Das kreative Chaos hat einen Namen: Woody Allen

80 Jahre voller Neurosen, Filme, Frauen und Skandale: Der Regisseur, Autor und Komiker Woody Allen feiert Geburtstag.
Manche sagen, Woody Allen ( "Irrational Man") sei der geborene Melancholiker. Das kann schon deshalb nicht stimmen, weil er für die Melancholie viel zu pessimistisch und auch zu schüchtern ist. Am Ende eines seiner Stand-up-Auftritte sagte er dem Publikum, er würde ihm gern eine positive Botschaft mit dem auf den Weg geben "aber ich habe keine positive. Würden Sie eventuell auch zwei negative nehmen?" Ein anderes Mal erzählte er, er sei so schüchtern, "dass ich beim Psychiater immer unterm Sofa lag."
Mit diesen nicht sonderlich herausragenden Charaktereigenschaften hat Woody Allen die spannendste und intelligenteste Karriere der Filmgeschichte geschrieben. Heute wird die Ikone der intellektuellen Komödie 80 Jahre alt. Angst vor dem Tode habe er nicht, sagt er, "ich möchte nur nicht dabei sein, wenn es passiert."
Sein Professor schickt ihn zur Psychoanalyse
Er wurde am 1. Dezember 1935 als Allan Stewart Konigsberg in Brooklyn geboren. In der jüdischen Familie wurde neben Englisch noch Jiddisch und ein bisschen Deutsch gesprochen. Der junge Konigsberg wurde auf eine hebräische Schule geschickt, was sein späteres Leben geprägt hat, wie er vor einigen Jahren in einem Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung" bekannte: "Religionen sind mir keinen Pfennig wert. Ich erziehe auch meine Kinder nicht in der jüdischen Tradition. Ich glaube nicht an Gott und finde ohnehin alle Religionen dumm."
Dieser Allan Stewart Konigsberg, der später von sich berichtet, dass seine Mutter immer gesagt habe, "dass ich ein ganz fröhliches Kind war, bis ich fünf wurde", sucht schon als junger Mann den Psychoanalytiker auf. Was will man auch anderes machen, wenn man gleichzeitig Klaustrophobie und Agoraphobie hat? Er war bereits als Autor und Gag-Schreiber im Entertainment-Business tätig, bevor er sich für einen Kurs in Communications Arts an der New York University einschrieb und sein Professor ihn zur Psychoanalyse schickte.
Was soll man machen, wenn man derart von den Widrigkeiten des ganz normalen Wahnsinns gebeutelt wird? "Filmemachen ist eine gute Ablenkung von den Qualen des Lebens", hat Allan Stewart Konigsberg erkannt und zunächst seinen Namen ihn Heywood Allen geändert, woraus im Laufe der Jahre Woody Allen entstand. Kreativ genug ist er ja. Bereits als Schüler hat er satirische Beiträge für Zeitungen geschrieben, dann Gags für Komiker wie Bob Hope, später Drehbücher.
Und er prägt als linkinscher, bebrillter Neurotiker eine neue Art der Stand-up-Comedy. Kritiker bezeichnen ihn als den schlechtesten Komiker der Welt. Woody macht daraus eine Masche - und ein Erfolgsrezept: Der von Psychosen geplagte New Yorker wird zum Star.
Auf dem Weg zur Filmikone
Seine ersten Filme - mit ihm als Hauptdarsteller - werden Kassenschlager: "Was gibt's Neues, Pussy" (1965), "Casino Royale" (1967), "Woody, der Unglücksrabe" (1969), "Bananas" (1971), "Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten" (1972), "Der Strohmann" (1976).
Dann kommt 1977 "Der Stadtneurotiker" in die Kinos, ein Film, mit dem sich Woody Allen selbst ein Denkmal setzt. Er spielt sich selbst, einen intellektuellen Clown, den Frauen und der großen Stadt hilflos ausgeliefert. Allen wird für Drehbuch und Regie mit dem Oscar ausgezeichnet. Seine damalige Lebensgefährtin Diane Keaton erhält den Preis als beste Hauptdarstellerin.
Frauen und der Sex sind seine ewigen Lebensthemen, an dem sich dieser kleine, völlig unscheinbare Mann abgearbeitet hat. Über die körperliche Liebe sagte er: "Ob ich Sex für schmutzig halte? Na klar, wenn man's richtig treibt!" Und die Ehe reflektiert er so: "Meine Ex-Frau war Professorin für Philosophie an der New Yorker Universität - wir hatten immer intensive philosophische Diskussionen, in denen sie den Nachweis führte, dass ich nicht existiere."
