"Game of Thrones" wirft gerade sein Frauenbild über Bord
Daenerys Targaryen, Missandei, Brienne von Tarth: "Game of Thrones" zeigte seinen Fans bisher oftmals starke, selbstbestimmte Frauenfiguren. In Staffel acht ist davon nicht mehr viel übrig. Wo früher emanzipierte Figuren handelten, sehen Fans heute klischeebehaftete Abziehbilder.
Was war "Game of Thrones" einmal für eine Serie! Sechs Staffeln lang begeisterte das Westeros-Epos mit seinem zum Schneiden dichten Plot, Hauptfiguren-Meucheleien und - gerade für eine patriarchale Fantasy-Welt - starken Frauen. Daenerys, Brienne und Missandei zeigten, dass Frauen auf dem Bildschirm mehr sein können - ja müssen - als abwechselnd in Not geratene Jungfern oder schmückendes Beiwerk. Wenige dieser Tugenden haben die siebte Staffel überlebt. Mit Staffel acht scheint "Game of Thrones" jetzt auch sein starkes Frauenbild aufzugeben. Vorsicht, Spoiler!
Man nehme nur die arme Missandei (Nathalie Emmanuel, 30). Einst als Sklavin von den Guten Herren gehalten und an Daenerys verschenkt, arbeitete sie sich an der Seite der Drachenmutter zu einer unverzichtbaren Beraterin hoch. Sie ist es, die die Männer Jon Schnee und Ser Davos davon überzeugt, dass Daenerys' Absichten rein sind und keine weitere Scharade im Spiel um den Eisernen Thron. Missandei agiert klug und besonnen - und ist dabei voller Empathie und später Liebe für den ewigen Soldaten Grauer Wurm.
Am Ende muss die Figur aber als Bauernopfer herhalten. Beim Angriff Euron Graufreuds auf die Flotte der Drachenmutter fügt sie sich dem herrischen Befehl ihres Liebhabers, in ein Ruderboot zu steigen. Sie wird nicht wie dieser zufällig an Land gespült, sondern gefangen genommen, anscheinend als einzige von Danearys' Gefolgsleuten überhaupt. Zwar darf sie kurz vor ihrem anschließenden Tod noch einmal trotzig "Dracarys" rufen. Doch dient ihr Ableben einem einzigen Zweck: Daenerys und Grauer Wurm haben jetzt noch einen weiteren Grund zum Sturmangriff auf Königsmund. Sie wollen Rache für die geliebte Beraterin.
Frauen sterben zu lassen, um den wahren Hauptfiguren eine Motivation oder Rechtfertigung für ihr Handeln zu geben, ist eine ebenso beliebte wie einfallslose Erzählstruktur, die in unzähligen Serien und Filmen angewandt wird, etwa in "Gesetz der Rache" (2009) oder "Gladiator" (2000). Dass D.B. Weiss (48) und David Benioff (48) für Missandei kein anderes Schicksal finden konnten, außer als billige Motivgeberin zu enden, ist ein wirklich unrühmliches Ende für sie und wird der Figur in keiner Weise gerecht.
Dani hatte mal die Hosen an
Ein weiteres Beispiel dafür, wie klischeehaft "Game of Thrones" inzwischen mit seinen Frauen umgeht, ist Missandeis Königin, Daenerys (Emilia Clarke, 32) - auch von Fans oft liebevoll Dani genannt. Jene durfte das Publikum als eine Frau kennenlernen, die ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt. Vom Bruder Viserys an einen brutalen Reiterfürsten verscherbelt, schwang sich die Drachenmutter dazu auf, erst einem ganzen Kontinent die Freiheit zu schenken, um dann Jon Schnee und den Norden vor einer Invasion der Untoten zu retten.
Dabei ging die Sturmtochter zwar nicht gerade zimperlich zu Werke, man denke nur an das Schicksal der Sklavenmeister. Aber es war eben ihre Vorstellung von einer gerechten Welt, ihre ganz eigene Agenda, die Daenerys tun ließ, was sie tat. Und sie war sich nicht zu schade, die Männer sprichwörtlich in die Wüste zu schicken, als diese sie verrieten oder ihr die Liebe gestanden.
Stets war klar, wer in Danis Hofstaat die Hosen anhat - und mehr als einmal durfte man um das weitere Schicksal ihrer männlichen Berater bangen. Dass etwa Fanliebling Tyrion Lennister seine zahlreichen Fehler als Hand der Königin überleben würde, war nicht unbedingt ausgemacht. Schließlich konnten in "Game of Thrones" auch Haupt- oder Lieblingsfiguren ganz schnell den Tod finden.
