„Die wilden Zeiten sind vorbei“
In Sachen Helmlackierung vertrauen viele Formel-1-Stars Jens Munser. Der Künstler erklärt im Interview, wie sich die Corona-Pause zum Schutz der Gesundheit auf sein Geschäft auswirkt und warum die Piloten auch nach dem Ende des Designwechselverbots nicht verrücktspielen.
Wie viele Mitarbeiter haben Sie in Ihrer Firma in Salzgitter und wie wirkt sich die Corona-Krise aus?
Munser: Bei uns sind momentan 14 Leute beschäftigt. Home Office ist bei unseren aufgeteilten Prozessen schwierig. Aber wir halten hier natürlich die bekannten Empfehlungen zum Thema Abstand und Hygiene ein. Wir versuchen uns untereinander etwas aus dem Weg zu gehen und beim Lackieren haben wir ja sowieso Masken mit Aktivkohlefilter auf. Wichtig ist, dass sich die Mitarbeiter auch privat an die Regeln halten, um möglichst keine Infektionen einzubringen.
Und wie hat sich die Auftragslage verändert?
Munser: Wir haben aktuell noch gut zu tun. Viele Rennserien unserer Kunden sollten erst im Mai bzw. Anfang Juni starten und wurden nicht völlig ausgesetzt. Da wurde zum Glück bisher auch nicht viel storniert. Es rechnen alle damit, dass es hoffentlich bald wieder losgeht. Im Frühjahr ist die Wartezeit für Kunden bei uns immer relativ lang. Das dürfte sich demnächst etwas reduzieren. Langfristig erwarte ich aber schon Auswirkungen. Wenn jetzt Formel-1-Rennen zusammengestrichen werden, dann benötigen die Fahrer natürlich auch weniger Helme. Wobei ich gar nicht sagen kann, ob die vereinbarte Anzahl der Rennen zwingend an die Menge der Helme gekoppelt ist.
Was passiert, wenn die F1-Fahrer weniger Helme bestellen?
Munser: Bei uns ist die Arbeit in grafische Entwicklung und Produktion aufgeteilt. Die Formel 1, mit den vielen Repliken des gleichen Designs, gehört zur Produktion. Sollte die Pause länger anhalten, dann muss wohl die kreative Grafik-Abteilung noch kreativer werden, um die Kapazitäten mit mehr Individual-Lackierungen auszulasten. Das lässt sich aber nicht ewig skalieren, weil der Aufwand der Planung dann zu hoch wird.
Nach aktuellen Plänen könnte die Saison mit mehreren Rennen in kurzer Zeit im Sommer wieder starten. Erwarten Sie dann erhöhten Stress?
Munser: Wir produzieren jetzt natürlich weiter auf Vorrat, damit wir später nicht so unter Druck kommen. Im Sommer haben bei uns ja auch viele Mitarbeiter Urlaubszeiten. Darauf müssen wir vorbereitet sein und die Zeit jetzt nutzen.
Melden sich die Fahrer in der Pause schon mit neuen Designvorschlägen?
Munser: Momentan ist es sehr ruhig. Ich denke, dass es erst wieder mehr Kontakt gibt, wenn man weiß, wann das nächste Rennen sicher stattfindet. Die Situation ist generell schon außergewöhnlich. Normalerweise terminieren wir unsere Helme bis auf die Stunde genau, und plötzlich hast Du drei Monate Zeit. Das ist schon sehr ungewohnt!
Die Piloten dürfen ja dieses Jahr erstmals wieder die Designs frei wechseln. Erwarten Sie dadurch mehr Arbeit in der Kreativabteilung?
Munser: Ich glaube nicht, dass alle Fahrer das so extrem nutzen werden. Lando Norris hat zwar schon was in diese Richtung angekündigt, aber die meisten Piloten werden wohl nur für bestimmte Rennen etwas Neues machen. Max (Verstappen) war zum Beispiel ganz zufrieden, wie es bisher war. Und auch bei Sebastian (Vettel) sind die ganz wilden Zeiten vorbei. Der weiße Helm mit der Flagge ist jetzt sein Erkennungszeichen und das wird wohl auch so bleiben. Wir konnten uns ja auch unter den alten Regeln schon einigermaßen austoben. Da haben wir immer wieder mit Details gespielt, ohne dass wir das Grunddesign verändert haben.
