"Schimanski": Götz George ist tot
Die Rolle seines Lebens: Götz George war über 30 Jahre lang Schimanski - und teilte viele Eigenschaften mit der Figur. Imago/teutopress
Vor vielen Jahren war Götz George einmal bei "Wetten, dass..." zu Gast, lange bevor die Show zum TV-Topfschlagen heruntermoderiert wurde. Da saß also nun einer der beliebtesten und geachtetsten Schauspieler des Landes auf dem Sofa und sollte die übliche Promotion-Nummer für irgendeinen neuen Film abziehen. Sogar Thomas Gottschalk war sich der Persönlichkeit seines Gastes bewusst und ließ für einen Moment von den Knien seiner weiblichen Gäste ab. Und was machte Götz George? Er blätterte gelangweilt in einem Prospekt, das zufällig herumlag, futterte Gummibärchen und brummelte einsilbige Antworten in sich hinein.
Damit war George jedoch deutlich unterhaltsamer als alle anderen Protagonisten des Abends. Hätte es damals schon Twitter & Co gegeben, die Nutzer hätten laut applaudiert. Vor der Kamera brillierte er ein ums andere Mal, in seinem filmischen Lebenswerk findet sich - zumindest in späteren Jahren - kaum ein belangloses Durchschnitts-Werk. Ob als Serienmörder Fritz Haarmann in "Der Totmacher", als greiser KZ-Arzt Josef Mengele in "Nichts als die Wahrheit" oder auch als schmieriger stern-Reporter in "Schtonk!", Götz George verleibte sich eine Rolle stets komplett ein, ging in der Figur auf und brachte sie mit brachialer Gewalt auf den Bildschirm.
Das Drumherum, die Interviews, der Promi-Status waren George eher lästig. Immer häufiger zog er sich in sein Haus auf Sardinien zurück. Vater Heinrich George war ein ähnlicher Schauspieler-Typ und wurde in der NS-Zeit zu Star, nach dem Krieg starb er in einem russischen Gefangenenlager. Mutter Bertha Drews war ebenfalls eine bekannte Schauspielerin. Schon als Kind trat Götz George in die Fußstapfen seiner Eltern und war in diversen Bühnen-Rollen sowie immer wieder auch im Film zu sehen.
So komisch es klingen mag, den endgültigen Durchbruch brachte aber erst Horst Schimanski. Dass der Tatort nach 45 Jahren immer noch läuft, ist ein Stück weit auch der Verdienst des Duisburger Kommissars. Denn er brach Anfang der 80er Jahre mit dem Ermittler-Typ im Stile des Oberspießers Derrick, der stets gut gekleidet und höflich auftrat und maximal den Hauch einer liebenswerten Schrulligkeit pflegte. Schimanski war laut, ungehobelt, häufig ungewaschen und nicht selten auch nicht ganz nüchtern - und die Zuschauer lieben ihn bis heute. Für die Freunde des sorgfältigen Beamten gab es dabei ja auch noch Kollege Thanner (Eberhard Feik).
Schimanski ebnete den Weg für fast alle Teams, die nach ihm kamen und "unkonventionell" sein sollten. Er zeigte, dass der Tatort auch experimentieren kann und darf, dass auch Ermittler mit Ecken und Kanten gut ankommen. In der Wahrnehmung vieler Zuschauer sind Götz George und Horst Schimanski längst verschmolzen, weil sie sich nicht ganz unähnlich sind. Alleine die Tatsache, dass ein impulsiver Schauspieler wie George einer Rolle über 30 Jahre lang treu bleibt zeigt, dass er seinen Schimmi gemocht haben muss.
Längst ist die Symbolik zum Allgemeingut geworden: Der gammelige Armee-Parka, der graue Citroen, die Rohheit. Die ersten paar Minuten des Tatort-Debüts "Duisburg-Ruhrort" sind der perfekte Grundkurs "Schimanski für Einsteiger":
Götz George starb, wie erst jetzt bekannt wurde, bereits am 19. Juni im Alter von 77 Jahren in Hamburg. Öffentliche Auftritte gab es in den letzten Jahren kaum noch, Gerüchten zufolge litt George an Krebs.