Luzern-Tatort "Schutzlos": Nach Hause geht es im Sarg

Flückiger am Boden: Spontane Migräne-Attacken machen dem Luzerner Kommissar (Stefan Gubser) zu schaffen. © ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler
Nur dieses eine Mal erwähnen wir es und dann nicht mehr, versprochen! Also: Die Synchronisation im Luzern-Tatort ist auch dieses Mal wieder – gelinde gesagt - völlig misslungen und nervt. Was gibt es sonst zu "Schutzlos" zu sagen, dem achten Fall der Schweizer Ermittler? Das verraten wir im Kreuzverhör!
Worum geht’s?
Ebi West (Charles Mnene) kam als minderjähriger Flüchtling nach Luzern und lebte dort in einem Jugendheim. Mit der Volljährigkeit kam der Abschiebebescheid und Ebi verschwand. Zwei Monate später wird er tot unter einer Brücke gefunden – vollgepumpt mit Kokain und mit einem Messer im Herzen.
Als der migränegeplagte Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) Ebis letzte Wochen rekonstruieren, wird schnell klar, dass der junge Nigerianer als Drogendealer auf der berüchtigten Baselstraße unterwegs war. Polizeichef Mattmann (Jean-Pierre Cornu) will den Fall einfach nur schnell abschließen, Drogenfahnder Hofstetter (Andreas Krämer) hat schon lange resigniert.
Doch die Kommissare vom Tatort Luzern lassen nicht locker: Im Flüchtlingsheim treffen sie auf die geheimnisvolle Jola (Marie-Helene Boyd), die Ebi scheinbar kannte und nun ihrerseits den Kontakt zu der Drogen-Bande sucht. Außerdem ist da noch Navid (Rauand Taleb), der in Jola verliebt ist und ihr hinterherschnüffelt…
Worum geht es wirklich?
Entweder in Handschellen oder im Sarg – so verlassen die Flüchtlinge die Schweiz, zumindest laut der Luzerner Polizei. " Schutzlos" ist nicht nur der Titel, sondern auch Programm, denn für Behörden und Polizei sind die jungen Afrikaner vor allem lästig. Doch der – leider immer aktuellen – Flüchtlings-Problematik sind hier noch Drogen-Dramen und ein Schuss Liebes-Tragödie beigemischt, das ist unterm Strich ein bisschen zu viel.
Ist die Handlung glaubwürdig?
Die Luzerner Baselstraße gilt weit über die Stadtgrenzen hinaus als "Straße der Angst", nirgendwo sonst gibt es so viel Kriminalität. Diese Verankerung in der Realität tut dem Schweizer Tatort gut, doch leider kommen die meisten Figuren nicht über Stereotypen und Klischees hinaus. Außerdem wimmelt es von Ungereimtheiten und wir sehen nach längerer Zeit mal wieder eine der berühmt-berüchtigten Tatort-Auflösungen, bei der die letzten zehn Minuten haarsträubend wenig mit dem Rest des Films zu tun haben. Aber ganz ehrlich: Das haben wir in Luzern schon deutlich schlimmer gesehen.
Bester Auftritt
Hmm. Den mit Abstand größten Spiel-Anteil haben in "Schutzlos" die Kommissare. Auch wenn die Figuren inzwischen ein wenig vertrauter wirken, viel Profil haben Flückiger und Ritschard noch immer nicht. Flückigers Halluzinationen im Migräne-Delirium wirken ein bisschen wie der Versuch, das zu ändern. Doch auch bei SRF scheint man nicht zufrieden zu sein, jedenfalls steht das Team aktuell zur Diskussion.
Darüber hinaus hat allenfalls noch die Darstellerin der jungen Nigerianerin Jola, Marie-Helene Boyd, eine Chance sich zu profilieren, doch leider darf sie in ihrer Rolle über weite Teile des Tatorts nicht mehr als schüchtern schweigen.
Was muss man sich merken?
Offenbar soll man sich gar nicht so viel merken. Denn eine nennenswerte Kontinuität ist in Luzern schon seit Längerem nicht mehr erkennbar. Nicht, dass wir uns von den Kommissaren wie andernorts ein aufreibendes Privatleben wünschen würden. Aber Flückigers Migräne schon mit den Worten "Das geht irgendwann von selbst weg" einzuführen, bedeutet übersetzt nicht viel mehr als "Mal sehen, ob wir das irgendwann noch mal für eine plötzliche Wendung gebrauchen können".
Soll man gucken?
Durch die Polizeiruf-Pause am vergangenen Sonntag ist der Tatort gefühlt schon in der Sommerpause. Und "Schutzlos" ist nun wirklich nicht in der Lage, noch einmal größere Begeisterungsstürme zu entfachen, noch dazu in der ersten Hitzewelle des Sommers. Allenfalls lauwarm kommt dieser Luzern-Tatort daher. Aber, um es deutlich zu sagen: "Schutzlos" ist besser als die meisten der vorherigen Flückiger-Fälle, doch das ist auch der Wetterbericht der Tagesschau.
Trotz eines Schrittes nach vorne kann dieser Schweizer Tatort noch immer nicht die Qualitäts-Standards der Reihe erreichen, geschweige denn wirklich überzeugen. Auch wenn das Thema ambitioniert ist, wirkt die Geschichte ein wenig lieblos zusammengestückelt und heruntergespielt. Außerdem dürfte Reto Flückiger der erste Tatort-Kommissar sein, der auf den Rat "Bleib mal einen Tag zuhause" auch wirklich im Bett bleibt. Das muss ihm auch erst mal jemand nachmachen.