War das Ende des Designwechsel-Verbots überfällig?
Munser: Ich finde es auf jeden Fall gut, dass diese Blockade nun beendet wurde. Der Helm gehört dem Fahrer und der muss einfach die Freiheit haben, das Design seines Helmes selbst zu bestimmen. Es gibt ja schon die Vorgaben in Sachen Sponsoren vom Team. Am Ende darf aber keiner in das Design reinreden. Der Helm ist das einzige, was der Fahrer noch hat, um sich individuell auszudrücken.
Viele Fans schätzen die Kreativität, die in den Helmen steckt. Neue Designs werden in den sozialen Medien geteilt. Freuen Sie sich über die erhöhte Aufmerksamkeit?
Munser: Na klar freut man sich über die Fangemeinde, die sich für das Randthema "Helmdesigns" interessiert. Zusammen mit Sebastian haben wir ja damals etwas Schwung in das Thema gebracht und die alte Regel, dass ein Fahrer niemals sein Design ändert, einfach über den Haufen geworfen. Eigentlich hat es sogar schon 2001 mit Michael Schumacher begonnen. Damals haben wir nach den Anschlägen in New York die amerikanische Flagge für ein Rennen als Statement eingearbeitet. Später haben wir das dann weitergeführt, als wir Weltmeisterschaften oder Jubiläen mit Sonderdesigns gefeiert haben. Wir haben damals schon den Helm als Kommunikationsfläche gesehen, was sich heute fest etabliert hat.
Ist es wahr, dass Daniil Kvyat letzte Saison einen ihrer Helme wegen des Wechsel-Verbots nicht tragen durfte?
Munser: Ja, das stimmt. Er hatte in Monza schon ein anderes Design. Und für sein Heimspiel in Russland haben wir noch einmal einen speziellen Helm gemacht. Der war in einem Pinselstrich-Look in russischen Farben angemalt. Die FIA wurde in diesem Fall offiziell befragt, ob die neue Version dem normalen Design entspricht. Auf die Frage konnten die dann gar nicht anders als "nein" antworten. In anderen Fällen, in denen es keine Anfrage gab, wurde einfach nicht so genau hingeschaut. Es gibt generell ja auch wichtigere Regeln als das Helmdesign. Danach wurde das Thema neu betrachtet und das Gesetz geändert.
Gibt es aktuelle Trends bei Helmdesign.
Munser: Große Trends gibt es nicht. Ich persönlich stehe nicht mehr auf so ganz kleinteilige Designs mit vielen Linien und Zacken. Vielleicht liegt das daran, dass ich nicht mehr 20 bin. Ich mag lieber klare Designs mit großen Flächen oder Schriftzügen, die gut erkennbar sind. Dabei können die Farben oder die Effekte ruhig etwas ausgefallener sein. Ich finde, man sollte das Design während der Fahrt erkennen und auf einem Blatt einfach aus dem Gedächtnis nachmalen können. In der Kartszene sind die Designs heute zum Teil sehr verspielt. Da sieht man auf den ersten Blick nur etwas Buntes vorbeifahren.
Was macht Jens Munser Designs, wenn die Fahrer wegen der Krise längere Zeit keine neuen Helme mehr brauchen?
Munser: Wir haben zum Glück noch weitere Standbeine. Neben den Helmen bieten wir auch noch hochwertige Merchandise- und Sammlerstücke an. Dabei werden zum Beispiel aus Original-Produkten, die in Rennen zum Einsatz kamen, neue Kunstwerke geschaffen. Für das sogenannte "Racing Artwork" verarbeiten wir Helmvisiere, Anzüge oder Handschuhe. Wir fertigen auch 50-Prozent-Replica Helme im Original-Design als 3D Bild. Am Ende haben die Produkte immer einen handgemachten Charakter. Es sind alles hochwertige Arbeiten und keine normalen Werbegeschenke wie Caps oder T-Shirts.