Stau-Tatort aus Stuttgart: Wenn nichts mehr geht
Tatort "Stau": Auf der "Neuen Weinsteige" in Stuttgart geht mal wieder gar nichts mehr. Und mittendrin steht ein Mörder. © SWR/Alexander Kluge
Ein dunkler, regnerischer Herbst-Nachmittag: Alles wollen nach Hause, alle sind spät dran. Wie so häufig bildet sich auf der "Neuen Weinsteige", dem Brennpunkt der Stau-Hauptstadt Stuttgart, ein Verkehrschaos, nichts geht mehr. Und in irgendeinem der unzähligen Autos sitzt ein Mörder.
Die Stuttgarter Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) ermitteln im Fall einer getöteten 14-Jährigen. Zeugen sind unter anderem ein dreijähriger Junge und eine 80-jährige Frau. Doch wem kann man glauben? Schädelbasisbruch - Unfall mit Fahrerflucht oder eine absichtliche Tötung? Und vom Tatort weg geht es nur in eine Richtung: Geradewegs in den Stau hinein.
Bootz befragt die Zeugen vor Ort, Lannert macht sich unterdessen auf den Weg zum Stau. Während er Spuren sichert und Aussagen sammelt, werden die unfreiwillig festgehaltenen Fahrer immer gereizter. Doch einer von ihnen muss der Täter sein.
Tatort rechnet mit dem Pendel-Wahnsinn ab
Fast alle Autofahrer im Stau sind emotional aufgeladen und stehen kurz vorm Explodieren: Ehekrach, Abmahnung vom Chef, Termin-Druck, Terror von der Chefin, drohender Rausschmiss aus der Wohnung, nölende Kinder und diverse andere Extremsituationen kumulieren sich auf der Straße. Es kommen alle Standard-Sprüche von Auto-Fans und -Gegnern, von Rasern und Schleichern, von Alten und Jungen aufs Tableau - unterhaltsam und entlarvend zugleich.
Der SWR hat für die Produktion dieses Tatort die "Neue Weinsteige" aus Stuttgart in einer Halle nachgebaut und projiziert die Metropole per Bluescreen in den Hintergrund. Statt in Wohnungen und Büro verhört Lannert die Verdächtigen in ihrem Autos, ein mobiles Stück Privatsphäre. Und auch in Requisite und Planung gab es einige tolle Einfälle: Die Musik im gleichen Rhythmus aus unterschiedlichsten Stil-Ecken, die treffend ausgewählten Auto-Modelle, der Reigen an skurrilen Kindernamen - alles passt zusammen.
Lohnt sich Einschalten?
Ja, denn es ist schon erstaunlich, wie man aus so einem nervigen
Alltagsthema einen so guten, witzigen und ungewöhnlichen Film
machen kann. Zwei Schwachstellen gibt es allerdings: Dem zu
klischeehaft gezeichneten Wutbürger-Mob nimmt man die Wut nicht ab,
mehr noch, er nervt. Und dann gibt es da noch diesen ominösen
Belastungszeugen aus einem ganz anderen Fall, der im Präsidium
verloren gegangen ist. So richtig vermisst hätte man diesen
Seitenstrang auch nicht.
Diesen Minuspunkten stehen aber jede Menge Pluspunkte
gegenüber: Es ist ein klassischer Whodunit-Krimi, bei dem der
Zuschauer bis zum Schluss mitraten kann, wer es wohl war. Der Film
strotzt nur so vor witzigen Szenen mit interessanten Charakteren
und guten Dialogen - stellvertretend sei hier mal die Befragung der
Rentnerin genannt oder der "freudsche Fahrfehler". Und weil nicht
mal die Leiche wirklich zu sehen ist, können auch zartbesaitete
Zuschauer getrost einschalten.
Der
Tatort "Stau" ist
aber auch eine interessante Abhandlung über den Alltagsärger eines
jeden Autofahrers schlechthin: der Stau! Es geht um
Stau-Nachrichten, Stau-Apps, Bilder von Staus sowie die
unterschiedlichsten Gründe und Stimmungslagen der Menschen in dem
zum Erliegen gekommenen Verkehrsfluss. Da steckt sogar die
Spurensicherung im Stau. In der Auto-Hauptstadt Stuttgart wird
diesen
Tatort nicht jeder gut finden, doch wir
können ihn wärmstens empfehlen!
(mit Material von Spot On News)