Fahrbericht VW Tiguan (2016)
Der Deutschen liebster SUV kommt im April in 2. Auflage auf die Straße. Wir konnten ihn jetzt schon im Schnee bewegen.
Was macht einen kompakten SUV erfolgreich? Bitte entschuldigen Sie, wenn wir Ihnen jetzt in den Gedanken grätschen und Ihre innere Argumentationskette aus einfachem Einstieg, erhöhter Sitzposition und guter Alltagstauglichkeit unterbrechen - den Erfolg begründet oder verhindert nämlich meist das Design.
Dementsprechend hätte der VW Tiguan noch erfolgreicher sein können, wenn viele SUV-Interessenten sein Äußeres nicht als, nunja, bieder und brav bezeichnet hätten. Und der Neue? Der liegt ganz auf der aktuellen Falz- und Kantenlinie, die Golf und Passat bereits eingeführt haben, erweitert sie aber um eine äußerst stämmige Front. Man muss kein Marktforscher sein, um diesen Look als erfolgsversprechend zu deuten.
Neuer VW Tiguan bietet mehr Variabilität
Noch etwas stützt die Prognose, dass Generation zwei ein echter Bestseller wird: Die Entwickler haben den Praxisnutzen noch einmal erhöht und Versäumnisse nachgeholt. So lassen sich die Rücksitzlehnen nun per Fernentriegelung umlegen. Zudem erhält der Tiguan den vernünftigen, herausnehmbaren doppelten Ladeboden. Die Rückbank ist nun um 18 statt bisher 16 Zentimeter in der Länge verschieb-, die Lehne wie gehabt im Winkel verstell- und damit der Kofferraum noch besser einteilbar. Er fasst nun 520 Liter, nimmt man eine nahezu vollständig zurück geschobene Rückbank zum Maßstab. Bis zu 1.655 Liter sind es maximal.
Doch das wären vor allem Argumente, die Neukunden gewinnen könnten. Wer dagegen schon bisher einen Tiguan fuhr, wird sich im Neuen sofort wohl fühlen; die grundsätzliche Aufteilung der Bedienelemente ist geblieben, das etwas kastige Design des Armaturenbretts glücklicherweise nicht. Die wichtigsten Funktionen sind nach wie vor ausgelagert und bedürfen keiner Menü-Klickerei. Bedienbarkeit? Einfach.
VW Tiguan mit viel Komfort
Besonders in seiner Klasse machen den VW dabei nicht die Connectivität mit der Möglichkeit zur Einbindung von Smartphones und Tablets, die induktive Ladevorrichtung sowie die Online-Dienste - ähnliche Gadgets bieten andere Hersteller auch. Nein, es ist die in diese eindeutige Bekenntnis zu Praxistauglichkeit und Fahrkomfort. Drei-Zonen-Klimaautomatik, bequeme Sitze, schluckfreudige Federung, niedriger Geräuschpegel, einfache Bedienbarkeit und viel Platz ergeben eine Kombination, die den neuen Tiguan zu einem angenehmen Reisebegleiter werden lassen. Dank des längeren Radstands freuen sich Fondpassagiere künftig über fast drei Zentimeter mehr Kniefreiheit. Klar, dass dem ein Größenwachstum zugrunde liegt. Dennoch soll der Neue bei vergleichbarer Ausstattung mehr als 50 Kilogramm leichter als sein Vorgänger sein.
Vieles macht das Leben mit dem Tiguan so unkompliziert. Etwa die Möglichkeit, die Heckklappe durch eine Fußbewegung automatisch öffnen und schließen zu lassen. Oder die umklappbare Beifahrersitzlehne, um besonders langes Transportgut zu verstauen. Genauso die niedrige Ladekante des Kofferraums. Richtig, das hat mit der eigentlichen Idee eines SUV nichts zu tun, sondern kennzeichnet ein durchdachtes Auto. Und es zeigt den notwendigen Wandel innerhalb dieser Klasse: SUV müssen sich im Nutzwert den Vans und beim Komfort den Kombis annähern - sowie leichter werden, um weniger Kraftstoff zu verbrauchen.