Mit Daenerys' Selbstbestimmtheit haben die Autoren der achten "Game of Thrones"-Staffel spätestens im Finale der vierten Folge Schluss gemacht. Von Emotionen überwältigt, scheint es nur eine Frage der Zeit, bis Daenerys in Folge fünf den vermutlich sehr blutigen Fehler machen wird, zum Sturmangriff auf Königsmund zu blasen. Ihrer Blutlinie lastet ein gewisser Hang zum Wahnsinn an, doch schien die Drachenmutter bisher von der mentalen Instabilität ihrer Sippe verschont.
Targaryen-Wahn hin oder her - Daenerys' Geschichte verkommt gerade zum allzu bekannten Klischee, nach dem Frauen ihre Gefühle nicht im Griff haben können, und folglich als Herrscherinnen angeblich nichts taugen.
Eigentlich war es schon in der Schlacht um Winterfell um die starke Königin dahin. Daenerys ist die wesentlich erfahrenere Drachenreiterin, Jon macht auf Rhaegal trotzdem die bessere Figur. Am Ende muss die Drachenmutter dann sogar als ganz klassische Jungfrau in Nöten von Ritter Jorah vor den untoten Horden gerettet werden.
Der darf den Heldentod sterben und wird dafür von eben jener Frau, deren Vertrauen er einst enttäuschte, beweint. Gut, dass Daenerys noch zwei Folgen Zeit hat, den Männern von Westeros versammelt in den Allerwertesten zu treten. Hoffentlich haben Weiss und Benioff das Potential der Figur nicht ganz vergessen.
Brienne muss ihre Selbstbestimmtheit aufgeben
Als dritte im Bunde haben die Autoren in Folge vier der achten Staffel auch bei Brienne von Tarth (Gwendoline Christie, 40) ganz tief in die Klischee-Kiste gegriffen. Brienne war vor der Schlacht von Winterfell noch zur ersten Ritterin der Sieben Königslande ernannt worden und damit vorläufig auf dem Gipfel dessen angelangt, was in Sachen Emanzipation im Reich möglich schien.
Allein mit ihrer Aufopferungskraft, ihrer Ritterlichkeit und ihren Verdiensten um die Stark-Töchter hatte sie es geschafft, das zu werden, was vor ihr noch keiner Frau in Westeros (und wenigen in der Geschichte des Fantasy-Genres) vergönnt war.
Dabei hatte sie stets stillschweigend die Avancen Tormund Riesentods abgewehrt und den mal mehr, mal weniger widerlichen Jamie Lennister ausgehalten, ja sogar Gefühle für den Königsmörder entwickelt und zugelassen. In der Beziehung zwischen den beiden Figuren war es stets Brienne, die das Heft des Handelns in der Hand hielt.
Bis zur vierten Folge eben, in der die Autoren mit der Figur Klischee-Bingo spielen. Erst muss sie sich beim Leichenschmaus von Gendry, Tyrion und Jamie als Jungfrau verhöhnen lassen - als ob sie einen Fehler begangen hätte, wenn sie selbstbestimmt darüber entscheidet, mit wem, wann und ob sie überhaupt Sex haben will.
Als ihr die Kindereien zu blöd werden und sie auf ihr Zimmer geht, steigen ihr gleich zwei Männer nach. Jamie setzt sich gegen Tormund durch - und bekommt die erste Ritterin der Sieben Königslande mit dem billigsten Anmachspruch aller Zeiten ins Bett: "Man ist das heiß hier, ich lege mal ab."
Vielleicht hätte Jamie auch überhaupt nichts sagen müssen - Brienne wollte mit ihm ins Bett, schließlich liebt sie ihn. Das macht die nächste Szene mit den beiden überdeutlich. Jamie, von der Liebe zu seiner Schwester oder dem Bedürfnis, Cersei für ihre Untaten zur Rechenschaft zu ziehen, aus dem Bett getrieben, bricht ihr umgehend nach dem Vollzug des Geschlechtsakts das Herz. Kein Flehen hilft, Jamie will los.
Und als wäre das nicht schon Beleidigung genug, zählt er seine Untaten auf, als wolle er sagen: "Schau her, ich rette dich vor einem schlimmen Schicksal." So bleibt eine gebrochene Ritterin Brienne schluchzend im Schnee zurück. Ob sie ihre Ehre retten darf, ist indes fraglich: Jamie dürfte, wenn überhaupt, sein Ende eher durch die Hand des Bergs oder seiner Schwester finden.
Nun wäre es verschmerzbar gewesen, wenn eine der drei oben genannten Figuren so behandelt worden wäre. Schließlich gehört es zum Charakter der Serie, dass sich Handlungsbögen schnell ändern können und Figuren ein anderes, als das erwartete Schicksal erleiden. Dass aber drei der stärksten Frauenfiguren allesamt Rückschritte in ihrer Entwicklung machen müssen, ist schon bemerkenswert.