Wo ist das Alleinstellungsmerkmal?

Die Marketing-Plattform DTM soll mithilfe von GT3-Autos erhalten bleiben. Viele Wünsche von Serienchef Gerhard Berger werden aber nicht erfüllt. Fahrhilfen wie ABS und Traktionskontrolle bleiben in den Autos.
Es sind kleine Schritte in die Zukunft. Erst nach und nach skizziert die DTM, unter welchem Regelwerk sie ab 2021 fahren will und wie die Rennen aussehen sollen. Bekannt wurde im September, dass es mit der aktuellen Fahrzeuggeneration – genannt Class One – nach dem Ausstieg von Audi nicht weitergehen soll. Stattdessen sollen in der DTM zukünftig keine Tourenwagen mehr fahren, sondern GT-Autos.
Für Serienchef Gerhard Berger ist es die Notlösung, um die Plattform DTM und die Arbeitsplätze in der Dachgesellschaft ITR zu erhalten. Der Österreicher träumt davon, wenigstens die anspruchsvollste GT-Rennserie der Welt zu schaffen, in der Profirennfahrer in verschiedenen Autos um Siege kämpfen. Zugpferd ist der Name. Die DTM ist weltweit bekannt und generiert einen hohen Marketingwert. Dieses Umfeld ist für Privatteams natürlich interessant. Weil der Name DTM Sponsoren anlockt.
Zugeständnisse an Hersteller
Berger will die DTM unabhängiger von Herstellern machen, braucht sie aber, um die Rennserie neu aufzugleisen. Ohne das Wohlwollen von BMW, Audi, Mercedes, Aston Martin, Lamborghini und Co., die die GT3-Autos bauen, und ihre technische Unterstützung können Privatteams nicht mitmischen.
Die Gespräche laufen. In der Öffentlichkeit gibt Berger den Optimisten. Im Hintergrund wird derweil an der Finanzierung und am Technikreglement gefeilt. GT3-Autos werden es sein, doch mit den üblichen Fahrhilfen, die Berger eigentlich nicht an Bord haben wollte. Wie die DTM verkündet, bleiben das Anti-Blockier-System (ABS) und die Traktionskontrolle in den GT-Rennwagen verbaut.
Es ist ein Zugeständnis der DTM an die Hersteller, das die Einstiegshürde senkt. Ein Eingriff in das Bremssystem wäre mit größeren Umbauten verbunden gewesen, als man es vielleicht glauben mag. Dafür hätten die Ingenieure tief in der Elektronik graben müssen. Und das geht ins Geld, genauso wie der Ausbau einer Traktionskontrolle. Bei der Entwicklung von GT3-Rennfahrzeugen werden ABS und Traktionskontrolle ins Gesamtkonzept integriert.
Hintertür für 2021
Die DTM muss noch weitere Abstriche in Kauf nehmen. Ab 2021 wird nicht mehr stehend, sondern fliegend gestartet, wie es im GT-Rennsport üblich ist. Stehende Starts hätten eine neue Kupplung und weitere teure Modifikationen im Antriebsstrang verlangt. Sowohl auf der Software- (Motorsteuerung) als auch der Hardware-Seite (Getriebe). Das kostet. Die DTM versucht, das Positive zu verkaufen. Die Sportwagen werden zukünftig dicht gestaffelt in Zweierreihen auf die Startampel zurollen. So wie bislang bei den Restarts nach Safety-Car-Phasen. Diese Form habe sich bewährt und zu Spannung geführt.
ABS, Traktionskontrolle, fliegende Starts: Das wirft die Frage auf, wo überhaupt die DTM ab 2021 ihren USP, ihr Alleinstellungsmerkmal haben wird. Vom ADAC GT Masters, das ab dem nächsten Jahr als Internationale Deutsche GT-Meisterschaft ausgetragen wird, grenzt man sich auf den ersten Blick jedenfalls nur bedingt ab. Wenigstens ein bisschen mehr Leistung und weniger Gewicht würde sich DTM-Chef Berger wünschen. Die Frage ist, ob die Hersteller ihm diesen Wunsch erfüllen. 600 PS, wie ursprünglich gewünscht, werden es jedenfalls nicht werden.
Immerhin beim Rennformat gibt es Unterschiede. Die DTM behält den Sprintcharakter mit Rennen über 55 Minuten plus einer Runde. Ein Fahrer lenkt das Auto – im Gegensatz zum GT Masters mit Fahrertausch – und Boxenstopps mit Reifenwechseln soll es ebenfalls geben. Das klingt trotzdem nicht nach großer Differenzierung. Es bleibt abzuwarten, ob und was die DTM noch aus dem Hut zaubert. Vielleicht lässt es Berger auch auf einen Verdrängungskampf hinauslaufen. Das Argument für die DTM wäre der Name und die Werbeplattform.
Das Kapitel Class One wird die DTM beim Saisonfinale in Hockenheim schließen. Es sei denn, es passiert noch ein Wunder. Ein kleines Hintertürchen hat man sich offenbar offen gelassen. Im Reglement für 2021 sind neben GT-Autos auch Class-One-Rennwagen aufgeführt.