VW Tiguan mit guter Traktion und Assistenzsystemen
Nach besserem Vorwärtskommen im taffen Gelände dagegen verlangen abgesehen von Bergbauern wohl die wenigsten Käufer. Dennoch weist VW explizit darauf hin, dass die Karosserie des Tiguan mit 4-Motion-Antrieb elf Millimeter höher liegt als diejenige des Fronttrieblers und samt so genannter Offroad-Frontpartie 25,6 statt 18,3 Grad Böschungswinkel bietet. Wesentlich interessanter dürfte für künftige Käufer allerdings sein, dass ihr allradgetriebenes SUV eine Anhängelast von 2.500 Kilogramm bewältigen kann sowie gegen Aufpreis (ab 340 Euro) das Rückwärts-Rangieren mit Anhänger nahezu selbständig übernimmt. Doch tatsächlich verbessert bei SUV der Allradantrieb in der Regel vor allem die Traktion auf rutschigem Untergrund, erhöht also die Sicherheit. Weshalb VW darauf folgerichtig einen Fokus legt: Ein Drehregler in der Mittelkonsole steuert die so genannte 4-Motion Active Control und beeinflusst damit die Arbeitsweise der Lamellenkupplung.
Dahinter verbergen sich die vier Modi namens Onroad, Snow, Offroad und Offroad Individual. Wie der mit Winterreifen ohne Spikes ausgerüstete Tiguan bei der ersten Fahrt im nordschwedischen Lappland eindrucksvoll beweist, liefert er eine enorm gute Traktion auf Schnee und Eis. Vor allem der Modus Snow verbessert die Fahrstabilität auf glatter Fahrbahn deutlich.
Wie der Vorgänger ist auch der neue 4x4-Tiguan im Prinzip ein Fronttriebler, dem bei Bedarf die Hinterradantrieb zur Hilfe eilt. Wieviel das ist, entscheidet die Sensorik anhand des gemessenen Schlupfs, übermittelt der Ölpumpe den Auftrag, Druck aufs Lamellenpaket zu geben und somit Drehmoment ans Heck weiter zu leiten. Das kann durchaus so viel sein, dass sich das SUV bei abgeschaltetem ESP im sämigen Drift übers Eis treiben lässt.
Bei diesem Fahrzustand gehen die Assistenzsysteme längst in Habachtstellung. Serienmäßig kommt der Tiguan mit einer aktiven Motorhaube, der City-Notbremsfunktion samt Fußgängererkennung sowie einem Spurhalte-Helfer. Optional gibt es den aus dem Passat bekannten Emergency Assist; er hält das Fahrzeug automatisch auf der Straße und bremst es bis zum Stillstand ab, wenn der Fahrer keine Reaktion zeigt - etwa nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall am Steuer.
2,0-Liter-Diesel passt gut zum VW Tiguan
Zur Markteinführung ab 25. April rollt der Tiguan zunächst in zwei Motorvarianten zu den Händlern, dem 180 PS starken 2.0 TFSI (Benziner) sowie dem hier gefahrenen Zweiliter-TDI mit 150 PS. Letzterer zeigt sich selbst auf glatten Straßen als angenehmer Partner, entfaltet sein Drehmoment gleichmäßig sowie gut dosierbar und harmoniert mit dem optionalen DSG hervorragend.
Später wird VW den Tiguan auch in Deutschland mit einem um 110 Millimeter verlängerten Radstand liefern - eine Version, die vor allem in China und den USA nachgefragt sein dürfte. Zudem wurden starke Motorisierungen bis 240 PS angekündigt. Doch die dürften wohl eher selten bestellt werden. Deutlich größere Verkaufszahlen sollte der künftige Einstiegsdiesel (ab sofort bestellbar) mit 115 PS sowie der kleine Benziner mit 125 PS bringen (beide rein frontgetrieben). Letzteren wird es ab 25.975 Euro geben, also 350 Euro teurer als den bisherigen Basisbenziner.