Strafverfolgung im Fall Böhmermann: Die Reaktionen

Satiriker Jan Böhmermann darf wegen seines Schmähgedichts gegen den türkischen Präsidenten Erdogan strafrechtlich verfolgt werden. Die Bundeskanzlerin erntet viel Kritik für diese Entscheidung, vor allem von Koalitionspartner SPD. Auch Oliver Kalkofe schämt sich für Merkels "Rückgratlosigkeit".
Die Bundesregierung erlaubt die strafrechtliche Verfolgung von Jan Böhmermann wegen seines Schmähgedichts gegen den türkischen Präsidenten Erdogan. Doch hauptsächlich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) steht im Fadenkreuz nach diesem Paukenschlag. Nicht nur der Koalitionspartner SPD distanzierte sich von der Entscheidung. Auch das Netz läuft heiß. Komiker Oliver Kalkofe meldete sich umgehend zu Wort und schämt sich für die "Rückgratlosigkeit" von Merkel.
Bricht die Koalition auseinander?
Die SPD hat nicht lange gewartet, um die Entscheidung im Fall Böhmermann nicht der Regierung, sondern alleine Angela Merkel in die Schuhe zu schieben. Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Justizminister Heiko Maas gaben eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie bekannt gaben, dass die SPD-Minister gegen die Entscheidung gestimmt haben. Aufgrund der Stimmengleichheit habe die Stimme der Kanzlerin entschieden. "Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit sind höchste Schutzgüter unserer Verfassung", so Steinmeier.
Auch Thomas Oppermann, der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, twitterte, dass er die Entscheidung für falsch halte. "Strafverfolgung von Satire wg 'Majestätsbeleidigung' passt nicht in moderne Demokratie." Christian Lindner, der Bundesvorsitzende der FDP, erklärte ebenfalls via Twitter: "Symbolwirkung von #Böhmermann ist sehr groß. #Merkel hätte politisch anders entscheiden müssen."
Kalkofe mit klarer Aussage
Oliver Kalkofe fand klare Worte auf seinem Facebook-Profil. "Mein Bauchgefühl sagt mir, wir erlebten hier gerade den Anfang vom Ende der Ära Merkel... Ein mutloses, unsouveränes und potentiell fatales Zeichen. In einer Lose-Lose-Situation wurde am Ende die Doppel-Lose-Entscheidung gewählt..." Auf Twitter ging er noch einen Schritt weiter und schrieb, er schäme sich für die Rückgratlosigkeit Merkels. Sie hätte ihre Eier verloren.
Micky Beisenherz twitterte: "Hätte #Merkel das #schmaehgedicht vorgetragen - #Erdogan hätte aus Mitleid auf die Klage verzichtet. Am Ende werden wir ziegen."
Viele Politiker, viele Meinungen
Anton Hofreiter von den Grünen erklärte vor der Presse: "Frau Merkel hat sich selbst die Falle gestellt, sie hat die Frage selbst politisiert (...) und damit gab es für Merkel nur noch falsche Entscheidungen und nachdem sie sich entschieden hat, das Strafverfahren zuzulassen, muss Frau Merkel jetzt mit dem Vorwurf leben, dass sie vor Erdogan eingeknickt ist, sie muss mit dem Vorwurf leben, dass ihr der Deal mit der Türkei wichtiger ist als die Verteidigung der Pressefreiheit, sie muss mit dem Vorwurf leben, dass sie nicht mehr glaubwürdig ist. (...)"
Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionsvorsitzende der Grünen nannte auf Twitter die Entscheidung eine Blamage und eine Falle, die sich Merkel selbst gestellt habe. Immerhin werde nun Paragraf 103 abgeschafft, was längst überfällig war. Auch Justizminister Heiko Maas erklärt auf Twitter, wie auch schon in dem offiziellen Statement vor der Presse, dass die Sonderregelung der Beleidigung von ausländischen Staatsoberhäuptern aus der Zeit gefallen sei.
Sahra Wagenknecht, die Vorsitzende der Linksfraktion, twitterte: "Unerträglicher Kotau: Merkel kuscht vor türkischem Despoten Erdogan und opfert Pressefreiheit in Deutschland #Boehmi". Und auch Stefan Fulst-Blei, der parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg, meldete sich via Twitter zu Wort: "Egal, wie 'geschmackvoll' man #Böhmermann's Beitrag findet: Die Freiheit der Satire kann nicht zur Disposition gestellt werden!"
Jeder hat eine Meinung
Der Deutsche Journalistenverband nannte die Entscheidung der Bundesregierung auf Twitter überflüssig. Sie setze zudem ein grundfalsches Signal. CDU-Generalsekretär Peter Tauber verteidigte Angela Merkel dagegen. "Die Bundesregierung nimmt den Rechtsstaat ernst. Auch wenn es manchmal weh tut." Es gibt auch etliche Reaktionen in den sozialen Netzwerken und in den Medien, die die Entscheidung keineswegs so kritisch sehen und die rechtsstaatliche Prüfung begrüßen. Die Sendung extra3 twitterte süffisant: "Eilmeldung: Wir können uns jetzt alle wieder mit wichtigen Sachen beschäftigen."
Ist Angela Merkel wirklich eingeknickt? Sie lässt die Strafverfolgung zwar zu, doch schafft sie zugleich auch den Paragrafen im Strafgesetzbuch zu Majestätsbeleidigung ab, der das Schlamassel erst möglich gemacht hat. Außerdem stellte sie klar, diese Belange seien Sache der Justiz und nicht der Politik. Ihre Ansage an Erdogan war eindeutig: Wenn er mit der Türkei in die EU eintreten wolle, müsse er sich daran orientieren, wie in Europa ein Rechtsstaat funktioniere. Für Jan Böhmermann kann die Sache natürlich dennoch bitter enden. Doch eine Verurteilung erscheint absurd, fast so absurd wie der ganze Fall an sich.