Karnevals-Tatort aus Köln: Humor ist eine todernste Sache

Freddy feiert, Max muffelt: Der Karnevals-Tatort "Tanzmariechen" nimmt auf die Stimmung außerhalb der Hochburgen durchaus Rücksicht. © WDR/Thomas Kost
Als Norddeutscher rollen sich beim Gedanken an Karneval ja gerne mal die Zehennägel auf. Dem neuen Kölner Tatort "Tanzmariechen" sind wir dementsprechend – nun ja – nicht ganz unvoreingenommen gegenübergetreten. Am Ende entpuppte sich das Ganze dann aber als halb so wild.
Karnevals-Muffel bekommen Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) als Identifikationsfigur, der begegnet dem Zwangs-Frohsinn grummelig bis ablehnend. Faschings-Enthusiasten hingegen haben nicht nur Freddy Schenk (Dietmar Bär), sondern gleich einen ganzen Karnevals-Verein, für dessen Mitglieder das Humor-Business nicht nur ein Hobby ist, sondern ein bitterernster Kampf ums Überleben.
Karneval-Tradition gegen Kommerz
Allen voran Präsident und Bauunternehmer Kowatsch (Herbert Knaup) ist von Ehrgeiz und Geltungssucht getrieben. Er setzt alles daran, die Tanz-Truppe "De jecke Aape" an die Spitze dessen zu bringen, was für ihn den Karneval ausmacht: Köln-Arena und TV-Auftritte. Kowatsch geht es um Ruhm und eigene Vorteile, damit ist er mittendrin im Kölner Klüngel ("Mensch, ich hab dir deine Terrasse für lau gemacht…"). Der Karneval als Ego-Booster, dafür hat er eigens die renommierte Tanzlehrerin Elke Schetter (Katja Heinrich) engagiert.
Diese liegt jedoch nach einem miesen Auftritt und dem folgenden Streit in der Truppe mit eingeschlagenem Schädel zwischen ausrangierten Motto-Wagen. Sind Kowatsch die Nerven durchgegangen? War es das zickige Tanzmariechen Saskia Unger (Sinja Dieks)? Oder ihre Rivalin Annika Lobinger (Natalia Rudziewicz)? Ballauf und Schenk haben die freie Auswahl an Motiven im Mikrokosmos der Tanz-Freaks.
Besonders verdächtig ist Rainer Pösel. Der Vollblut-Karnevalist verabscheut den Kommerz, für den Kowatsch und Co. stehen. Seine Tochter Evelyn war der Star der Tanztruppe, bis sie einige Wochen zuvor Selbstmord beging. Pösel macht Kowatsch und Schetter für ihren Tod verantwortlich. Seine Trauer überspielt der Ur-Kölner damit, seinen verunsicherten Sohn Paul zu einem Bütten-Redner zu machen. Pösels Frau Martina (Milena Dreißig) hingegen beginnt, den Karneval zu hassen.
Standard-Tatort im Karnevals-Kostüm
Nach dem Oktoberfest-Tatort aus München und kurz vor dem Kieler-Woche-Fall für Borowski verwurstet nun also Köln sein lokales Brauchtum. Übrigens nicht zum ersten Mal, schon in " Restrisiko" (1999) schleifte Freddy einen mürrischen Max durch den Karneval. Wer mit diesem nichts anfangen kann, sei aber beruhigt: Karneval ist "nur" Kulisse für einen eher unspektakulären Standard-Krimi.
" Tanzmariechen" ist ein souverän runtererzählter Fall, quasi ein Tatort aus dem Lehrbuch: Mord mit banalem Motiv, eine überschaubare Menge an Akteuren, der 21:15-Uhr-Verdächtige und schließlich die nicht ganz überraschende Auflösung. Garniert mit einem Hauch Nebenhandlung: Freddy sucht ein Kostüm für seine Enkelin, Tobias (Patrick Abozen) bekommt Knutsch-Besuch von seinem Freund.
Was der Kölner Tatort gut kann: Die Karnevals-Welt auch für Nicht-Rheinländer nachvollziehbar sezieren, mit all den tristen Mehrzweckhallen, miefigen Tanz-Sälen und der harten Arbeit hinter der Gute-Laune-Fassade. Besonderes Lob für die Auswahl des Pösel’s chen Hauses, bei dem die Spießigkeit aus jeder Ritze hervorquillt!
Was nicht so passt: Der Zeitpunkt. Warum sendet man mitten im Karneval einen Karnevals-Tatort – der dann aber rund um den 11.11. spielt? Außerdem strotzen die Dialoge über weite Teile nur so von Platitüden und hohlen Phrasen, die es teilweise unmöglich machen, bei der Sache zu bleiben.
Auch Karnevals-Muffel können also beruhigt einschalten, Vorurteile über schlechte Witze und schmierige Funktionäre im Karneval werden in "Tanzmariechen" alles andere als widerlegt. Herausragende Einfälle oder Schauspiel-Leistungen braucht aber niemand zu erwarten. Ein – im guten wie im schlechten Sinne – Durchschnitts- Tatort.