OK Kid: "Der Exzess ist ein Teil unseres Lebens"
Drei lange Jahre nach ihrem Debütalbum erscheint nun das neue Album "Zwei": Im Interview mit spot on news verriet die Band OK Kid, welche Rolle der Exzess in ihrem Leben spielt und was guter Gin mit ihren Konzerten zu tun hat.
Frieden oder Mittelfinger - OK Kid veröffentlichen drei Jahre nach ihrem Debütalbum ihr zweites Album. Passenderweise trägt es den Titel "Zwei" und vereint ebenso viele Sichtweisen in sich. Die Nachrichtenagentur spot on news traf die drei Wahl-Kölner Jonas Schubert, Moritz Rech und Raffael "Raffi" Kühne in München zum Interview. Ein Gespräch über das Älterwerden, Gin und "Gute Menschen".
Sie haben einmal gesagt "Unsere Lebenssituation hat sich in den letzten Jahren komplett verändert". Was ist anders geworden?
Jonas: Wir sind drei Jahre älter geworden. Diese Grundvoraussetzung, wie man sein Leben führt, ist anders geworden. Als wir das erste Album rausgebracht haben, war das ein Bauchgefühl ins Blaue hinein. Ohne dass wir irgendwie wussten, wo es hingeht. Das hat man auch textlich gehört. Unser Debütalbum war teilweise sehr melancholisch und nicht so hoffnungsvoll wie unsere neue Platte. Viele Zweifel von früher gibt es nicht mehr.
Sie sagen, das neue Album "Zwei" ist hoffnungsvoll. Was sind Ihre Hoffnungen?
Jonas: Viele Texte von damals haben eine tiefe Traurigkeit in sich. Dieses Hoffnungsvolle ist eher auf die eigene Freiheit bezogen. Dass wir uns freischwimmen konnten, was das Genre und unsere persönliche Situation angeht. Wir können machen, was wir wollen. Das ist ein sehr hohes Gut, das wir sehr zu schätzen wissen.
Wie wichtig ist es Ihnen im Gegensatz zu früher, Ihre Meinung zu sagen und Haltung zu zeigen?
Raffi: Es hat eigentlich nicht an Wichtigkeit zugenommen, eher hat sich unsere Draufsicht verändert. Wir sehen bestimmte Prozesse in Deutschland und unserem Umfeld mit einem kritischen Blick. Und wenn uns so etwas beschäftigt, ist das automatisch ein Grund, darüber etwas zu schreiben.
Also haben Sie sich praktisch als Band gefunden und können sich deswegen gesellschaftlichen Problemen zuwenden?
Jonas: Wir können uns auch wieder verlieren. Jedes Album ist ein Sammelwerk der Situation, in der wir uns aufhalten. Das Schlimmste für eine Band ist, wenn sie sagt, sie hätte sich gefunden. Ich finde es gerade spannend, wenn man als Hörer an unserem Werdegang teilhaben kann. "Zwei" ist einerseits durch eine tief empfundene Zuneigung und andererseits durch eine Haltung in Form von Abneigung geprägt. Mittelfinger und Peace-Zeichen.
Moritz: Aber trotzdem kann man natürlich sagen, dass wir vor drei Jahren einfach noch mehr mit uns selbst beschäftigt waren, als das jetzt der Fall ist. Wir stellen uns nicht mehr so viele Fragen. Es ist vieles viel klarer. Deswegen können wir auch den Blick nach außen wenden, von uns weg.
Das Lied "Gute Menschen" haben Sie bewusst einige Zeit vor Albumrelease veröffentlicht, um ein Statement zu setzen. Was halten Sie generell davon, wenn Musiker oder Künstler aktuelle, brisante Probleme thematisieren?
Raffi: Das muss jeder Künstler selbst wissen. Jeder hat das Recht sich zu jedem Thema zu äußern. Ich finde das auch gut, wenn es ein ernst gemeinter Beitrag ist. Aber man merkt, dass es vor allem in letzter Zeit viele Künstler gibt, die sich noch nie zu solchen Themen geäußert haben und jetzt auf diesen Zug aufspringen, um sich zu profilieren.
Jonas: Womit wir wieder bei "Gute Menschen" wären. Das sind genau die Menschen, die wir mit dem Song kritisieren.
Gibt es Situationen, in denen Sie in Schubladen denken?
Raffi: Ich denke musikalisch viel in Schubladen und ich finde das auch nicht schlimm. Wenn eine Band in eine Schublade passt, dann passt sie halt da rein. Das heißt nicht, dass sie schlecht ist.
Sie sind als Band der Meinung, dass Ihre Musik wichtiger ist als Ihre Persönlichkeiten. Wie vereinbaren Sie Ihr Privatleben mit der Öffentlichkeit?
Jonas: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Man erfährt durch die Musik sehr viel über uns, wie wir privat denken und was uns wichtig ist. Ich finde es traurig, wenn Leute bei unseren Konzerten in der ersten Reihe stehen und alles mit ihrem Smartphone filmen. Die sind gar nicht richtig dabei, weil sie die ganze Zeit auf ihr Handy starren. Danach sind sie die ersten, die am Merchandise-Stand nach Selfies mit uns geiern. Die Musik soll krass im Mittelpunkt stehen und für unsere Fans wichtiger sein als die Hobbys von Moritz, Raffi oder mir. Oder wie unsere Freundinnen aussehen.
Ihr Song "Bombay Calling" beschäftigt sich mit der Sucht nach dem Rausch. Welche Rolle spielt der Exzess in Ihrem Leben?
Moritz: Er ist ein Teil davon. "Bombay Calling" ist kein Song, der den Exzess an den Pranger stellt. Er adelt oder verherrlicht ihn aber auch nicht. Der Exzess gehört einfach dazu. Wir trinken eben gerne Gin. Wir haben auch immer eine Flasche Gin auf der Bühne stehen. Jetzt beim zweiten Album sind es sogar zwei.
Raffi: Wir freuen uns jetzt schon auf das dritte Album und drei Flaschen Gin.
Moritz: Manchmal entscheidet man sich eben sehr bewusst dazu, den Abend mit Alkohol zu verbringen. Und das machen wir mit allen Vor- und Nachteilen, die dann am nächsten Tag oder noch in der Nacht auf einen zukommen.
"Endlich wieder Februar" thematisiert hingegen die Tiefen des Lebens, in denen man ab und an steckt. Wie oft haben Sie schlechte Zeiten?
Jonas: Zum Glück weniger als früher. Vor zehn Jahren habe ich mich gerne im Selbstmitleid gesuhlt und im Endeffekt andere dafür verantwortlich gemacht. Aber so eine gewisse Melancholie hat auch etwas Schönes. Wenn es mir nur gut gehen würde, würde ich schlechte Texte schreiben. Eigentlich schreibe ich dann fast gar keine Texte. Die Kraft, die man aus schlechten Zeiten schöpft, ruft in mir eine krasse Leidenschaft hervor. Und Leidenschaft kommt ja von leiden. Von Herzbluten.