"LU" im Kreuzverhör: Downtown Lumpenhafen

Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Lu (Jürgen Vogel): Was hat der smarte Abenteurer mit den Morden am Tatort Ludwigshafen zu tun? © SWR/Alexander Kluge
Nach all den irgendwie verkorksten Fällen der letzten Zeit hat man sich in Ludwigshafen offenbar vorgenommen, einen "besonderen" Tatort zu machen. Das Ergebnis heißt "LU" und läuft am Sonntag. Wir bangen und fragen: Kann das gut gehen?
Worum geht’s?
Ein toter bulgarischer Killer liegt auf dem Dach eines verlassenen Einkaufszentrums. Vor 15 Jahren war er in den Mord an einem Chemiker verwickelt und seither von der Bildfläche verschwunden. Ebenfalls seit 15 Jahren verschollen war Geldeintreiber Ludwig "Lu" Wolff (Jürgen Vogel), der sich jetzt ebenfalls wieder in Ludwigshafen rumtreibt. Das Ludwigshafener Tatort-Team wittert einen Zusammenhang.
Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), Mario Kopper (Andreas Hoppe) und – jetzt wohl fest im Team – Johanna Stern (Lisa Bitter) statten zuerst Dr. Mark Moss (Christoph Bach) einen Besuch ab. Der aufstrebende Manager war ein enger Freund des ermordeten Chemikers und steht nun kurz vor dem Aufstieg in den Vorstand eines Chemie-Giganten. Doch mit dessen Tod und seinen Drogen-Geschäften will der aalglatte Erfolgsmensch nichts zu tun gehabt haben.
Durch einen Zufall rettet Lena Odenthal den geheimnisvollen Lu vor einem weiteren Killer, der jedoch flüchten kann. Schnell lässt sich Lena von Lu um den Finger wickeln und ist von seiner Unschuld überzeugt – ganz im Gegensatz zu Lisa Bitter, die offen auf Konfrontationskurs zur altgedienten Kommissarin geht.
Worum geht es wirklich?
Es soll wohl Ludwigshafen als verruchte Metropole inszeniert werden. Schon beim Titel hat sich jemand ausgetobt und – kicher, kicher – einfach das Ludwigshafener Kfz-Kennzeichen genommen. Sie sind schon Füchse, dort in der Pfalz. Das Einhämmern von Lokalkolorit wird mit unzähligen Schwenks über Rhein, Brücken, Rheinbrücken und Industrie-Anlagen so penetrant betrieben wie lange nicht. Und die gefühlt vollkommen identischen "Stimmungsbilder" von einer Bushaltestelle sollen wohl pulsierendes Leben in "Lumpenhafen" (O-Ton Lu) symbolisieren. Dafür ist am Bahnhof kein einziger Mensch zu sehen.
Ist die Handlung glaubwürdig?
Naja. Der Bezug zur lokalen Chemie-Industrie drängt sich auf, viele andere Details wirken ein wenig über-konstruiert. Wer am Ende aus dem Stehgreif zusammenkriegt, wer nun warum wen und wann ermordet hat, kann vermutlich auch komplexe Formeln im Kopf berechnen. Die Figuren sind demgegenüber erschreckend flach: Vom schleimigen Manager im Glas-Büro bis zur alternden Puff-Mutti (Ingrid van Bergen, nebst Wischmopp-Perücke) sehen wir reichlich Stereotypen ohne wirklichen Tiefgang. Der einzige Charakter, der so etwas wie Facetten hat, ist Jürgen Vogel alias Lu – der gar nicht so heimliche Star dieses Tatortes.
Bester Auftritt
Jürgen Vogel ist das Musterbeispiel dafür, was mit guten Schauspielern und guten Büchern alles möglich wäre. Eigentlich ein harter Hund mit "Halunke"-Tattoo und Schussnarbe im Gesicht, entpuppt er sich als verständnisvoller, geläuterter Abenteurer. So viel Ambivalenz und Tiefgang ist Lena Odenthal offenbar seit Jahren nicht mehr begegnet, jedenfalls schmilzt die Kommissarin dahin wie Butter auf der Herdplatte. Schauspieler wie Jürgen Vogel sieht man leider viel zu selten im Tatort – schade!
Was muss man sich merken?
Burnout und Lenas Selbsterfahrungs-Trip kommen in "Lu" kaum zur Sprache – gut so! Doch die Alternative ist kaum besser: Das permanente Rumgezicke zwischen der alternden Kommissarin und der jungen, ehrgeizigen Johanna Stern geht nicht nur Kopper gehörig auf die Nerven. In "Lu" kommt es mehr als einmal zu offenen Wortgefechten und Handgreiflichkeiten. Odenthal scheint es sich auch bei ihrem Team langsam aber sicher zu verscherzen.
Soll man gucken?
Och. Wir haben schon schlechtere Tatorte aus Ludwigshafen gesehen. Aber auch Bessere. Jürgen Vogel hebt diesen Fall über das hier übliche Niveau hinaus, aber wer mit Lena Odenthal nichts anfangen kann, der wird auch durch "Lu" nicht zum Ludwigshafen-Fan. Richtig miträtseln ist leider nicht drin, weil der Tatort mit seinen Zeitsprüngen und wirren Zusammenhängen einfach sehr unübersichtlich ist. Die äußere Form passt zum anstrengenden Inhalt: Schnelle Schnitte, wacklige Kamera, körnige Rückblenden und 90er-Jahre-Billig-Musik lassen " Lu" wie eine Parodie auf Möchtegern-Thriller wirken. Downtown Ludwigshafen, ein ganz gefährliches Pflaster. Da kann man verstehen, warum Lu vor 15 Jahren nach Thailand ausgewandert ist.