So wird der neue Berlin-"Tatort"

Geplanter Tabu-Bruch oder beiläufige Szene? Der kommende "Tatort: Wir - Ihr - Sie" wird wahrscheinlich für Diskussionen sorgen. Schuld ist allerdings nicht die fesselnde Story.
Eines vorneweg: Der neueste Berliner-"Tatort: Wir - Ihr - Sie" wird aller Voraussicht nach für mächtig Gesprächsstoff sorgen. Der Grund ist dabei weniger die ausgefeilte Handlung, sondern eine kurze Szene, die einem Tabu-Bruch gleichkommt und Diskussionen auslösen wird. Doch dazu später mehr.
Erneut gehen am kommenden Sonntagabend im Ersten ab 20.15 Uhr das mittlerweile gar nicht mehr so neue Berliner-Kommissaren-Team Meret Becker und Mark Waschke auf Mörderfang. Fans der bislang zwei Folgen umfassenden Reihe können sich auch im insgesamt letzten Fall vor der Sommerpause auf Gewohntes einstellen: Starke Charaktere und tolle Hauptdarsteller - bei etwas flacher Story.
Darum geht's
Ihr dritter Fall führt Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) zum Tatort eines Mordes im Parkhaus eines Shoppingcenters. Eine Mutter wurde dort von einem Jeep überfahren. Die Überwachungskameras filmen zwar den Wagen, aber Fahrer und Tathergang sind nicht zu erkennen. Ins Visier der Ermittlungen gerät die Halterin des Jeeps. Früher war sie mit der Toten befreundet, doch dann haben die Nachbarinnen unterschiedliche Wege eingeschlagen. Ein Interesse scheinen sie jedoch bis zuletzt geteilt zu haben - das an dem Ehemann der Toten.
Anhand der Videoüberwachung stoßen die Ermittler außerdem auf drei Mädchen, die sich dort zur Tatzeit aufgehalten haben: Schulkameradinnen des Sohnes der Toten. Mit dem Mord im Parkhaus konfrontiert, reagiert das Mädchen-Trio vollkommen gleichgültig. Viel wichtiger scheinen ihre Smartphones, mit denen sie Tag und Nacht beschäftigt sind. Rubin und Karow stoßen bei ihren Verhören auf eine Mauer des Schweigens. Als sie versuchen, diese zu durchbrechen, ernten sie nur Hohn und Spott. Besonders Nina Rubin gerät angesichts derlei Kaltschnäuzigkeit an den Rand ihrer Selbstbeherrschung...
Lohnt sich das Einschalten?
Mittlerweile scheint es "in" zu sein, dem eigentlichen Fall noch eine übergeordnete Geschichte zu verpassen. In Berlin ist das die Privatfehde von Kommissar Karow, der sich immer noch mit einem Drogen-Clan und möglicherweise korrupten Staatsanwälten herumschlagen muss - mittlerweile bereits seit drei Folgen. Sicherlich Geschmackssache, aber in "Wir - Ihr - Sie" wird die Handlung der Folge glücklicherweise nicht vom großen Ganzen überlagert. Ob es dennoch sein muss, den Zuschauer auf zwei Schauplätze zu lotsen, bleibt dahingestellt...
Der eigentliche aktuelle Fall ist diesmal eher Durchschnitt: Echte Spannung kommt über 90 Minuten nie wirklich auf. Die pubertierenden Gören sind allerdings durchaus realistisch gezeichnet und bringen nicht nur die Kommissare, sondern auch den Zuschauer an den Rand der Verzweiflung.
Übrigens: Eine exquisite Szene, in der Kommissar Karow beim hemmungslosen Sex mit einem anderen Mann gezeigt wird, hat auf jeden Fall das Zeug zum handfesten Skandal. Zumindest wurde der homosexuelle Verkehr im "Tatort" noch nie in solcher Detailtreue gezeigt - schon gar nicht von einem Kommissar. Wer also am Montag mitdiskutieren möchte, sollte Sonntagabend einschalten...