Tatort Wien: Sprachmalereien, Retro-Coolness und das Leberkäs-Dilemma

Tatort Wien: Das Netz feiert Inkasso-Heinzi (Simon Schwarz) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer). © ARD Degeto/ORF/Hubert Mican
Zugegeben, man muss sich (vor allem als Norddeutscher) immer ein bisschen in den Wiener Dialekt hineinhören. Aber spätestens nach dem ersten Wortgefecht zwischen Bibi und Moritz beginnt man, die Schmäh und ihre niedlichen, aber oft bitterbösen Ausdrücke zu lieben - zumindest für 90 Minuten. "Her mit der Marie" hatte weder eine wirklich relevante Geschichte zu bieten noch das typische Rätsel um den Täter, sondern war mehr ein Konstrukt für möglichst viele geschliffene Dialoge und pointierte One-Liner. Also genau, das, was wir auch bei ernsthaften Tatorten aus Wien so lieben, nur eben auf volle Film-Länge ausgedehnt.
Bei Facebook und Twitter ernteten Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) überwiegend euphorische Kommentare, die besten Szenen wurden enthusiastisch abgefeiert. Ein größeres Lob gibt es in den sozialen Medien eigentlich kaum. Ob die Figuren, das "Leberkäs-Dilemma" oder die starke Präsenz von Inkasso-Heinzi (Simon Schwarz) samt tragischer Liebesgeschichte - fast jedes Detail war großartig gestaltet und gespielt.
Freilich ist " Her mit der Marie" ein Tatort, der nur in bedingtem Umfang so funktioniert. Das karikaturen-hafte Zuhälter-Mileu ist der Realität weit entrückt, es feiert die vermeintlich goldenen 70er, als es angeblich noch sowas wie einen Ehrenkodex gab. Doch auch die pomadisierten Rotlicht-Idylle ist Ort des Verbrechens und der Unterdrückung. Einzig Bibis bröckelnde Abstinenz war als dunkler Schatten zu erkennen. Beim nächsten Fall sollten Bibi und Moritz wieder in der beinharten Realität agieren, ohne ihre Schmäh zu vernachlässigen. Das können sie, und diese Wandelbarkeit ist die große Stärke des Wiener Tatortes.
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Das Leberkäs-Dilemma - bald so bekannt wie Das Gefangenendilemma.