Von Exfrauen und Familienskandalen
Dabei gibt es nicht nur eine Exfrau. Als 19-Jähriger heiratet er die Philosophiestudentin Harlene Rosen, die bei seinen Comedy-Auftritten als "The Dread Mrs. Allen" durch den Kakao zieht. Die Ehe hält nur vier Jahre, Harlene verklagt ihn danach auf eine Million Dollar Schmerzensgeld.
Louise Lasser, Star aus seinen frühen Filmen, wird 1966 Ehefrau Nr. 2. Scheidung 1970. Mit der Schauspielerin Diane Keaton hat er jahrelang eine komplizierte, aber auch kongeniale Beziehung, die beiden sind heute noch enge Freunde. Ihr folgen Stacey Nelkin (24 Jahre jünger) und Mariel Hemingway (26 Jahre jünger), eine Enkelin des Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers Ernest Hemingway.
Richtig chaotisch entwickelt sich das Verhältnis zum Hollywoodstar Mia Farrow (70), die in 13 seiner Filme mitspielt. Beide leben in getrennten Wohnungen. Mia bringt die Adoptivtochter Soon-Yin Previn mit in die Verbindung. Das Paar adoptiert zwei weitere Kinder, Dylan Farrow und Moses Farrow und sie haben zusammen einen gemeinsamen Sohn, Satchel Farrow. Als die Schauspielerin Nacktfotos der jungen Soon-Yi entdeckt und Allen daraufhin ein Verhältnis mit Farrows Adoptivtochter eingesteht, geht die Verbindung 1992 in die Brüche.
Über Jahrzehnte hinweg überzeigt Mia Farrow ihren ehemaligen Lebensgefährten mit einem gnadenlosen Rachefeldzug. Sie lässt vor Gericht feststellen, dass Allens Verhalten gegenüber den Kindern "missbrauchend und gefühllos" sei und bekommt das Sorgerecht zugesprochen. Über seinen leiblichen Sohn Stachel sagt Farrow, es sei durchaus möglich, dass ihr früherer Lebenspartner Frank Sinatra der wahre Vater ist. Satchel nennt sich mittlerweile Ronan Farrow.
Überdies beschuldigte Adoptivtochter Dylan den Regisseur, er habe sie sexuell missbraucht, eine Behauptung die von den untersuchenden Behörden allerdings nie bestätigt wurde. Egal, für die amerikanische Öffentlichkeit war Woody Allen einschlägig vorbelastet, zumal er 1997 Farrows Adoptivtochter Soon-Yi als dritte Ehefrau heiratete. Das war zuviel für die Nation.
Der ewige Stadtneurotiker
So lebt er in New York mit Soon-Yi und zwei weiteren Adoptivkindern, macht jedes Jahr einen neuen Film, manchmal sogar zwei. Mit vier Oscars wurde er insgesamt ausgezeichnet, doch er erschien bei keiner einzigen Verleihung. Jeden Montagabend seit mehr als 15 Jahren tritt er mit seiner Klarinette im Nobelhotel Carlyle auf, doch auch die Jazzmusik betreibt er nicht mit Leichtigkeit und Frohsinn. "Ich habe kein besonders gutes Ohr für Musik. Ich bin ein sehr schlechter Musiker, wie ein Sonntags-Tennisspieler."
Dass er mit seiner Art von Humor viele Millionen Dollar verdient hat, macht ihn auch nicht glücklich. Immerhin gibt er zu: "Geld ist besser als Armut, wenn auch nur aus finanziellen Gründen."
Der morgendliche Blick in den Spiegel war sowieso noch nie eine Offenbarung, und Woody sieht so jeden Tag seinen Pessimismus rein körperlich bestätigt, wie er dem "Hamburger Abendblatt" verraten hat: Ich baue körperlich ab, meine Haare werden grauer und weniger, ich habe ein Hörgerät, äußerlich bin ich nicht mehr derselbe wie vor 20, 30 Jahren."
So hadert er mit dem diesseitigen Dasein, denn "wie kann ich an Gott glauben, wenn sich erst letzte Woche meine Zunge in der Walze der Schreibmaschine verheddert hat?" Fragt man ihn zu seiner Beziehung zum Tod, antwortet er entschieden: "Ich bin total dagegen!" Erst neulich habe jemand zu ihm gesagt, dass er in den Herzen seiner Landsleute weiterleben werde. "Ich will aber in meinem Appartement weiterleben!"