Schiller: Virtuelles Rendezvous mit Sharon Stone

Christopher von Deylen hat seine Besitztümer hinter sich gelassen und blickt mit Schiller in die Zukunft - "Future" lautet auch der Titel seines neuen Albums. Der Musiker im Interview über Optimismus, Gestaltungswillen und Sharon Stone als Songtexterin.
Lässt man das Klassik-Projekt "Opus" außen vor, ist "Future" das erste "richtige" Schiller-Album seit vier Jahren. In der Zwischenzeit hat sich bei Mastermind Christopher von Deylen (45) einiges getan: Auf der Suche nach persönlicher und künstlerischer Freiheit hat der Musiker seinen Besitz in Deutschland aufgelöst und lebt seitdem als ungebundener Globetrotter aus zwei Koffern. Für die Arbeit an "Future" hat er sich in Kalifornien niedergelassen. Dort fand er Inspiration durch die Weiten der Mojave-Wüste und durch eine Reihe interessanter Gastmusiker - unter anderem Hollywood-Star Sharon Stone, die sich als Songtexterin angeboten hatte. Wie es dazu kam, berichtet von Deylen im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.
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Viele Menschen blicken eher mit Sorge in die Zukunft, "Future" wirkt dagegen sehr optimistisch. Entspricht das auch Ihrer persönlichen Einstellung?
Christopher von Deylen: Zukunftsangst ist mir seit jeher relativ fremd. Man mag sie zwar verstehen, die grauen Wolken im Leben kann man ja nicht immer wegdichten. Aber eine gewisse Zukunfts-Zugewandtheit, ein Gestaltungswille, und sei es nur in der eigenen kleinen Welt, das ist etwas, das ich uneingeschränkt empfehlen kann. Denn im Prinzip zu sagen, "das wird nie was", ist extrem leicht, und man kann es sich in dieser Haltung ja auch sehr bequem machen. Ich habe jeden Tag die Chance, etwas aus meinem eigenen Morgen zu machen, im Großen wie im Kleinen. Die Spielräume, die ich habe, kann ich auch nutzen, und das macht uns ja auch eigentlich zu Menschen. Das ist fest in unserer DNA verankert. Wir haben die Kraft dazu, und am Ende ist es an uns. Egal was man uns erzählen will (lacht).
Und wie schlägt sich das in "Future" nieder?
Von Deylen: Ich möchte mit dem Album versuchen, eine Insel anzubieten, die vielleicht eine kleine Flucht aus der Hyperrealität darstellen kann, aus der Verechtzeitisierung, die uns ja alle mit immer rigoroserer Hand umgibt. Wir haben jede Sekunde uneingeschränkten Zugriff auf das, was die Welt gerade erlebt, wir können alles streamen, wir können allem und jedem followen. Gleichwohl bleibt bei uns ein schales Gefühl, dass wir doch wieder ganz viel verpasst haben. Man kann ja nicht die Gegenwart eines ganzen Planeten in Echtzeit verfolgen. Ein kurzes Innehalten - am besten mit Kopfhörern, denn es gibt bei "Future" sehr viele musikalische Details, die ich einzuweben versucht habe - hilft vielleicht dabei, zu versuchen, sich das eigene Morgen vorzustellen und das dann im Idealfall auch zu manifestieren.
Indem man zum Beispiel wie Sie alle Sachen verkauft, auswandert und aus zwei Koffern lebt?
Von Deylen: Zum Beispiel, genau. Es gäbe auch da tausend Gründe, es nicht zu machen, und erst recht, wenn man vielleicht zu sehr an der Gegenwart klebt, was ja immer wieder suggeriert wird: "Leb' für den Moment", "Genieße jeden Augenblick" - das ist auch richtig, aber man kann ja ein bisschen nach vorne gucken, nicht im Sinne eines Wahrsagers, sondern man kann selber Entscheidungen treffen, die vielleicht auf einen Weg führen, der auch am Ende ganz anders kommen kann, als man gedacht hat. Aber das finde ich schön und das zeichnet ja den Menschen auch aus, dass er das kann.
Der bemerkenswerteste Gast auf "Future" ist wohl Sharon Stone, die den Text von "For You" geschrieben hat. Wie kam es dazu?
Von Deylen: Das war eine Begegnung, die man beim besten Willen nicht hätte voraussagen können. Ich habe mich ja in einem anderen Teil der Welt aufgehalten, in dem man jetzt nicht unbedingt auf mich gewartet hat. Ich habe im Prinzip bei null angefangen, aber schnell viele Mitstreiter gefunden, mit denen ich dann immer wieder im Studio gearbeitet habe. Und irgendwie scheint sich das herumgesprochen zu haben, so dass auf einmal Sharon Stone - die Schiller kannte, was ich nicht wusste - durch ihren Agenten fragen ließ, ob ich denn nicht Lust hätte, einen ihrer Texte zu vertonen. Da fing die Überraschung schon an, weil ich natürlich nicht wusste, dass Sharon Stone Songtexte schreibt. Zumal man bei Schauspielern ja eher denkt, dass das Bestreben dahingeht, zu singen. Dass sie aber einen Text geschrieben hatte, fand ich da umso spannender.
Sie haben gleich zugesagt?
Von Deylen: Ich habe natürlich sofort gesagt, das möchte ich machen. Ich fand den Text ohnehin schön, auch wenn er nicht von Sharon Stone gewesen wäre. Ich habe diesem vom einer Frau geschriebenen Text - vermutlich ein Liebeslied, vermutlich an einen Mann gerichtet - beim Vertonen auch noch einen kleinen Twist hinzugefügt, indem ich einen Mann als Sänger ausgesucht habe, Thomas "Tawgs" Salter aus Kanada. Nachdem ich ein paar Tage unsicher war, wie wohl die Reaktion darauf ist, habe ich ihr einen geheimen Youtube-Link geschickt. Das war schon spät abends, und am nächsten Morgen habe ich gesehen, dass der 71 Mal abgerufen wurde. Fast zeitgleich kam von ihrem Agenten wiederum eine sehr schnörkellose E-Mail: "Sharon loves it." Das war für mich dann die Finalisierung eines sehr bizarren, virtuellen Rendezvous'.
Was die Gäste angeht, haben Sie dieses Mal ansonsten eher auf jüngere Künstler gesetzt.
Von Deylen: Das war Zufall, aber passend zum Titel "Future" hat es sich ergeben, dass ich die Gelegenheit hatte, mit vielen jungen Künstlern zusammenzuarbeiten, die gerade erst im Begriff sind, ihre musikalische Zukunft zu beginnen. Das war schon beeindruckend, weil man hier und da sich auch wiedererkannt hat. Kéta zum Beispiel, die das Titellied gesungen hat, ist 17 und erst dabei, sich musikalisch zu finden als Künstlerin. Mit 17 ist es bekanntlich schon nicht so einfach, sich überhaupt als Mensch zu finden, und es ist erst recht eine Herausforderung, sich dann als Künstler zu definieren. Und zu sehen, mit welcher Leidenschaft und Kompromisslosigkeit sich dem gestellt wird, hat, glaube ich, auf mich auch abgefärbt.