Pflege-Tatort: Schwester Fummel und der Tod

Tatort Stuttgart: Anne (Katharina Marie Schubert) versucht, zwischen Windeln, Waschlappen und lüsternen Greisen ihre Würde zu bewahren. © SWR/Maor Waisburd
Minuten-genaue Taktung, Stress mit Angehörigen, Übergriffe der Patienten, Vorgaben der Kassen - der Stuttgart-Tatort "Anne und der Tod" zeigt auf beklemmende Weise, wie der Alttag vieler Altenpflegerinnen und Pfleger aussieht. Eigentlich ein Thema für die Tränendrüse und den weit erhobenen Zeigefinger. Doch die Stuttgarter machen mehr draus: Sie zeigen die Welt von Altenpflegerin Anne Werner (Katharina Marie Schubert) ungeschönt und schaffen gleichzeitig einen einigermaßen spannenden Kriminalfall mit Humor, guten Dialogen und einer überraschenden Wendung am Ende.
Der rote Faden ist dabei das Verhör von Anne Werner. Die kammerspielartigen Szenen in den Polizei-Räumen sind dabei virtuos geschnitten und springen mit teils furiosen Tempi-Wechseln zwischen den Zeitebenen. Wer nur mit halbem Auge geschaut hat, dürfte schnell den Überblick verloren haben. Dabei wird die Figur Anne Werner immer mehr dekonstruiert, ihre Geheimnisse ans Licht gebracht, jedoch ohne ihre Würde anzukratzen. Denn Würde scheint für sie der zentrale Punkt im Leben zu sein. Egal ob ihre Vorgeschichte, ihr Sohn und am Ende auch das falsche Geständnis: Anne tut alles, um Ihr Gesicht zu wahren, vor ihrem Vater, ihrem Sohn, ihrer neugierigen Nachbarin.
In diesem kruden Wertesystem ist ein Mord, der angeblich aus Mitleid geschieht, weniger schlimm als nackt vor lüsternen Greisen zu stehen. Ähnlich zweifelhaft ist das Gebahren der Angehörigen eines der Verstorbenen: Die bereits bezahlte Hochzeit wird trotz des Trauerfalles nur wenige Türen weiter ausgiebig gefeiert. Ist ja schließlich bezahlt.
Der Tatort aus Stuttgart schafft es, all das in einem Film unterzubringen, ohne dass die Fülle an Aspekten überhand nimmt. Wie so häufig sind sich die Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) nicht zu schade, zugunsten der Handlung - und in diesem Fall der Episoden-Hauptdarstellerin - zurückzustecken. Auch das macht die herausragenden Qualitäten des Stuttgart-Tatortes aus. Mit 8,81 Millionen Zuschauern (26,9% Marktanteil) holt " Anne und der Tod" auch eine ordentliche Quote. Vor allem aber zeigt dieser Fall einmal mehr, dass Stuttgart zu den besten Tatorten zählt, und das wunderbar unaufgeregt und ohne großes Klimbim.
Das sagt Twitter zum Tatort aus Stuttgart
Immer wieder lustig: Aktuelle Ereignisse im Tatort-Kontext.
Den Einen gefällt der Tatort...
...Anderen eher nicht.
Trotz des ernsten Themas gab es diverse gelungene Sprüche.