Eine Runde nahe der Perfektion
Mercedes und Red Bull lieferten sich im Regen von Spielberg einen Schlagabtausch. Bis Lewis Hamilton im entscheidenden Durchgang dem härtesten Gegner davonflog. Während der Weltmeister und sein Teamchef schwärmten, bläst Red Bull zum Angriff am Rennsonntag.
Am ersten Rennwochenende von Spielberg lief es für Lewis Hamilton./span> nur bis zum dritten Training. Danach rutschte der Titelverteidiger ab und der Teamkollege übernahm, holte die Pole-Position und den Sieg. Während Hamilton sich zwei Strafen einfing und vom Podest fiel.
Eine Woche später läuft es umgekehrt. Dieses Mal haderte Hamilton mit seinem Auto im Training. Am Freitagvormittag fühlte sich der Mercedes W11 noch gut an. Und auch zu Beginn des Nachmittagtrainings. Doch dann drifteten Fahrer und Maschine auseinander. Der Weltmeister und seine Ingenieure begaben sich auf Spurensuche. Sie fanden den wunden Punkt im Auto mit der Startnummer 44. Ein mechanisches Problem bremste es ein. Mehr will Mercedes nicht dazu sagen, um der Konkurrenz keine Hinweise zu geben.
Hamilton auf eigenem Planeten
"Wir haben das Auto doppelt gecheckt und den Fehler gefunden. Im dritten Training konnten wir es zwar nicht überprüfen, aber ich habe mich in der Qualifikation sofort wohlgefühlt im Auto. Das Vertrauen war zurück", berichtete Hamilton. Dann passierte das, was selbst ein Ausnahmekönner wie er eher selten erlebt. Eine Runde, an der es praktisch nichts auszusetzen gibt.
"Fahrer und Maschine sind verschmolzen. Die Reifen waren perfekt im Arbeitsfenster, die Fahrbarkeit des Motors wunderbar, und Lewis hat all seine Fähigkeiten und Intelligenz in diese eine Runde gesteckt", beschreibt es Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Es war eine Runde, wie aus einem Guss. Die Reifen nicht zu kalt oder zu heiß, die Batterie voll aufgeladen, der Mercedes-V6-Turbo in seinem schärfsten Modus.
Hamilton kombinierte drei Sektorbestzeiten im dritten Durchgang zu einer Rundenzeit von 1:19.273 Minuten. Damit hängte der WM-Vierte die Konkurrenz weit ab. Max Verstappen fehlten 1,216 Sekunden. Carlos Sainz im McLaren 1,398 Sekunden. Mercedes-Teamkollege Valtteri Bottas 1,428 Sekunden. Bei einer Streckenlänge von nur 4,318 Kilometer. Bei nur zehn Kurven. Mit dem gleichen Material. Man könnte auch sagen: Hamilton fuhr an diesem späten Samstagnachmittag auf seiner eigenen Rennstrecke, auf seinem eigenen Planeten.
Der sechsfache Titelträger jubelte über seine 89. Pole-Position. Es war seine dritte in der Steiermark. Der Red Bull-Ring ist eine Strecke, die ihm in den letzten Jahren nicht unbedingt gute Ergebnisse einbrachte. Seit seinem einzigen Sieg 2016 wartet Hamilton auf einen Podestplatz. "Es war eine fantastische Runde. Mein Renningenieur hat mir eine schöne Lücke verschafft und ich habe es ausgenutzt. Da waren keine Fehler drin. In diesen Verhältnissen hätte ich es besser eigentlich nicht machen können. Es war nahe der Perfektion. Die Runde erinnert mich an meine Fahrt in Silverstone 2008." Der Perfektionist scheint immer ein kleines Haar zu finden.
Fast-Abflug für Hamilton./strong>
Nach einem heißen Freitag wütete am Qualifikationssamstag ein Unwetter über Spielberg. In allen drei Qualifikationsteilen regnete es. Dann entscheidet nicht mehr nur das Auto. Der Fahrer rückt von der Außenseite in Richtung Zentrum und kann einen größeren Unterschied machen. Aber nur, wenn das Teamplay stimmt.
