Tatort Münster: Ist das Kunst oder kann das weg?

Tatort Münster: Boerne (Jan Josef Liefers) und Thiel (Axel Prahl) finden eine Leiche, die wie ein Kunstwerk inszeniert worden ist. © WDR/Wolfgang Ennenbach
Ein neuer Tatort aus Münster ist ja inzwischen ein TV-Ereignis, dem höchstens ein WM-Finale noch das Wasser reichen kann. Am Sonntag ist es mit dem Tatort "Gott ist auch nur ein Mensch" wieder so weit, gerade nach den Diskussionen der letzten Wochen und vielen recht unkonventionellen Fällen ist ein neuer Quoten-Rekord nicht unwahrscheinlich. 14,5 Millionen Zuschauer und fast 40% Marktanteil sind zu schlagen, das erreichte der letzte Fall "Fangschuss". Top, die Wette gilt.
Einst war der Münster-Tatort selbst unkonventionell und rollte das Feld der drögen (und humorlosen) Tatort-Ermittler auf, inzwischen sind Boerne (Jan Josef Liefers) und Thiel (Axel Prahl) ein generationsübergreifendes Massenphänomen. Das Duo Stefan Cantz und Jan Hinter steckt hinter der Idee des zeitlosen Komik-Tatortes, sie schreiben sich auch verantwortlich für den neuesten Fall "Gott ist auch nur ein Mensch" - und zeigen, dass sie ihre Figuren immer noch in- und auswendig kennen.
Der Münster-Tatort in seiner reinsten Form
Denn auch hier wird die Grund-DNA des Tatortes aus Münster angewendet: Kabbeleien zwischen Boerne und Thiel, ein Mord mitten im städtischen Leben, ein neuer Spleen für Boerne, ein wenig Brummelei von Thiel – fertig ist der Quoten-Hit. Dieses Mal fiebert Münster den Skulptur-Tagen entgegen, geleitet von Klara Wenger (Victoria Mayer) und ihrer biestigen Mutter Nika (Gertie Wenger). Stars der Ausstellung sind Jan Christowski (Christian Jankowski), Swantje Hölzel (Raphaela Möst) und Zoltan Rajinovic (Aleksandar Jovanovic), der sich "G.O.D." nennt. Boerne hält sich natürlich für einen mindestens ebenso großen Künstler und hofft, Meisterschüler des größenwahnsinnigen Redenschwingers mit Freddie-Mercury-Gedächtnis-Bart zu werden.
Mitten in der Aufregung um die nahende Eröffnung des "Großereignisses" platzt ein Serienmörder: Er verteilt in der ganzen Stadt die Leichen von Leuten, die ihrerseits Verbrechen begangen haben. Fein säuberlich präpariert, sind die Toten auf den ersten Blick kaum von den herumstehenden Skulpturen zu unterscheiden. Der Kinderschänder wird als Clown inszeniert, der Steuersünder als Sparschwein, der fremdenfeindliche Hass-Kommentator im Schlauchboot vor dem Flüchtlingsheim.
Der ganze Kunst-Betrieb ist mittendrin, und alle sind irgendwie
verdächtig. Während Thiel und
Nadeshda
Krusenstern (Friederike Kempter) versuchen, einen weiteren Mord
zu verhindern, scharwenzelt Boerne um "G.O.D." herum.
Staatsanwältin
Klemm hingegen zelebriert ihre alte Abneigung gegen Mäzenin
Wenger, deren Tochter wohl mal als Kind mit Thiel befreundet war.
Alles wie immer also in Münster, jeder kennt jeden und jeder
hat irgendwie Dreck am Stecken. Klar, dass diverse Witzchen und
Wortspiele rund um den großen Künstler und seinen Namen nicht
fehlen dürfen, ebenso wie das aufgesetzte Kunst-Verständnis von
Boerne im Kontrast zu Thiels Teilnahmslosigkeit.
Einer der besseren Tatorte aus Münster
Doch " Gott ist auch nur ein Mensch" schlägt etwas leisere Töne an als die teilweise üblen Klamauk-Fälle aus Münster. Cantz und Hinter schaffen es, das altbewährte Schema mit überzustrapazieren und auch mal auf einen vermeintlichen Schenkelklopfer zu verzichten. Man hat mal nicht das Gefühl, einer weiteren lieblosen Variation zuzuschauen, auch wenn es wirkliche Überraschungen und neue Ideen auch in diesem Münster- Tatort nicht zu finden sind (von der angedeuteten Meta-Ebene am Ende mal abgesehen). Da wäre der zu erwartende neue Quoten-Rekord gar nicht mal unverdient.