"Spielverderber" im Kreuzverhör: "Top Gun" für Arme

Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) ermittelt im Tatort "Spielverderber" auf einem Stützpunkt der Luftwaffe. © NDR/Frederic Batier
Charlotte Lindholm statt Til Schweiger: Wegen der kurzfristigen Verschiebung der scheinbar blutrünstigen Tschiller-Doppelfolge wird der Luftwaffen-Tatort "Spielverderber" aus Hannover vorgezogen. Die Gefahr, damit anzuecken, besteht auf keinen Fall. Vielmehr verbirgt sich unter dem Deckmäntelchen der seichten Tatort-Handlung ein 90-Minuten-Werbeclip für die Bundeswehr.
Worum geht’s?
Luftwaffen-Pilot Jan Körner (Gerdy Zint) findet im gemeinsamen Ferienhaus die Leiche seiner Ex-Frau Lore (Nora Huetz). Die Trennung ist noch frisch, Lore hatte sich im Haus mit einem ihrer Liebhaber getroffen. Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) übernimmt die Ermittlungen, weil das militärische Umfeld besonders brisant ist.
Schnell wird klar: Lore Körner hatte zahlreiche Affären, oft und gerne auch mit Kollegen ihres Mannes. Zuletzt stieg sie mit Paul Goebels ins Bett, einem Künstler, der mit der Luftwaffen-Lademeisterin Kristin Goebels (Jasmin Gerat) verheiratet ist. Goebels ist seit dem Mord verschwunden, hat er Lore erschlagen? Auch der Ex-Mann macht sich hochverdächtig. Körner ist als cholerisch bekannt, nach diversen Prügel-Attacken auf seine Ex-Frau bekommt er gerade seine letzte Bewährungs-Chance.
Die Bundeswehr-Soldaten und ihre Familien sind eine eingeschworene Gemeinschaft, der familiäre Rückhalt zwischen gefährlichen Einsätzen und immer wieder geänderten Dienstplänen wird großgeschrieben. Charlotte Lindholms Auftauchen auf dem Stützpunkt sorgt für Unmut, nicht nur bei Kommodore Friedrichs (Richard van Weyden).
Worum geht es wirklich?
"Top Gun" für Arme. In Hannover. Mit plumpen Transalls statt schnittiger Jets. Mehr muss man eigentlich nicht sagen. Wobei: Der pathetische Ton, mit dem die Luftwaffen-Leute über Einsätze in Afghanistan und die Fliegerei schwadronieren, hat zum Glück nichts mit dem eigentlichen Fall zu tun. Vielleicht hat Verteidigungs-Ministerin von der Leyen – die ja aus Niedersachsen stammt – aber auch einfach nur einen 90-Minuten-Werbeclip samt Powerfrau in Auftrag gegeben. Viel mehr ist der Tatort "Spielverderber" nicht.
Ist die Handlung glaubwürdig?
Was das Eifersuchts-Drama um das Ex-Paar Körner angeht: Absolut! Ein logisch konstruierter, am Ende einleuchtender Fall, der aber genauso gut unter Teenagern, Schlachtern, Ökotrophologinnen oder Beamten hätte spielen können. Der Bundeswehr-Background wirkt dabei ein bisschen gewollt, auch wenn es sicherlich spannende Geschichten zu erzählen gäbe.
Bester Auftritt
Jasmin Gerat als scheinbar toughe Luftwaffen-Fliegerin ist der Star dieses Tatortes, vor allem, wenn die Fassade langsam bröckelt. Sie gibt der Figur eine Tiefe, die Charlotte Lindholm dieses Mal leider völlig abgeht. Die Kommissarin wird durch die Alpha-Männchen auf dem Fliegerhorst und den Vertrauenslehrer-haften neuen Staatsanwalt (Rainer Winkelvoss) in eine konfrontative Trotz-Haltung gedrängt. Diese platt-plakativen Gegensätze werden dann äußerst kitschig wieder eingerissen. Dann lieber die tolle Jasmin Gerat, wenn auch hier am Ende überdramatisiert wird. Ach ja: Bild-Chef Kai Diekmann hat übrigens einen Mini-Auftritt - als kunstvoll aufgeschnibbelte Leiche in der Pathologie.
Was muss man sich merken?
Vielmehr: Was soll man sich merken? Bei der Luftwaffe fährt man tolle Autos, trägt schnittige Overalls und ist unter lauter leidenschaftlichen Fliegern. Aha. Immerhin bekommt mit den zerrütteten Familien das weichgezeichnete Bild ein paar Risse. Zwischen all den Nichtigkeiten werden noch ein paar Ansätze des Lindholm’schen Privatlebens angerissen, die mal wieder aufgegriffen werden könnten. Wenn man das vergisst, hat man aber auch nix verpasst.
Soll man gucken?
Eigentlich sollte auf dem Sendeplatz von " Spielverderber" ja der dritte Til-Schweiger-Tatort laufen. Frau Lindholm kommt bei den Tatort-Puristen vermutlich besser an, ist aber in Sachen Qualität und Spannung maximal Durchschnitt. Der gut konstruierte Mordfall wird leider durch die flache Romantisierung der Luftwaffe überlagert, die zwar auch problematische Aspekte anreißt, aber nicht vertieft. Und Tatort-Kenner wissen auch nach spätestens der Hälfte, wer der Mörder ist.