„Happy und nicht happy“

Charles Leclerc hat als Vierter den Fortschritt von Ferrari in Portimao demonstriert, auch wenn nicht alles dem Aero-Paket zuzuschreiben ist. Bei Sebastian Vettel lief es am Sonntag besser als am Samstag, aber immer noch nicht gut genug.
Vierte Plätze sind für Ferrari in diesem Jahr ein Grund zum Feiern. Charles Leclerc führte das Mittelfeld in Portimao klar an. Wie beim Saisonauftakt in Österreich und den beiden Silverstone-Grand Prix. Während Ferrari im ersten Saisondrittel die Konkurrenz ein paar Mal am falschen Fuß erwischte, hat es jetzt andere Gründe, dass Licht am Ende des Tunnels scheint. Eine Serie von Upgrades hat den SF1000 einen Schritt nach vorne gebracht.
Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. "Die letzten Strecken kamen uns entgegen", gab Leclerc zu. Was er nicht sagte. Er holt mehr aus dem Auto raus, als es eigentlich hergibt. Leclerc lobt aber auch die jüngsten Verbesserungen am Auto. "Es waren kleine Schritte, aber sie zeigten alle in die richtige Richtung."
Der Monegasse zählte in Portimao zu den Fahrern, die es geschafft haben, die Reifen in ihr Arbeitsfenster zu bringen und dort zu halten. Es dauerte nur etwas länger als bei der Konkurrenz. Die ersten fünf Runden ging die Reise rückwärts. Dann machte Ferraris Nummer eins verlorenen Boden wieder gut. Sein vierter Platz war nie in Gefahr. Max Verstappen blieb außer Reichweite. Pierre Gasly lag mehr als 35 Sekunden zurück.
Ein Schritt seitwärts
Man könnte die Formsteigerung von Ferrari auch am zehnten Platz von Sebastian Vettel festmachen. Es ist die erste Zielankunft des Deutschen in den Punkterängen seit dem Rennen in Mugello. Immerhin machte Vettel von seiner Startposition aus fünf Positionen gut.
Trotzdem hellte das die Stimmung nicht auf: "Ich bin happy und nicht happy. Das Rennen lief unter den Umständen nicht so schlecht, aber ich will mehr als nur einen Punkt. Unter dem Strich war es für mich ein Schritt seitwärts statt vorwärts." Erneut bezahlte Vettel für seine schlechte Startposition. Erkenntnis: "Ich muss am Samstag besser werden."
Die Startrunde auf gebrauchten Medium-Reifen war erneut keine Offenbarung. "Der Start selbst und die ersten beiden Kurven waren noch ganz gut. Dann brach vor mir Chaos aus, und es war schwer einen freien Platz zu finden." Weil es wieder ewig dauerte, bis sich die Reifen am Ferrari mit der Nummer 10 aufheizten, verlor Vettel kurzfristig noch einen Platz an Romain Grosjean.
Immerhin ging es danach nur noch nach vorne. Darunter waren auch fünf gelungene Überholmanöver. Trotzdem haderte Vettel: "Ich hätte gerne eine sauberes Rennen gehabt, um den Speed des Autos auszuschöpfen. Aber wir saßen da hinten drin, und es war mühsam nach vorne zu kommen." Eine bessere Platzierung verhinderte zum Schluss das gute Teamwork der beiden Renault.Piloten. "Ocon gab Ricciardo Windschatten und DRS. Da war für mich nichts zu holen."
Ritt auf der Rasierklinge./strong>
Der Ferrari war auch im Rennen ein Auto, das aus Sicht von Vettel schwer zu fahren war. Ganz anders die Aussagen seines Teamkollegen. "Ich fühle mich wohl in dem Auto. Die jüngsten Upgrades helfen mir und meinem Fahrstil."
Vettel räumt zwar ein, dass seine Art zu fahren nicht unbedingt zu seinem SF1000 passt, er will daraus aber auch keine Ausrede schmieden. "Dann muss ich mich eben anpassen. Und damit tue ich mich gerade schwer. Charles hat ganz offensichtlich ein anderes Gefühl für den Grip als ich, und deshalb fahre ich auch nicht so schnell wie er." Der Ex-Champion mahnt sich selbst zur Ruhe: "Ich muss mich auf mich konzentrieren und mein Ding machen."
Vermutungen, Ferrari lasse den Fahrer fallen, der das Team am Ende der Saison verlässt, wiegelt Vettel ab. "Wir bekommen gleiches Material. Ich vertraue dem Team und den Leuten in der Garage. Am Ende verrät die Stoppuhr die Wahrheit. Das Gefühl für das Auto stimmt einfach nicht. Es fällt mir schwer, konstant zu fahren. Mal geht es für eine Runde, mal wieder nicht. Wenn ich das Fenster nicht genau treffe, bin ich sofort dramatisch langsamer. Es ist wie ein Ritt auf der Rasierklinge."
Was am Ende wieder mit den Reifentemperaturen zu tun hat. Sind sie da, ist der Unterschied gar nicht so dramatisch. In seiner schnellsten Rennrunde hatte Leclerc um 0,343 Sekunden die Nase vorn. Der neue WM-Fünfte konnte aber auch die meiste Zeit des Rennens frei fahren, während Vettel fast immer im Pulk steckte und in Zweikämpfe verstrickt war. Da war es schwer, das Tempo der Reifentemperatur zuliebe konstant hoch zu halten.
Teamchef Mattia Binotto gab als Ziel aus, bis zum Saisonende noch ein paar WM-Positionen gutzumachen. Der WM-Sechste 16 Punkte vor Alpha Tauri und 27 Zähler hinter Renault. Wenn Binotto das erreichen will, braucht er Vettel als Punktelieferant. Es wäre aus Sicht von Ferrari nicht klug, sein Sorgenkind im Regen stehen zu lassen. So holt man auf McLaren, Racing Point und Renault nicht auf. "Wir müssen unseren Fortschritt jetzt bestätigen", fordert Binotto. "Wir liegen immer noch weit zurück, aber es ist möglich. Dafür müssen wir in den letzten fünf Rennen alles tun."