den Wachowski-Geschwistern das Buch empfohlen, sagteRegisseur Tom Tykwer (49, "Das Parfum", "Lola rennt") im Interviewmit dem "Playboy". "Sie ist ein totaler Bücherwurm und gibt immergute Tipps, da höre ich drauf. Dann haben wir das gleichzeitiggelesen und ekstatisch ins Telefon gebrüllt, was für ein irres Buchdas ist und wie unbedingt man das versuchen müsste."
Der Roman "Der Wolkenatlas" aus dem Jahr 2004 von David Mitchellgalt zuvor als unverfilmbar. Dass es dennoch möglich ist, daranglaubten nicht nur die drei Regisseure Tom Tykwer sowie Lana (49)und Andy (46) Wachowski ("Matrix"), sondernauch Mega-Stars wie Tom Hanks (58, "Forrest Gump") und Halle Berry(47, "Monster's Ball"), die in dem Film von 2012 mitwirken: ZumZeitpunkt seines Entstehens galt "Cloud Atlas" als einer derteuersten bis dahin produzierten Independentfilme und als der beiweitem teuerste deutsche Film.
Die Kritiken zum Film - der von seiner Romanvorlage doch indiversen Punkten abweicht - fielen in der Mehrzahl positiv aus.Allerdings gehen die Meinungen der Zuschauer ebenso wie jene derLeser der Buchvorlage weit auseinander. Unter Mitchells Werk "DerWolkenatlas" findet man bei Amazon Kundenrezensionen, die von"Weltliteratur", "Geniestreich" bis zu "absurde Story" und"unendlich anstrengend" reichen. Und was macht den Roman zu soeinem "wunderbaren und sonderbaren" Buch? Schon Aufbau undErzählstil des Werks sind unverwechselbar...
Mitchell erzählt sechs Geschichten, die jeweils in einer anderenZeit - insgesamt umspannt das Buch fast 1000 Jahre - handeln undverpasst jeder von ihnen einen anderen Stil. Alle Episoden stehenmiteinander in Verbindung: Im Tagebuch-Format sind die Erlebnissevon Adam Ewing verfasst, der in den 1850er Jahren im Pazifik aufeinem Schiff unterwegs ist und dort erkrankt. Dieses Tagebuchfindet 1931 der Musiker Robert Frobisher, der in Briefen an seinenLiebhaber Rufus Sixsmith über seine Arbeit bei dem altenKomponisten Vyvyan Ayrs berichtet. Frobisher hat eine Affäre mitAyrs Ehefrau, verliebt sich dann aber in die Tochter. In Kapiteldrei, das im Jahr 1975 spielt und in Thriller-Form verfasst ist,trifft die Journalistin Luisa Rey auf den inzwischen betagten RufusSixsmith: Der Wissenschaftler berichtet ihr von einem neuenfehlerhaften Atommeiler. Ein Auftragskiller versucht die beiden ausdem Weg zu räumen.
Ein Roman über Luisas Story fällt dem Verleger Timothy Cavendishim vierten Kapitel in die Hände. Dieses ist in der heutigen Zeitangesiedelt. Cavendish berichtet in Form seiner Memoiren, wie ernach einer Intrige seines Bruders in einem geschlossenen Altenheimlandet. Einen Film über Cavendishs Erlebnisse sieht sich im fünftenTeil von "Wolkenatlas" der weibliche Klon Sonmi an, der von derArbeit in einem koreanischen Fast-Food-Restaurant befreit wird undsich anschließend auf eine Odysee begibt. Dieses Kapitel spieltetwa im Jahr 2100 und ist in Dialogform verfasst. In Abschnittsechs erzählt der Ziegenhirte Zachry als alter Mann seine Abenteuerauf der Insel Hawaii. Es geht um die letzten Überlebenden derMenschheit - eine Rolle spielt dabei ein Hologramm, in dem Sonmi zusehen ist.
Der sechste Teil ist das einzige Kapitel, das von Anfang bisSchluss zu Ende erzählt wird. Die ersten Teile brechen jeweils nachder Hälfte ab. Am Ende von Zachrys Erzählung in Kapitel sechs zeigtdessen Sohn einem Publikum ein Bild von Sonmi. Im Anschluss daranerzählt Mitchell die zweite Hälfte der Geschichte des Klons, diekurz vor ihrer Hinrichtung den Film "Das grausige Martyrium desTimothy Cavendish" zu Ende sehen kann.
Anschließend wird auch Cavendishs Geschichte zum Abschlussgebracht. Er kann seinen Verlag wieder aufbauen und veröffentlichtdas Buch über Luisa Rey: Ihr gelang mit der Reaktor-Story der großeDurchbruch, von Sixsmiths Nichte erhält sie die Briefe von dessenehemaligem Geliebten Frobisher, die sie liest. In seinemAbschiedsbrief hatte der lebensmüde Frobisher Sixsmith gebeten,sein großes Werk, das "Wolkenatlas-Sextett", zu veröffentlichen. AmEnde bringt Mitchell auch die Geschichte des Pazifik-ReisendenEwing zum Abschluss, der herausfindet, dass er vergiftet wurde.Ewing kann gerettet werden und schließt mit dem großen Thema, dasdas ganze Buch umspannt: Dass die Welt zum Besseren geändert werdenkann, wenn der Wille dazu dominiert.
Viele Kritiker nannten das Buch nach seinem Erscheinen eine"Herausforderung" für den Leser, die aber trotzdem "Spaß mache"("New York Times"). Im "Daily Telegraph" hieß es: "Kurz gesagt,'Cloud Atlas' versucht zur einen Hälfte 'The Simpsons' und zuranderen Hälfte die Bibel zu sein."