"Hundstage" aus Dortmund: Sex an der Wurstbude

Faber (Jörg Hartmann) leidet: Hitze, ein Mord, Ärger mit den Kollegen. © WDR/Wolfgang Ennenbach Am Hafen fielen Schüsse, Faber konnte nur eine Person retten. Doch Martina Bönisch (Anna Schudt)... © WDR/Wolfgang Ennenbach
Es fabert wieder: Nach der Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Faber ist die Stimmung im Dortmunder Team so mies wie nie. Ausgerechnet jetzt taucht eine Leiche auf, die unschöne Erinnerungen wachruft, sowohl bei Faber als auch bei Martina Bönisch. Aber: Je dreckiger es den Ermittlern geht, desto besser sind die Dortmund-Tatorte bislang. Gilt das auch für "Hundstage", mit neuem Autor und neuem Regisseur?
Worum geht’s?
Nach einem überschaubar erfolgreichen Besuch beim Psychologen streunt Faber (Jörg Hartmann) durch die hitzeflirrende Stadt, als am Hafen Schüsse fallen. Zwei Menschen treiben im Wasser, doch Faber kann nur Judith Stiehler (Anne Ratte-Polle) retten. Max Dehlens (Ralf Drexler) kann nur tot geborgen werden – mit einem Einschussloch in der Brust.
Martina Böhnisch (Anna Schudt) erkennt Dehlens sofort wieder: Vor 14 Jahren hat sie ermittelt, als der Sohn der Dehlens spurlos verschwunden war. Bis heute ist Tommi nicht wieder aufgetaucht, Böhnisch fragt sich noch immer, ob sie damals mehr hätte tun können. Auch Eva Dehlens (Maren Eggert) ist noch lange nicht darüber hinweg, die Familie leidet noch immer unter dem Verlust.
Auch die Verbindung zwischen dem Toten und Judith Stiehler ist schnell klar: In ihrem Sohn Jonas (Patrick Mölleken) glaubte Eva Dehlens seit einiger Zeit ihr verschwundenes Kind wiederzuerkennen. Bildet sich die psychisch angeknackste Frau das ein oder ist Jonas tatsächlich Tommi? Weil Bönisch in diesem Fall befangen ist und Faber noch mit dem internen Verfahren kämpft, müssen Daniel Kossik (Stefan Konarske) und Nora Dalay (Aylin Tezel) ran – doch die haben bekanntlich ebenfalls das eine oder andere Problem.
Worum geht es wirklich?
Nicht zum ersten Mal im Dortmunder Tatort stehen auf vielfältige Weise gescheiterte Eltern-Kind-Beziehungen im Mittelpunkt. Fast alle Figuren haben Kinder verloren: Faber leidet (wieder) unter dem Verlust seiner Familie, Martina Bönisch kriecht ihren Söhnen hinterher, zwischen Nora und Daniel schwebt noch immer die Abtreibung im Raum. Auch Eva Dehlens kommt noch immer nicht mit dem Verlust ihres Kindes klar, an dem sich wiederum Bönisch die Schuld gibt. Puuuh, jede Menge seelischer Ballast, der hier durch den siedend heißen Ruhrpott gekarrt wird.
Ist die Handlung glaubwürdig?
Die Häufung zerstörter Kinder-Leben ist schon auffällig. Dennoch ist die Geschichte durchaus plausibel aufgebaut, auch wenn die Ermittlungen zum Ende hin einen Haken zu viel schlagen. Der Dortmunder Tatort muss jedoch aufpassen, dass sich die Ermittler nicht zu sehr um sich selbst drehen. Noch tragen die Figuren Faber und Bönisch diese Erzählweise mit, aber schon die neuerlichen Kapriolen von Daniel Kossik sind "too much".
Bester Auftritt
Besonders heraus ragt in "Hundstage" keiner, der Fokus liegt auf Faber und Bönisch. Nach wie vor ist Jörg Hartmann der wahrscheinlich beste Tatort-Kommissar derzeit, trotz vielen Ausflügen ins Private. Die aggressive Stimmung im Dortmunder Team ist eine willkommene Abwechslung zu all den Buddy-Cops an anderen Tatorten, die sich allenfalls mal necken. In Dortmund fliegen Fetzen und Fäuste. Ein schöner Bruch mit Tatort-Klischees: An der Wurstbude auf der Industrie-Brache gibt es billiges Bier und schnellen, aber erfolglosen Sex statt Currywurst-Romantik mit Panorama.
Ein wenig verwirrend ist der Auftritt von Maren Eggert. Die langjährige Polizei-Psychologin vom Tatort Kiel war erst im November in "Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes" wieder präsent, nun spielt sie die psychisch angeknackste Eva Dehlens. Tatort-Stammgucker brauchen ein bisschen, um sich bei ihrem Anblick von Frieda Jung aus Kiel zu lösen.
Was muss man sich merken?
Wie immer im horizontal erzählten Dortmunder Tatort passiert jede Menge, was beim nächsten Mal eine Rolle spielt. Es gilt noch, den Fortgang von Fabers Diziplinarverfahren zu zeigen, außerdem schwebt Kossik zwischen Alkohol-Absturz und Versöhnung mit Nora. Bei Martina Bönisch ist die Familie wohl endgültig zerbrochen. Wer ohne Vorkenntnisse einsteigt, wird wohl bisweilen große Fragezeichen in den Augen haben. Aber als Tatort-Fan sollten die Dortmunder Fälle ja ohnehin ein Muss sein.
Soll man gucken?
Gerne. Zwar kommt " Hundstage" nicht ganz an die Dortmunder Episoden von Faber-Erfinder Jürgen Werner heran, doch Autor Christian Jeltsch schafft es ganz gut, den Ton der bisherigen Fälle zu treffen. Vor allem aber wartet hier ein dichter und gut erzählter Krimi, im Gegensatz zu den Fällen der letzten Wochen. Faber ist brillant wie eh und je, und auch die Fraktion der Faber-Hasser (die es ja erstaunlicherweise geben soll) hat mit Kossik nun eine Identifikationsfigur. Warum allerdings ein Hochsommer-Tatort Ende Januar gezeigt wird, bleibt wohl das Geheimnis der ARD. Kurzum: Kein Meilenstein, aber ein guter Tatort!