Die Renningenieure müssen ihre Fahrer lenken, sie auf der Strecke positionieren, sie über Vorder- und Hintermann informieren und die Reifen.emperaturen durchgeben. In der Gischt wäre der Fahrer aufgeschmissen, wäre er auf sich allein gestellt. "Breite Autos, große Reifen. Da wird so viel Wasser aufgewirbelt, dass du erst wieder etwas siehst, wenn das Auto vor dir sechs Sekunden weg ist", beschreibt Verstappen. Hamilton stimmt zu: "Das sind wahrscheinlich die schlimmsten Verhältnisse für moderne Formel 1-Autos. Es war eine riesige Herausforderung bei der eingeschränkten Sicht. Du suchst mit deinem Ingenieur in jeder Runde nach Lücken im Feld."
Es war nicht einmal an Intermediate-Reifen zu denken. Im letzten Durchgang intensivierte sich der Guss von oben. Mercedes schaffte es, sein Auto darauf perfekt einzustimmen, während Red Bull in Probleme rutschte. Auf dem Papier hätte es die Wunderrunde gar nicht gebraucht. Selbst Hamiltons zweitschnellste Zeit von 1:19.702 Minuten hätte locker für die Pole-Position gereicht.
Und es wäre scheinbar auch nebensächlich gewesen, wenn der Weltmeister tatsächlich ausgerutscht wäre. "In meiner vorletzten Runde hatte ich eine Schrecksekunde mit Aquaplaning. Mir ist das Herz in die Hose gerutscht."
Chancen 60:40 für Hamilton./strong>
Doch man darf sich nicht täuschen lassen. Verstappen erzielte seine Bestmarke im viertletzten Umlauf. Es wäre noch mehr gegangen. In der letzten Runde war der 22-Jährige auf Kurs zu einer Verbesserung, bis ihm sein Red Bull zwischen den beiden letzten Kurven auf dem Randstein entglitt. "Vor mir ging ein Auto in die Box. Ich konnte gar nicht sehen, welches. Das hat mich leicht irritiert. Mein Auto untersteuerte und es trieb mich auf den Kerb. Schon war ich weg."
Red Bulls Hochrechnungen ergeben, dass sich Verstappen seinem Rivalen bis auf zwei Zehntel genähert hätte. "Der Rückstand von 1,2 Sekunden ist nicht aussagekräftig", sagt deshalb Sportdirektor Helmut Marko.
Der generelle Trend zeigte: Red Bull fühlt sich mit weniger Wasser wohl. Je stärker der Regen wurde, desto mehr Grip verlor der RB16. "Dann hat das Zusammenspiel zwischen Reifen und Unterboden nicht mehr gepasst", erklärt Marko. Verstappen: "Überall stand Wasser. Damit kam unser Auto nicht mehr so gut klar. Ich habe viel Haftung verloren und mich nicht mehr ganz so gut gefühlt wie in Q1 und Q2." Trotzdem zeigte sich Verstappen mit dem Ergebnis zufrieden. "Es war ein guter Tag für uns."
Red Bull versteht sein Auto besser. Die Ingenieure haben Lösungen gefunden und dem RB16 viele Zicken ausgetrieben. Das Auto ist stabiler vom Kurveneingang bis zum Ausgang und für die Fahrer berechenbarer. Am liebsten wären Red Bull heiße Temperaturen für das Rennen. "Wir haben am Freitag gesehen, dass Mercedes darunter immer noch mehr leidet als wir", sagt Marko, der einen Zweikampf zwischen seinem Schützling und dem Weltmeister für das Rennen über 71 Runden prophezeit. Obwohl die Vorhersage gegen Red Bull spricht. Am Rennsonntag dürfte es wesentlich kühler sein. Es werden Temperaturen um die 20 Grad statt über 30 Grad erwartet. "Das sind schlechte Nachrichten für uns. In der Hitze würden die Chancen 60:40 für Verstappen stehen. Bei kühleren Verhältnissen dreht es sich um. Dann steht es 60:40 für Hamilton."