Überraschung am Nockherberg! Genialer Spagat zwischen Humor und Kritik

So einig war man sich noch nie. Durch die Bank gab es Bestnoten für das Singspiel von Marcus H. Rosenmüller und sein Team. Und Luise Kinseher? Die formulierte messerscharf - auch nach dem Ende des offiziellen Teils.
Der Starkbieranstich am Nockherberg in München ist traditionell keine Wohlfühlveranstaltung für Politiker. Deftig geht es beim Derblecken zu - nicht nur wegen Schweinebraten und Starkbier. Doch diesmal war es überraschenderweise anders und spot on news war im Salvatorkeller dabei.
Der Abend begann auch am Mittwoch wieder mit der Fastenpredigt, die zum siebten Mal Luise Kinseher (48, "München 7") als Mama Bavaria übernahm. Beim Levitenlesen war sie pointiert und frech wie gewohnt, dabei aber "erstaunlich sanft", wie es im Anschluss unisono hieß. Dafür hatte die bayerische Kabarettistin eine hintergründige Erklärung: "Letztes Jahr wurde die Rede als etwas schärfer empfunden, weil die ganze politische Situation durch die Flüchtlingsproblematik so unfassbar aufgeladen war. Da war jeder ein bisschen dünnhäutiger. Dieses Jahr ist es wieder ein bisschen anders. Ich bin eigentlich immer gleich."
Sensationelles Singspiel
Danach folgte das Singspiel und mit "Scheining" übertrafen sie sich diesmal selbst: Regisseur Marcus H. Rosenmüller (43), Autor Thomas Lienenlüke (48), Komponist Gerd Baumann (*1967), Bühnenbildnerin Doerthe Komnick und die vielen Schauspieler und Musiker. Zur großen Überraschung aller im Saal präsentierten die Künstler ein Schauspiel mit musikalischen Einlagen, das fantasievoller, geistreicher, pointierter nicht hätte sein können - und in keiner Sequenz unter der Gürtellinie traf.
"Es ist so klug und wirklich ganz große Kunst", urteilte auch die österreichische Schauspielerin Aglaia Szyszkowitz (49, "Sams im Glück"). Ob es zu böse war? "Nein, genauso muss Politik gespiegelt werden. Es ist ja auch eine wahnsinnige Chance für die Politiker, sich mal gespiegelt zu sehen, und daraus vielleicht etwas zu lernen."
Was die Politiker vielleicht lernen könnten, fasste Veranstalter Till Hofmann so zusammen: "Dieser Blick auf Wahrhaftigkeit und Respekt voreinander - was auch im Wahlkampf gelten sollte. Sich nicht anstecken lassen vom Rechtspopulismus. Das sind schon die richtigen Empfehlungen für alle, die in der Politik zu tun haben." Insgesamt sei das ein Singspiel auf "sehr hohem Niveau" gewesen. "Und für eine Inszenierung für einen Tag auf so kurze Zeit, hat das der Rosi wieder super hinbekommen." Rosenmüller sei einfach nie verletzend, "er will wirklich etwas und davon bin ich absolut begeistert".
Dass Rosenmüller und sein Team nicht einfach nur draufhauen, betonte auch Schauspieler Max von Thun (40) in seinem Resumé: "Das Singspiel fand ich wieder einmal sehr originell. Seit es der Rosi macht, kann ich sehr darüber lachen, weil ich in sehr vielen Passagen seinen Humor erkenne. Er findet einen sehr guten Spagat zwischen liebevollem Humor, kritischen Zwischentönen und halt Derblecken, was hier dazugehört."
Ex-Bunte-Chefin Patricia Riekel (67), seit Jahren eine der ganz wenigen geladenen Frauen im Saal, war also die Richtige, um das Singspiel 2017 mit den Vorgängern zu vergleichen: "Es war das Beste, was ich bisher gesehen habe. Es war wahnsinnig amüsant." Dem konnte auch ihr Liebster, Ex-Focus-Chef Helmut Markwort (80), nur beipflichten: "Gut, lustig, komödiantisch, toll. Ein Jammer, dass sie das nur einmal spielen."
Und was sagten die Regie-Kollegen?
Keine Frage, Lob gab es auch von Regie-Kollegen wie Franz Xaver Bogner (68): "Das Singspiel hat mir sehr gut gefallen. Der Rosenmüller macht das immer sehr fantasievoll und mit tollen Theater-Elementen zwischendurch. Und auch die Pointen waren ganz toll gesetzt."
Auch Jule Ronstedt (45, "Almanya - Willkommen in Deutschland") hat Erfahrung als Regisseurin: "Mir ist schon klar, was für eine Riesenleistung das auf allen Ebenen ist. Erstmal diese Ideen zu haben und die musikalischen Geschichten durchzuchoreografieren... Außerdem sind die Figuren zum Großteil alte Bekannte und man merkt den Schauspielern an, dass sie ihre Figuren mögen und kennen", so ihr qualifizierter Kommentar.
We want more!
Und dann sprach Ronstedt noch das an, was die meisten sagten und alle anderen wohl ebenfalls dachten: "Ich finde es nur wahnsinnig schade, dass das nur einmal live stattfindet. Viele sehen es ja immerhin im Fernsehen, aber ich würde es noch mehr Leuten live gönnen."
Nockherberg - reine Männersache
So künstlerisch beeindruckend der Nockherberg 2017 auch war, gleicht die Veranstaltung doch nach wie vor streckenweise einem überdimensionalen bayerischen Stammtisch. Unter anderem weil bis auf die Bedienungen kaum Frauen im Saal sind. Wie präzise sie formuliert, demonstrierte Luise Kinseher dann auch bei diesem Thema:
"Es ist Tradition am Nockherberg, dass nur Persönlichkeiten eingeladen werden, die in gehobenen Positionen in der Politik und im öffentlichen Leben sind. Und wenn sich in unserer Gesellschaft nichts ändert, wird sich auch am Nockherberg nichts ändern. Wir sehen hier sehr gut, wie Frauen und Männer in den Führungspositionen unseres Landes nach wie vor verteilt sind", sagt sie. Das habe nichts mit der Einladungspolitik von Paulaner zu tun, sondern damit, wie unsere Gesellschaft von Männern geprägt sei.
Der Nockherberg für Genießer
Wer es am Mittwoch nicht in den Saal oder vor den Fernseher geschafft hat oder diese außergewöhnliche Veranstaltung einfach nochmal genießen möchte, hat diverse Möglichkeiten: Die Sendung steht in der Mediathek des Bayerischen Rundfunks zur Verfügung. Die besten Ausschnitte, die ganze Fastenpredigt und das Singspiel gibt es auch im Youtube-Kanal des Bayerischen Rundfunks auf youtube.com/BR. Und am Samstag, 11. März, zeigt der Sender dann noch eine Zusammenfassung: "Auf dem Nockherberg 2017: Best of - Die Starkbierprobe" (20.15 bis 22.45 Uhr). Prost!