„Dem Tod ins Auge gesehen“
Erstmals nach seinem Feuerunfall in Bahrain hat Romain Grosjean ein Interview gegeben. Der Franzose schildert auf dramatische Weise, welche Gedanken ihm nach seinem Einschlag und im Feuer durch den Kopf schossen.
Über Romain Grosjean wachte in Bahrain ein Schutzengel. Der gebürtige Genfer überlebte am Rennsonntag von Sakhir einen Unfall, den er vor ein paar Jahren vermutlich nicht überlebt hätte. Er konnte sich bei der FIA bedanken, die im letzten Vierteljahrhundert unermüdlich an der Sicherheit der Autos gearbeitet hat. Bei den Streckenposten und den Erstversorgern, die schnell am Unfallort waren. Aber Grosjean darf sich auch selbst auf die Schulter klopfen. Er hat sich selbst innerhalb von nicht einmal einer halben Minute aus der Feuerhölle befreit.
Der Unfallpilot liegt seit Sonntagabend in einem Bahrainer Krankenhaus. Dort werden seine Brandverletzungen an den Händen behandelt. Sie sind dick eingewickelt. Auch der linke Fuß trägt einen Verband. Grosjean hatte ihn sich verstaucht, als er ihn aus dem Rennschuh zerrte, der sich in den Pedalen verklemmt hatte. Die Mediziner haben ihm zudem das linke Knie verbunden.
Tod von Schippe gesprungen
Grosjean hat den Unfall offenbar gut weggesteckt. Er macht vor seinem Krankenbett sogar schon Kniebeugen. Der Franzose bleibt zur Sicherheit und für die Behandlung seiner Brandwunden noch eine weitere Nacht im Krankenhaus. Dort gab er dem französischen TV-Sender TV1 ein Interview, indem er die dramatischsten Sekunden seines Leben. schildert.
Der 34-Jährige hat seinen Unfall bereits in der Wiederholung erlebt. "Es ist der schwerste, den ich in meinem Leben je gesehen habe", sagt Grosjean. "Ich weiß nicht, ob es Wunder gibt oder ob das Wort für meinen Fall benutzt werden kann. Aber in jedem Fall würde ich sagen, dass es für mich noch nicht an der Zeit war."
Der Haas-Fahrer kann sich nicht daran erinnern, seinen Rennwagen vor dem Aufprall in die Leitplanke verzögert zu haben. Doch er kann sich sehr wohl daran erinnern, wie er sich aus den Flammen befreite. Und was ihm in den 28 Sekunden durch den Kopf ging, in denen er sein Leben mit aller Willenskraft rettete.
Griff in die Flammen
Es sind Äußerungen, die einen erschaudern lassen. "Es fühlte sich länger an als 28 Sekunden. Ich sehe, wie vor meinem Visier alles orange wird. Ich sehe die Flammen links vom Auto. Ich dachte über viele Sachen nach. Vieles schoss mir durch den Kopf. Auch Niki Lauda." Der Österreicher entkam am Nürburgring 1976 einem Feuerunfall. Allerdings rang Lauda danach im Krankenhaus mit seinem Leben. "So konnte es unmöglich enden. Ich konnte meine Formel-1-Karriere nicht auf diese Weise beenden", führt Grosjean weiter aus.
Seine Familie und seine Kinder hätten ihm die Kraft gegeben, aus den Flammen zu fliehen. "Für meine Kinder musste ich raus. Ich legte meine Hände ins Feuer. Ich habe gefühlt, wie sie brennen, als ich nach dem Chassis griff. Ich kam irgendwie raus, dann hat mich jemand am Rennoverall gepackt. Das war der Moment als ich wusste, dass ich tatsächlich draußen bin." Es war FIA-Arzt Dr. Ian Roberts, der Grosjean beim Absprung über die Leitplanke half.
"Ich war in größerer Sorge um meine Familie und um meine Freunde. Meine Kinder sind mein größter Stolz und meine stärkste Energiequelle", sagt Grosjean im Interview. Der Haas-Pilot wird den kommenden Grand Prix aussetzen müssen, um sich zu schonen und zu regenerieren. Doch schon nächste Woche will er für das Saisonfinale wieder in den VF-20 klettern.
Grosjean will nicht, dass die Unfallbilder als letztes von ihm in Erinnerung bleiben. Der Mann, der sein Cockpit für 2021 bereits verloren hat, will noch einen 180. Grand Prix fahren. "Es wird sicher etwas psychologische Unterstützung brauchen, weil ich dem Tod ins Auge gesehen habe. Ich bin glücklich, noch zu leben. Ich sehe manches jetzt aus einer anderen Perspektive. Aber ich habe auch das Verlangen, zurück ins Auto zu steigen. Falls möglich in Abu Dhabi, um meine Geschichte in der Formel 1 auf eine andere Weise abzuschließen." Darüber werden Teamchef Guenther Steiner und Grosjean Anfang nächster Woche entscheiden.